In Russland ist die Leihmutterschaft erlaubt, aber kompliziert. Foto: RIA-Nowosti
Bei einer Leihmutterschaft trägt eine Frau ein biologisch fremdes Kind aus und übergibt es nach der Geburt den biologischen Eltern, die auch im juristischen Sinne Eltern werden. Bei der Leihmutterschaft kommt in Russland das In-Vitro-Fertilisationsverfahren zum Einsatz.
Leihmutterschaft in Russland zwar erlaubt, aber ein Tabu
Das Thema Leihmutterschaft ist weltweit umstritten. In Österreich, Deutschland, Italien, Norwegen, Schweden, Frankreich, der Schweiz und in einigen US-Staaten gibt es ein Verbot. Die Gesetze in Israel, Kanada, Großbritannien sowie einigen amerikanischen Staaten verbieten der Leihmutter lediglich, Geld für ihre Dienstleistung anzunehmen. In Russland, den meisten US-amerikanischen Bundesstaaten, in Südafrika und in der Ukraine ist die Leihmutterschaft nicht nur erlaubt, sondern darf sogar bezahlt werden.
Leihmutterschaft ist in Russland aufgrund der ethisch-moralischen Spezifik
ein Tabuthema. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Sowohl die Ehepaare, die auf diesem Wege ein Kind bekommen möchten, als auch die Leihmütter sind meist um Diskretion bemüht. Damit das Umfeld der betroffenen Familien nichts mitbekommt und keine Fragen nach der Herkunft des Babys stellt, täuschen die Frauen eine Schwangerschaft vor, nehmen sogar ihren Schwangerschaftsurlaub oder verreisen gar für längere Zeit ins Ausland.
Nach russischer Gesetzgebung kann man Leihmutter im Alter von 20 bis 35 Jahren werden. Man muss des Weiteren mindestens ein gesundes eigenes Kind, ein medizinisches Gutachten über dessen einwandfreien Gesundheitszustand und schriftlich in den ärztlichen Eingriff eingewilligt haben. Ist die Leihmutter verheiratet, dann wird auch die schriftliche Einwilligung des Ehemanns verlangt.
In Russland gibt es spezialisierte Kliniken, die über Datenbanken potenzieller Leihmütter verfügen und auch professionelle Vermittlungsagenturen, die zusätzlich Hilfe bei den finanziellen und juristischen Fragen einer Leihmutterschaft anbieten. Manchmal stammt die Leihmutter aber auch einfach aus der Verwandtschaft oder dem Freundes- und Bekanntenkreis des Paares mit Kinderwunsch.
Eine Leihmutterschaft ist nicht ganz billig. Die Kosten können zwischen 10 000 und 35 000 Euro liegen. In diesem Betrag sind die Unterkunft, Verpflegung und die medizinische Betreuung der Leihmutter und ihr Honorar enthalten.
Unwägbarkeiten, Ängste und Gesetze
Garantien gibt es bei einer Leihmutterschaft allerdings nicht. Die Leihmutter kann es ablehnen, das von ihr geborene Kind wegzugeben. Konflikte dieser Art werden in Russland meist zugunsten der Leihmutter entschieden. Auch das Gegenteil kann passieren, zum Beispiel, wenn die genetischen Eltern sich weigern, das Kind anzunehmen, falls es behindert auf die Welt kommt. Und manchmal werden statt nur einem Kind Zwillinge geboren. Experten empfehlen daher, die Pflichten der Beteiligten vorab in einem Vertrag genau festzuhalten und Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung einzuführen.
Aber selbst ein noch so wasserdichter Vertrag kann nicht verhindern, dass am Ende nicht doch alles anders läuft als erwartet. Aida und ihr Mann aus Ufa versuchen seit zehn Jahren vergeblich ein Kind zu bekommen. Mit der Leihmutterschaft haben sie schon zwei Mal negative Erfahrungen gemacht. „Die eine Leihmutter ließ alle medizinischen Untersuchungen auf unsere Kosten vornehmen. Als es dann soweit sein sollte, stellte sich heraus, dass sie bereits mit ihrem eigenen Kind schwanger war“, erzählt Aida. Die zweite Frau hat falsche Angaben über ihren Gesundheitszustand gemacht. Dennoch suchen Aida und ihr Mann weiter. „Es ist eine sehr emotionale Angelegenheit“, findet Aida. Auch wenn eine passende Leihmutter gefunden werden sollte, blieben viele Ungewissheiten und Ängste: „Wir fragen uns zum Beispiel, ob die Leihmutter auch alle Anweisungen des Arztes befolgen wird“. Aida und ihren Mann beschäftigt auch, ob die Leihmutter wirklich bereit sein wird, das Kind nach der Geburt auch abzugeben. Laut Gesetz bleibe sie die Mutter, weil sie das Kind geboren habe. Aida wünscht sich hier eine klare Regelung durch den Gesetzgeber.
Die Perspektive der Leihmutter
Marina aus Moskau ist eine Leihmutter. Sie ist 29 Jahre alt, verheiratet und hat ein eigenes Kind. Sie kann nicht nachvollziehen, warum viele Menschen die Leihmutterschaft verurteilen. „Ich sehe darin überhaupt nichts Negatives. Alle sind zufrieden, die Eltern, die Leihmutter, das Kind. Warum darf ich Menschen nicht die Möglichkeit geben, Eltern zu werden?“, fragt Marina. Zweifel hatte sie dennoch. „Ich wusste nicht, wie sich die Beziehung zu den Eltern des Kindes gestalten würde, ob sie das
Kind auch nehmen würden“, erzählt sie. Auch hatte sie Angst vor einer vielleicht problematischen Schwangerschaft. Doch alles ging gut. Marina brachte ein gesundes Kind für ein verheiratetes Paar zur Welt und lebt weiterhin ihr Leben. Marina konnte das Kind, dass sie geboren hatte, loslassen: „Mir war von Anfang an bewusst, dass das Kind nicht meines ist, und dass auf mir eine riesige Verantwortung liegt, dass diese Leute ihre ganze Hoffnung auf mich gesetzt hatten“, erzählt Marina.
Die 25-jährige Julia aus Tscheljabinsk ist dagegen bis heute nicht darüber hinweg gekommen, dass sie das Kind, dass sie geboren hat, weggeben musste. Sie hat in der Schwangerschaft eine Bindung zu dem Kind aufgebaut und leidet darunter, dass nicht sie es sein wird, die die ersten Worte des Kindes hören und seine ersten Schritte begleiten wird. Aber sie fühlte sich auch ihren Auftraggebern verpflichtet. Für Julia steht fest, dass sie nie wieder Leihmutter sein wird. Sie möchte auf jeden Fall noch einmal Mutter werden, aber dann wird sie ihr Kind behalten.
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