Patriotismus in Gefahr: Meldepflicht für den Doppelpass

Neues Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft sorgt noch für Verwirrung. Foto: PhotoXPress

Neues Gesetz zur doppelten Staatsbürgerschaft sorgt noch für Verwirrung. Foto: PhotoXPress

Eine doppelte Staatsbürgerschaft mindere die Bedeutung der russischen Staatsangehörigkeit, fanden Duma-Abgeordnete, und lancierten ein neues Gesetz. Daher müssen nun russische Bürger unaufgefordert eine zweite Staatsangehörigkeit dem Föderalen Migrationsdienst melden. Bei Zuwiderhandlung drohen Strafen. Wie sieht es mit der praktischen Anwendung des Gesetzes aus?

Seit dem 1. August 2014 gilt in Russland ein neues Gesetz zur doppelten Staatsangehörigkeit. „Wir haben das Recht zu wissen, wer in Russland lebt und was er in diesem Land tut“, erklärte der russische Präsident Wladimir Putin hierzu. Russen sind nun verpflichtet, eine weitere Staatsangehörigkeit unaufgefordert bei den Behörden zu melden. Die Verheimlichung einer doppelten Staatsangehörigkeit steht unter Strafe. Das Gesetz geht auf die Initiative von Andrej Klischas, Vorsitzender des Verfassungsausschuss des Föderationsrates, zurück. Der Abgeordnete Andrei Lugowoi konnte sich mit seiner Forderung nach strafrechtlichen Konsequenzen einer Nichtanzeige durchsetzen. Lugowoi ist im Ausland im Zusammenhang mit dem Tod des kremlkritischen Geheimdienstlers Alexander Litwinenko bekannt geworden. Litwinenko wurde 2006 in London ermordet. Gegen Lugowoi wurde in Großbritannien ermittelt.

Eine weitere Staatsangehörigkeit muss nun innerhalb von zwei Monaten gemeldet werden, ansonsten drohen Geldstrafen von umgerechnet etwa zehn bis 20 Euro. Wer eine zweite Staatsangehörigkeit bewusst verheimlicht, muss mit einer Geldstrafe von 4 100 Euro oder 400 Arbeitsstunden rechnen. Das Gesetz gilt auch für Minderjährige.

Die russische Verfassung sieht die Möglichkeit einer doppelten Staatsangehörigkeit zwar vor, der Inhaber zweier Pässe gilt jedoch ausschließlich als Staatsbürger der Russischen Föderation. Ausgenommen sind Fälle, für die nach internationalen Verträgen Sonderregelungen gelten. Bislang hat Russland Vereinbarungen über eine doppelte Staatsbürgerschaft lediglich mit Tadschikistan und Turkmenistan geschlossen.

Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsausschusses der Duma betrachtet das neue Gesetz als notwendig, um den Patriotismus zu stärken: „Eine doppelte Staatsangehörigkeit mindert die Bedeutung der Angehörigkeit zur Russischen Föderation“, erklärte er. Im Falle der Doppelstaatsangehörigkeit sei ein Bürger der Russischen Föderation auch an einen anderen Staat gebunden, dessen verfassungsrechtlichen Pflichten er ebenfalls erfüllen müsse, führte der Abgeordnete weiter aus. Da Russland zurzeit einer „aggressiven internationalen Umgebung“ gegenüberstehe und „ausländische Feinde“ habe, müssten Staat und Regierung über eine doppelte Staatsangehörigkeit informiert sein, sagte er. Andrej Klischas wies daraufhin, dass in einigen Ländern, unter anderem in den USA und in Lettland, eine Person beim Erhalt der Staatsangehörigkeit schwören müsse, die Interessen dieses Landes zu wahren.

Einige Duma-Abgeordnete glauben zudem, dass nun auch die Beamten, die eine zweite Staatsangehörigkeit hätten und das bisher nicht angegeben hätten, gezwungen wären, diese offen zu legen. Für Beamte gilt das Verbot der doppelten Staatsangehörigkeit bereits seit 2006.

 

Unsicherheit bei den Bürgern

Das neue Gesetz stellt die Inhaber mehrerer Pässe vor praktische Probleme. Natalja Sawelowas ständiger Wohnsitz ist Deutschland, sie fährt nur gelegentlich für ein paar Monate im Jahr nach Russland, um dort ihre Eltern zu besuchen. „Ich versuche jetzt schon zwei Tage, beim Föderalen Migrationsdienst anzurufen, komme aber nicht durch“, berichtet sie. Es

gebe keine Informationen darüber, auf welchem Wege die Behörden zu informieren seien, klagt Sawelowa. Unklar sei auch, ob das Gesetz auch für Russen gelte, die dauerhaft im Ausland leben.

Auch im Internet wird das neue Gesetz diskutiert. Sinnlos sei es, heißt es dort, da russische Staatsbürger ohnehin ihre doppelte Staatsangehörigkeit angeben müssten, etwa bei der Beantragung eines Reisepasses.

Michail Fedotow, Vorsitzende des Menschenrechtsrates beim Präsidenten, nennt das neue Gesetz „absurd“. Ungeachtet einer zweiten Staatsangehörigkeit bleibe ein Russe Staatsbürger der Russischen Föderation, sofern kein Vertrag zwischen Russland und dem anderen Staat über die Anerkennung der Staatsangehörigkeit bestehe. Swetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Organisation Graschdankskoje sodejstwije (zu Deutsch: Bürgerbeteiligung) kritisierte, das Gesetz stempele Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft als Spione und verdächtige Personen ab. Sie glaubt, dass eine doppelte Staatsangehörigkeit nun erst Recht verheimlicht werde.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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