Die erstaunlichen Reisen des Fjodor Konjuchow

Foto: http://konyukhov.ru

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Im Alter von 15 Jahren durchquerte Fjodor Konjuchow mit einem kleinen Boot das Asowsche Meer, mit 40 bezwang er den Nordpol. Seine ungewöhnliche Vorliebe: Er begibt sich ohne Begleiter auf seine Reisen um die Welt. RBTH folgt den Spuren des bekanntesten russischen Abenteurers der Gegenwart.

Der legendäre russische Abenteurer Fjodor Konjuchow kommt am 12. Dezember 1951 in dem kleinen Dorf Tschkalowo im Gebiet Saporoschje zur Welt. Seine Eltern sind Bauern und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Ackerbau und Fischfang. Fjodor hat zwei Brüder und zwei Schwestern. Sein Vater ist es, der ihm die Liebe zum weiten Meer vermittelt. Oft nimmt er den künftigen Weltentdecker mit zum Fischfang auf das Asowsche Meer und vertraut seinem Sohn schließlich sogar das Steuerruder an. Zu seiner ersten Expedition bricht Konjuchow im Alter von 15 Jahren auf. Im Alleingang durchquert er das Asowsche Meer in einem Ruderboot.

Als die Zeit kommt, eine Berufswahl zu treffen, muss er nicht lange überlegen. Zuerst besucht er die Hochschule für Seefahrt in Odessa, die er als ausgebildeter Schiffsingenieur verlässt. Danach studiert er am Leningrader Polarinstitut. Seine Abenteuer in der Welt beginnen schon während des Armeedienstes in der Baltischen Flotte: Während eines Konfliktes mit älteren Wehrdienstleistenden, empört über die Schikanen und Erniedrigungen, schüttet er einen Topf kochender Suppe über einen von ihnen aus. Vor einem gewaltigen Racheakt schützt ihn allein die Arreststube. Von dort wird der mutige Matrose direkt nach Vietnam entsandt, wo er für Munitionslieferungen auf See zuständig ist.

Zum Nordpol

Konjuchows erste richtige Expedition beginnt im Jahr 1977. Auf einem Segelschiff folgt er der einstigen Route Vitus Berings, um so die Bedingungen, unter denen russische Reisende vor über 300 Jahren Russisch-Amerika entdeckten, so wirklichkeitsgetreu wie möglich nachzustellen.

Inspiration für weitere Eroberungszüge in die Meere und zu den Bergspitzen ist für Konjuchow der japanische Abenteurer Naomi Uemura: „In den 1970er- und 1980er-Jahren nahm man Alleingänger nicht ernst. Ein solcher Mensch, so hieß es, passe sich unserer Lebensweise nicht an. Vielleicht sollte man ihn lieber in die Psychiatrie schicken", erinnert sich Konjuchow. All das habe sich mit Uemura geändert. „Er eröffnete im Jahr 1978 die Ära der Alleingänger. Er bewies: Ein Alleinreisender kann Ziele erreichen, die im Team nicht erreichbar sind. Der Mount Everest wurde im Alleingang bezwungen; ein einzelner Abenteurer eroberte den Nordpol."

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Auf die erste Expedition folgen weitere – nach Kamtschatka, Sachalin, auf die Kommandeurinseln. Konjuchows höchstes Ziel jedoch sollte die Bezwingung des Nordpols ohne Begleiter werden. Um sich darauf vorzubereiten, reist er nach Tschukotka, wo er lernt, Hütten aus Eis zu bauen und Hundeschlitten zu führen; er nimmt an zwei Arktisexpeditionen teil.

„Das Wissen kommt mit der Erfahrung. Vieles habe ich während meiner ersten Polarexpeditionen von meinen Begleitern gelernt: Iglus zu bauen, im Schneegestöber ein Zelt aufzustellen, im Eis einen Kocher zu reparieren, Skibindungen zu flicken, auf dünnem Eis zu stehen, nasse Wollsocken auf dem Körper zu trocknen. Gerade auf meinen ersten Expeditionen lernte ich die Arktis wirklich kennen. Später, als ich allein zum Nordpol unterwegs war, kam mir das sehr zugute."

Im Jahr 1990 tritt Konjuchow seine Einzelexpedition zum Nordpol an. Er fährt auf Skiern, transportiert seinen gesamten Proviant selbst, schläft auf dem Eis. Nach 72 Tagen erreicht er das ersehnte Ziel.

„Früher, als junger Mann, fiel mir das Reisen schwer. Ich war zu ehrgeizig. Das Alleinsein kostete mich viel Kraft. Nichts war schwerer als das Alleinsein!", sagt er heute. „Jetzt habe ich begriffen: Es gibt auf der Erde keine Einsamkeit. Alles lebt. Im Ozean schwimmen Wale. Die Berge leben, die Wüste auch. In der Wüste ist Gott bei dir. Die Heiligen begleiten dich, zu denen du betest."

Die Arktis ist nicht das letzte Ziel

1995 erobert Konjuchow innerhalb von nur noch 59 Tagen den Südpol, wo er eine russische Flagge hisst. Während seiner Expedition führt Konjuchow Forschungsarbeiten durch, um mehr über das natürliche Strahlungsfeld der Antarktis zu lernen. Außerdem erforscht er die physischen und psychischen Veränderungen des Organismus unter Sauerstoffmangel auf Höhen von über 5 000 Metern und unter extremen Wetterbedingungen. Die Ergebnisse bilden die Grundlage seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Nach deren Veröffentlichung wird er in die Russische Geografische Gesellschaft aufgenommen.

Im Jahr 1992 bezwingt Konjuchow die sogenannten „Seven Summits". Innerhalb von fünf Jahren besteigt er den Elbrus und den Mount Everest, verdient dabei als erster Russe die Auszeichnung „Explorers Grand Slam". Er erobert das Mount-Vinson-Gebirge – den höchsten Gipfel der Antarktis –, den Aconcagua in Südamerika und nimmt 1997 direkt die drei verbliebenen Ziele mit: den afrikanischen Vulkan Kilimandscharo, den australischen Mount Kosciuszko und den nordamerikanischen Mount McKinley. Alle Extremtouren bewältigt er alleine.

Die größte Leidenschaft des Reisenden bleibt aber das Meer. In einem Weltrekordtempo von 46 Tagen überquert er den Atlantik in einem Ruderboot. Insgesamt durchfährt er den Ozean 17 Mal, bringt es auf sechs Weltreisen, eine von ihnen ohne Zwischenhalt, und ist der erste Russe, der drei Weltumsegelungen ohne Begleiter unternimmt.

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Fragt man ihn nach Wundern, die ihm auf seinen Reisen begegnet sind, antwortet Konjuchow einfach: „Als orthodox gläubiger Mensch bin ich der Mystik nicht zugetan: Ich glaube nicht an fliegende Untertassen und dergleichen. Es wird zu viel über irgendwelche Wunder geschrieben. Ich habe auf dem Meer seltene Erscheinungen gesehen: leuchtende Säulen, einen Feuerball, ein einzigartiges Spiel von Kugelblitzen am Ankerseil; sehr viel Ungewöhnliches." Glaubt er, dass Übernatürliches dabei eine Rolle spielt? „Das sind alles Erscheinungen der Natur, die mit Mystik nichts zu tun haben. Auf einem Segelboot habe ich ganz allein rund 380 000 Seemeilen zurückgelegt. Das entspricht der durchschnittlichen Entfernung von der Erde zum Mond. Etwas Übernatürliches habe ich dabei nicht gesehen."

Unermüdlich bis zum Schluss

Reisen und Wissenschaft sind nicht Konjuchows einzige Leidenschaften. Seit Anfang der 1980er-Jahre malt er. Die nach seiner Vorlage gemalte Tschudotworez-Ikone wurde ins All geschossen. 2010 beschließt er, sein Leben der Kirche zu widmen, und wird Priester der Russisch-Orthodoxen Kirche; dafür erklärte er sogar, auf weitere Reisen zu verzichten. Lange hält er dieses Versprechen allerdings nicht: Nur wenige Monate nach seiner Ordination kündigte er eine Expedition nach Äthiopien an.

Der 63-jährige Konjuchow kann sich nicht zur Ruhe setzen. Für das Jahr 2015 steht ein Weltrekord im ununterbrochenen Ballonflug auf seinem Plan. „Ich lebe nicht für meinen Ruhm, sondern ich lebe, um zu reisen. Für meine Träume und Ideen. Ohne das kann ich nicht", erklärt der Abenteurer. „Ich lebe immer in der Zukunft – mit meinen Expeditionen, meinen Begegnungen, Bildern und Plänen."

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