Ukraine-Krise führt zu Einbruch am Reisemarkt

Sobald sich die außenpolitische Lage stabilisiert hätte, werde Russland wieder ein begehrtes Reiseziel sein, meinen Experten. Foto: Getty Images

Sobald sich die außenpolitische Lage stabilisiert hätte, werde Russland wieder ein begehrtes Reiseziel sein, meinen Experten. Foto: Getty Images

Für Touristen aus Europa, Nordamerika und Japan ist Russland nicht die erste Wahl, wenn es um ein attraktives Reiseziel geht. Experten sehen nicht nur die Ukraine-Krise als Ursache für einen deutlichen Rückgang der Übernachtungszahlen, sondern auch die strengen Einreisebestimmungen und ein schlechtes Marketing.

Seit Beginn des Jahres 2014 bleiben immer mehr Betten in russischen Hotels leer. Dies hängt damit zusammen, dass weniger Touristen aus Europa, den USA, Kanada und Japan nach Russland reisen. Bei den Touristen aus Europa ist nach Angaben des Reiseunternehmens Swoj TT ein Rückgang von etwa 20 bis 25 Prozent zu verzeichnen, bei Touristen aus Kanada, den USA und Japan sogar von 30 bis 40 Prozent. Sergej Wojtowitsch, Generaldirektor von Swoj TT, meint, der Rückgang sei einerseits auf die politische Lage rund um die Ukraine, die sehr viele Touristen abschrecke, zurückzuführen, anderseits aber auch auf die strengen russischen Visabestimmungen.  

 

Russland hat ein schlechtes Image und zu strenge Visabestimmungen

„Derzeit lässt sich tatsächlich ein merklicher Rückgang beim Interesse an Russlandreisen beobachten. Genaue Zahlen dazu werden jedoch erst am Jahresende vorliegen“, kommentiert Moisej Furschtschik, Geschäftsführer des Consulting-Unternehmens FOK und Verantwortlicher für die Förderung

Wie viel Geld geben ausländische Touristen in Russland aus?

Im Schnitt (hauptsächlich in Moskau und Sankt Petersburg) geben Touristen wöchentlich etwa 1 500 Euro pro Person aus. Im Vergleich dazu geben Touristen in den USA wöchentlich etwa 4 500 Euro pro Person aus.

des russischen Tourismus. Reisewillige ließen sich bei ihrer Urlaubsplanung oft von der offiziellen Haltung ihres Herkunftslandes gegenüber dem Reiseland beeinflussen, meint Furschtschik. Russland habe daher zurzeit schlechte Karten. „Es geht dabei um eine allgemeine, negative Wahrnehmung, die durch Politiker und Medien hervorgerufen wird“, erklärt er. Mit konkreten Ängsten wie etwa der Sorge um die persönliche Sicherheit, Angst vor dem Ausfall des Transportnetzes oder der Verhängung eines Verbots, Fremdwährungen zu kaufen, hätte das allerdings nichts zu tun. „Die Urlauber verschieben eine Reise nach Russland einfach auf später“, sagt Furschtschik. Sobald sich die außenpolitische Lage stabilisiert hätte, werde Russland wieder ein begehrtes Reiseziel sein, fügt der Experte hinzu. Dann bedürfe es jedoch einer gezielten Tourismusförderung durch die Politik und guter Werbekampagnen. Zurzeit seien alle Maßnahmen ineffektiv, betont Furschtschik. Der Experte rechnet mit einer Zeitspanne von drei bis fünf Jahren, bis in Russland die Übernachtungszahlen wieder steigen.

Eine andere Sicht auf die Lage bietet Daria Smirnowa, Leiterin der Abteilung Europa, Naher Osten und Afrika des Luxus-Reiseanbieters 360 Experience. Ihrer Einschätzung nach hat sich die Zahl der Übernachtungen ausländischer Touristen in Russland nicht verringert, sondern sogar erhöht. Die Touristen kämen nun allerdings aus anderen Ländern. Eine offizielle Statistik der Agentur Rostourism bestätigt das. So ist

die Zahl an Touristen aus Südkorea im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber dem Vergleichswert aus dem Vorjahr um 144 Prozent gestiegen. Dies ist vor allem auf die positiven Entwicklungen hinsichtlich der Visabestimmungen zwischen Russland und Südkorea zurückzuführen. Auch aus Indien kamen 13 Prozent mehr Besucher. Aus Brasilien ist ein Plus von elf Prozent zu verzeichnen, bei den chinesischen Touristen betrug der Anstieg immerhin noch fünf Prozent.

Smirnowa bestätigte jedoch einen Einbruch der Zahl spanischer Touristen, der etwa 20 Prozent betrage. Als Grund dafür macht sie die spanische Wirtschaftskrise aus. Insgesamt gehe auf dem internationalen Reisemarkt der Trend ohnehin zurzeit in Richtung USA- und Karibikreisen. Weltweit sind die Übernachtungszahlen um vier bis fünf Prozent angestiegen, Russland liege dabei nur am unteren Rand. Swoj TT-Geschäftsführer Sergej Wojtowitsch macht hauptsächlich die strenge Visapolitik der russischen Regierung verantwortlich. Diese hindere die russische Tourismusbranche daran, international Schritt halten zu können.

 

Russland hat mehr zu bieten als nur Sankt Petersburg und Moskau

Wojtowitsch sieht noch ein weiteres Problem für den russischen Reisemarkt. Derzeit werden hauptsächlich Reisen nach Moskau und Sankt Petersburg gebucht, der Rest des Landes sei statistisch zu vernachlässigen, dabei gebe es hier durchaus großes Potenzial.

Wladislaw Schulaew, Co-Vorsitzender und Territorial Promotion Director der russischen PR-Agentur Raso, ist der Meinung, dass es vor allem an einem systematischen Tourismusmarketing fehle. Die russischen Regionen hätten in den vergangenen zwanzig Jahren zu wenig Kommunikation

nach außen betrieben, daher erreiche man nicht einmal alle Russen, geschweige denn ein ausländisches Publikum. Und dies beziehe sich nicht nur auf den russischen Tourismus, sondern auch auf die Wirtschaft und die damit eng in Verbindung stehenden Investitionen. Ausländische Experten, mit denen Schulaew bisher zusammengearbeitet habe, erklärten ihm immer wieder, dass man es sich im Ausland kaum vorstellen könne, welche einzigartigen Urlaubsziele es in Russland gebe. Bei der Agentur Rostourism will man sich dieses Problems annehmen. Im Ausland sollen Informationsbüros der Agentur die vielfältigen touristischen Ziele in Russland vorstellen.

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