"Ich habe geschwiegen, als die Versammlungsfreiheit verboten wurde. Ich habe geschwiegen, als die Meinungsfreiheit aufgehoben wurde. ABER ICH WERDE MIR MEIN RECHT, FETT ZU SEIN, NICHT NEHMEN LASSEN." Foto: Reuters
Am 20. August ließ die russische Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor in Moskau drei Restaurants der McDonald’s-Kette schließen. Als Begründung führte die Behörde offiziell Hygienemängel an. Zurzeit werden weitere Filialen der Fast-Food-Kette überprüft. Russlands Internet-Community glaubt nicht an die offizielle Begründung, viele sehen die Schließung im Zusammenhang mit den Sanktionen der USA gegen Russland. Andere vermuten, dass die heimische Fast-Food-Branche unliebsame Konkurrenz aus dem Weg schaffen wollte.
Es kursiert ein Foto, das Ronald McDonald, Maskottchen des Burger-Riesen, bei seiner Verhaftung zeigt (das Foto wurde jedoch tatsächlich nicht in Russland aufgenommen):
#Макдональдс Ну вот и всё. pic.twitter.com/PcLDVPpFfo
— Chessmaster (@chessmaster2006) 21 августа 2014
Unbestätigt ist auch das folgende Gerücht über das Schicksal des gelben Clowns:
— Ольга Романова (@oooromanova) 20 августа 2014
Schließen musste unter anderem die erste russische McDonald’s-Filiale, die 1990, noch zu Sowjetzeiten, am Puschkin-Platz eröffnete. 30 000 Menschen sollen dort vor der Tür Schlange gestanden haben, berichteten deutsche Zeitungen damals. Gegen den Inbegriff westlicher Lebenskultur hatte es der Sozialismus schwer. Ob das allerdings eine Geschmacksfrage war, lässt sich heute nicht mehr genau klären.
@OlegSolskiy: Vor 20 Jahren waren der Big Mac und der doppelte Cheeseburger im #McDonald’s auf dem Puschkin-Platz viel leckerer als heute...
20 лет назад в #McDonald’s на Пушкинской площади Биг Мак и Двойной Чизбургер были гораздо вкуснее, нежели сейчас... pic.twitter.com/m0E0Z2PSle
— ОЛЕГ СОЛЬСКИЙ (@OlegSolskiy) 20 августа 2014
@golub: Unsere Großväter haben um den Double-Cheese gekämpft.
Деды воевали за дабл чиз pic.twitter.com/m4jK3odsIH
— Mikhail Golub (@golub) 20 августа 2014
Das Recht, dick zu sein
Viele User sehen eine politische Dimension in der Schließung und wollen sie nicht hinnehmen.
@AveMisha: Ich habe geschwiegen, als die Versammlungsfreiheit verboten wurde. Ich habe geschwiegen, als die Meinungsfreiheit aufgehoben wurde. ABER ICH WERDE MIR MEIN RECHT, FETT ZU SEIN, NICHT NEHMEN LASSEN.
Я молчал, когда они пришли за свободой собраний. Я молчал, когда они пришли за свободой слова.
НО ОТНЯТЬ У МЕНЯ ПРАВО БЫТЬ ЖИРНЫМ Я НЕ ДАМ
— Михаил Кафанов (@AveMisha) 20 августа 2014
Schimpfen verboten, sexy Unterwäsche verboten, McDonald’s verboten: Ein User macht sich Gedanken darüber, wohin das alles führen soll:
@twitted_knitter: Wir schreiben das Jahr 2016. Ein Abgeordneter der Staatsduma erfährt, dass es nichts mehr zum Verbieten gibt und versetzt einfach seinem Hund einen Tritt.
2016-й год. Депутат Госдумы, узнав, что больше нечего запрещать, просто пнул собаку.
— Вязаный Твитер (@twitted_knitter) 19 июня 2013
Manch einer glaubt, dass durch die Schließung längst vergessene, einst vertraute, Parolen der Sowjetzeit wiederbelebt werden sollen, so etwa der Schlachtruf „Kasse frei“, der den geduldig in der Schlange Wartenden signalisierte, dass sie nun endlich an der Reihe waren.
@ivan_f_davydov: Es heißt, dass die McDonald’s(-Filialen) für die extremistische Parole „Freie Kasse!“ geschlossen würden.
Поговаривают, "Макдональдсы" закрывают за экстремистский лозунг "Свободная касса!"
— ivan davydov (@ivan_f_davydov) 20 августа 2014
Auf die bilaterale Dimension der Schließung weist der nächste User hin.
@Dobrokhotov: Ich gehe am leeren McDonald’s vorbei, wo Journalisten erstaunte Leute über die amerikanisch-russischen Beziehungen ausfragen.
Прохожу мимо пустого Макдональдса, у удивленных людей журналисты берут интервью об американо-российских отношениях pic.twitter.com/EK0DwlmQFr
— Roman Dobrokhotov (@Dobrokhotov) 20 августа 2014
Sogar Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden befürchtet:
@crazy_kutas: In Moskau schließt man die McDonald’s-Filialen. Wo sollen nun die Sozialwissenschaftler arbeiten?
В Москве массово закрывают рестораны Макдональдс. Где же теперь работать гуманитариям?
— Разрыхлитель Мозгов™ (@crazy_kutas) 20 августа 2014
Kartoffel pur statt Pommes
Wie üblich machen sich Verschwörungstheorien breit. Der wahre Schuldige hinter der McDonald’s-Schließung ist längst identifiziert: Die heimische Konkurrenz war es, wie beispielsweise die russische Fast-Food-Kette Kroschka kartoschka. Statt Pommes und Burger soll es mit Salat gefüllte Kartoffeln oder Kuljebaki, Fleischkuchen, geben, und zwar mit Unterstützung des Moskauer Bürgermeisters Sobjanin.
@korobkov: Was hat Kroschka kartoschka für die Schließung der drei McDonald’s-Filialen gezahlt?
Сколько отвалила "Крошка картошка" за закрытие трех "Макдоналдсов"?
— Коробков-Землянский (@korobkov) 20 августа 2014
@Sandy_mustache: Sergej Sobjanin meldet, dass bis Ende des Jahres in Moskau eine Kulebjaki-Kette öffnen wird.
Сергей Собянин сообщил, что до конца года в Москве откроется сеть кулебячечных.
— Усы Пескова (@Sandy_mustache) 21 августа 2014
Kartoffeln mit Salat und Fleischkuchen sind sicher keine schlechte Alternative, aber hoffen wir, dass der folgende Tweet nicht der Wahrheit entspricht:
@Shulz: Wozu braucht ein Russe auch McDonald’s? Die Russen haben immer schon Strohschuhe und Matrjoschka-Puppen gegessen.
Ни к чему русскому человеку Макдональдс - русские всегда ели лапти и матрёшек.
— Дядюшка Шу (@Shulz) 20 августа 2014
Besser essen ohne Burger
Allerdings gibt es auch Befürworter der Schließung – auch wenn McDonald’s so einige Vorzüge zu bieten hatte, wie etwa die kostenlose Toilettenbenutzung:
@KolyaKulikov: Als Anhänger der gesunden Lebensweise unterstütze ich die Initiative mit McDonald’s. Als Bürger mit einer Harnblase bin ich empört!
Как сторонник здорового питания, инициативу по "Макдональдсу" поддерживаю. Как гражданин с мочевым пузырём – я в панике!
— Николай Куликов (@KolyaKulikov) 21 августа 2014
Das Angebot der Fast-Food-Kette traf eben auch einfach nicht den Gourmet-Nerv:
@yasviridov: (…) McDonald’s hat drei Michelin-Todessterne.
Роспотребнадзор vs «Макдоналдс» это из серии "бодалась жаба с гадюкой". Расслабьтесь. У "Макдоналдс" три мишленовские звезды смерти.
— Ярослав Свиридов (@yasviridov) 20 августа 2014
Und schließlich gibt es positive Auswirkungen – Russland wird ohne McDonald’s sicher bald besser aussehen:
@twitted_knitter: Vorsicht, McDonald’s schließt! Nächster Halt: eine schlanke Figur.
Осторожно, «Макдональдс» закрывается! Следующая остановка — стройная фигура.
— Вязаный Твитер (@twitted_knitter) 20 августа 2014
Etwas ernsthafter setzt sich das Online-Magazin „The Village“ mit dem Aus für die McDonald’s-Filialen auseinander. Jüngst veröffentlichte es eine nostalgisch-wehmütige Reportage aus der leergefegten ersten russischen McDonald’s-Filiale am Puschkin-Platz.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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