Tag Russlands: Einigkeit im ganzen Land?

Von Kaliningrad bis Wladiwostok feiert man am 12. Juni den Tag Russlands. Foto: ITAR-TASS

Von Kaliningrad bis Wladiwostok feiert man am 12. Juni den Tag Russlands. Foto: ITAR-TASS

Am 12. Juni wird in der Russischen Föderation einer der jüngsten Nationalfeiertage gefeiert, der Tag Russlands. Die historische Bedeutung des Feiertags ist bis heute noch nicht allen Russen bewusst, wie eine Lewada-Studie zeigt.

Am 12. Juni wird in der Russischen Föderation einer der jüngsten Nationalfeiertage gefeiert, der Tag Russlands. An diesem Tag nahm im Jahr 1990 der Erste Abgeordnetenkongress der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) die Deklaration der staatlichen Souveränität Russlands an. Zudem fanden genau ein Jahr später die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Russland statt, aus denen Boris Jelzin als Sieger hervorging.

Seit 1994 ist der 12. Juni offizieller Feiertag. 2001 erhielt er durch Präsident Wladimir Putin seine heutige Bezeichnung. Seitdem steht nicht mehr die Annahme der Deklaration über die Staatssouveränität der RSFSR im Vordergrund. Vielmehr ist der 12. Juni zu einem Feiertag geworden, der dem Land als Ganzes gewidmet ist.

 

Die neue Unabhängigkeit

Der Tag Russlands hat für viele Russen eine doppeldeutige Bedeutung. Viele verstehen nicht, wie man den Tag des Verlustes der Staatlichkeit im eigenen Land feiern kann. Gleichzeitig war die Souveränitätserklärung der Beginn einer neuen Staatlichkeit. Jahrhundertelang war Russland ein eigenständiger Staat gewesen, und der Versuch zu verkünden, dass Russland auf einmal zu einem neuen „jungen Staat" geworden sei, erschien vielen paradox. Daher fragten sich viele Menschen, ob man den Tag Russlands gerade am 12. Juni feiern sollte – bis heute.

„Die Feier der russischen Selbstidentifikation sollte am Jahrestag einer großen Errungenschaft stattfinden", meint der Politikwissenschaftler Alexandr Dugin, der ergänzt, es gebe genügend solcher Errungenschaften in der Geschichte des Landes. „Ich denke, dass der Tag Russlands am Jahrestag eines wirklich großen Sieges gefeiert werden sollte, zum Beispiel dem Sieg über jemanden, der unser Land bedroht hat – einen Sieg über Besatzer oder Feinde", sagt Dugin.

Das renommierte Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum befragte 1 600 Russen zu ihrer Einstellung gegenüber dem Tag Russlands. Demnach glauben 44 Prozent von ihnen, dass der offizielle Titel „Tag der russischen Unabhängigkeit" laute. Ein Fünftel der Befragten konnte nicht genau sagen,

welche Konsequenzen die Unabhängigkeit Russlands für sie hatte.

Oleg Rumjanzew, ehemaliger Leiter der Arbeitsgruppe, die 1990 die Deklaration zur Unabhängigkeit vorbereitete, versucht, den Feiertag zu erklären: „Der 12. Juni ist der Tag der Verfassungsgrundlage. Die Bezeichnung des Tages finde ich eher misslungen, denn in der Deklaration wurden die Prinzipien der Volkssouveränität verkündet. Sie sollte ein Wegweiser für den Föderalismus sein und Russland den Weg zu einem neuen Unionsvertrag ebnen." Er fügt hinzu: „Eigentlich ist das ein zu rationales Fest, als dass die Massen es schätzen könnten, aber auch ein sehr gutes, um festzustellen, wo wir als Staat mittlerweile angelangt sind und ob wir uns überhaupt auf dem richtigen Weg befinden."

 

Ein Feiertag ohne Traditionen

Unabhängig von der Aussage Rumjanzews bleibt der Tag Russlands ein Fest und ein Feiertag. Die Pläne der Russen an diesem Tag sind vielfältig. Das Wichtigste für viele Bürger ist dem Lewada-Zentrum zufolge, dass sie

den Tag „würdig" begehen wollen – wobei jeder seine eigene Definition dafür hat.

14 Prozent der Russen beabsichtigen laut Lewada-Zentrum, den 12. Juni im Kreis der Familie zu verbringen. Weitere elf Prozent wollen auf ihre Datscha oder aufs Land fahren. Ebenso viele haben angegeben, diesen Tag der angefallenen Hausarbeit zu widmen. Jeder Zehnte plant, zum Grillen oder Sonnenbaden in die Natur zu fahren. Jeweils fünf Prozent wollen den 12. Juni für Spaziergänge in der Stadt oder im Park oder aber für eine Kurzreise nutzen. Elf Prozent haben hingegen noch keine bestimmten Pläne.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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