Wer aus der Ukraine kommt, erhält schneller einen russischen Pass. Foto: Sergej Piwowarow/RIA Novosti
Obwohl offiziell Waffenruhe im Osten der Ukraine vereinbart wurde, flüchten weiterhin zahlreiche Zivilisten nach Russland. Dort werden Behelfsquartiere für die Flüchtlinge aus der Ukraine organisiert. Die Arbeitsämter prüfen Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung in den Regionen und stellen vorübergehend Wohnraum zur Verfügung. Im Gebiet Chabarowsk wurde eigens der Ausnahmezustand ausgerufen, um sämtliche Ressourcen des Gebiets zur Hilfe und Unterstützung der Flüchtlinge nutzen zu können. Die größte Zahl von Flüchtlingen, über 50 000 Menschen, ist in der Oblast Rostow untergekommen. Nach Angaben der russischen Föderalen Migrationsbehörde (FMS) sind seit Ausbruch des Konflikts im Donbass über 150 000 Ukrainer in die Russische Föderation eingereist und geblieben.
Ukrainer, die nach Russland kommen, erhalten den Flüchtlingsstatus oder stellen bei der örtlichen Vertretung der Föderalen Migrationsbehörde einen Antrag auf vorübergehenden Aufenthalt. Wer dauerhaft in Russland bleiben will, kann am staatlichen Programm zur Umsiedlung von Landsleuten teilnehmen und im Eilverfahren einen russischen Pass bekommen. Nach Angaben des Ministeriums der Regionen Russlands haben seit Anfang des Jahres über 5 000 Ukrainer einen entsprechenden Antrag gestellt. Darunter sind Flüchtlinge aus dem Osten der Ukraine, aber auch aus anderen ukrainischen Regionen, in denen es gar keine Kampfhandlungen gibt.
Nachdem sich die militärisch-politische Lage im Südosten der Ukraine Ende August 2014 verschärft hatte, reagierten die russischen Behörden mit Anpassungen am Umsiedlungsprogramm. Die Verfahren zum Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft und die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für ukrainische Flüchtlinge wurden vereinfacht. Der Pressedienst der Föderalen Migrationsbehörde bestätigte auf Anfrage von RBTH, dass „Flüchtlingen aus der Ukraine, die am Programm für die Umsiedlung von Landsleuten teilnehmen, in der Tat mehr Hilfe gewährt wird". Das bedeute jedoch nicht, dass die Rechte von Antragstellern aus anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion geschmälert würden, betonte die Behörde. Die Lage in der Ukraine sei aber ein Grund für die gegenwärtige Vorzugsbehandlung ukrainischer Flüchtlinge, heißt es im Antwortschreiben weiter.
Flüchtlinge aus der Ukraine werden bevorzugt
Die Teilnahme am Programm zur Umsiedlung in die Russische Föderation ist die schnellste Möglichkeit, die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Schon nach etwa sechs Monaten erhalten die Antragsteller ihren neuen russischen Pass. Üblicherweise kann es für Ausländer bis zu sechs Jahre dauern, russischer Staatsbürger zu werden.
Die ukrainischen Flüchtlinge, die sich entschieden haben, am Umsiedlungsprogramm teilzunehmen, können sich in einer der Regionen ansiedeln, die als prioritäres Föderationssubjekt in das Programm eingebunden sind. Die Umsiedler erhalten ein Startkapital, das sie allerdings
nicht annehmen müssen. Sie können sich auch eine Arbeit suchen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, und haben bei der Arbeitssuche Anspruch auf Unterstützung durch die Arbeitsämter. Arbeitgeber können den Arbeitsämtern freie Stellen melden, die in einer Datenbank erfasst werden. Eine weitere Datenbank erfasst die Bewerber und ihre Qualifikationen. Natalja Sokolowa, Ministerin für Beschäftigungspolitik, Arbeit und Migration der Oblast Saratow, erklärt, dass über 50 Prozent der aus der Ukraine stammenden neuen Bürger und Bürgerinnen über die Arbeitsämter der Oblast erfolgreich vermittelt worden seien.
Bei Umsiedlern aus anderen postsowjetischen Ländern regt sich inzwischen Unmut über die bevorzugte Behandlung ukrainischer Flüchtlinge. Die Wartezeiten auf die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung und die Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft sind für sie deutlich länger als für die Ukrainer. Konstantin Winogradow, erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Komitees für Arbeit und Beschäftigung der Bevölkerung in der Region Chabarowsk, widerspricht nicht, dass die ukrainischen Flüchtlinge eine Vorzugsbehandlung erhalten, er steht sogar dahinter. Grundsätzlich seien die Arbeitsämter bemüht, allen Landsleuten Unterstützung anzubieten, sagt er. Bei den Ukrainern bestehe aber eine besondere Dringlichkeit: „Ihre Existenz ist nicht gesichert, daher sind wir bestrebt, ihnen kurzfristig zu
helfen", erklärt Winogradow. „Eine der Hauptaufgaben des Arbeitsministeriums besteht darin, den Teilnehmern am Umsiedlungsprogramm Hilfe bei der Arbeitsvermittlung zu gewähren, und das unabhängig von der Staatsbürgerschaft", bestätigt Natalja Sokolowa. „Allerdings geben die Arbeitgeber angesichts der Situation in der Ukraine den ukrainischen Flüchtlingen derzeit den Vorzug", gibt sie zu. Es gebe zurzeit sehr viele Arbeitskräfte aus der Ukraine, so die Ministerin.
Etwa 150 000 Auslandsrussen sind im Rahmen des Umsiedlungsprogramms bisher in die Russische Föderation zurückgekehrt. Anfangs lief das Programm schleppend, es galt als wenig effektiv. Die ukrainischen Flüchtlinge geben dem Programm neuen Aufschwung. Dass nun auch bürokratische Hürden abgebaut wurden, könnte dem Umsiedlungsprogramm nach Meinung von Experten in Zukunft zu mehr Attraktivität verhelfen.
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