Friedensinitiative: „Es ist wichtig, den Krieg in den Köpfen der Menschen zu beenden“

Teilnehmer der Vereinung "Wir sind Donbass" während der Demo in Jekaterinburg. Foto: PhotoXPress

Teilnehmer der Vereinung "Wir sind Donbass" während der Demo in Jekaterinburg. Foto: PhotoXPress

Seit Beginn des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine sind in Russland zahlreiche Bürgerinitiativen entstanden, die mit kreativen Aktionen für ein friedliches Miteinander eintreten. Von einer russischen Friedensbewegung zu sprechen, wäre jedoch verfrüht, meinen Soziologen.

Vorbild „Je suis Charlie": „Wir sind Donbass"

Die Vereinigung „Wir sind Donbass" zum Schutz der Zivilbevölkerung in der Region Donbass versammelte sich am 31. Januar in Jekaterinburg. Rund 200 Menschen protestierten gegen die Gewalt in der Ukraine. Bereits einige Wochen vor dieser Demonstration wurde zu einem Online-Flashmob aufgerufen. Die Internetnutzer sollten in sozialen Netzwerken Fotos veröffentlichen, auf denen sie Schilder mit den Aufschriften „Ich bin Donbass", „Ich bin Horliwka" oder „Ich bin Wanja" in die Kamera hielten. Diese Schilder brachten sie auch zum Protest in Jekaterinburg mit. Die Anhänger von "Wir sind Donbass" wurden dabei inspiriert von den Menschen, die in aller Welt unter dem Motto „Je suis Charlie" gegen die Terroranschläge von Paris demonstrierten.

 

Gegen einen Kalten Krieg im Musikbusiness: „Grüße von hier nach dort"

Die Oppositionszeitung „Nowaja Gaseta" veranstaltete zum Jahreswechsel gemeinsam mit der Agentur Kuschnir Production, der Online-Plattform Cultprostir und dem Online-TV-Kanal BeTV Ukraina die Friedensaktion „Grüße von hier nach dort". „Es ist kein Geheimnis, dass aufgrund der Ereignisse in der Ukraine Konzerte und Gastauftritte vieler Künstler von beiden Seiten abgesagt wurden. Dadurch hat in gewisser Hinsicht ein Kalter Krieg im Showbusiness begonnen", heißt es auf der offiziellen Website.

Russische und ukrainische Musiker zeichnen Videobotschaften auf, in denen sie ihren Kollegen und Zuhörern ein gutes neues Jahr wünschen, über die derzeitige Situation sprechen und zusätzlich noch ein Musikvideo posten. In den ersten zwei Wochen seit Beginn der Aktion nahmen bereits 36 Künstler, darunter der russische Musiker Juri Schewtschuk und der ukrainische Musiker Oleg Skripka, an der Aktion teil.

 

Kerzen der Hoffnung: „Feuer der Eirene"

Jeden Tag zur gleichen Zeit entzünden Teilnehmer der Aktion „Feuer der Eirene" Kerzen im Gedenken an die Gefallenen und Verwundeten des Ukraine-Konflikts. Ihren Anfang nahm die Aktion, deren Name sich von der griechischen Friedensgöttin Eirene ableitet, am 1. Januar 2015 und findet seither täglich statt. „Diese Aktion ist für normale Bürger gedacht, die von der Politik enttäuscht sind", verkünden die Initiatoren auf der offiziellen Website und laden alle Menschen zum Mitmachen ein.

Darina, die zu den Initiatoren gehört, berichtet, dass die Bewegung eine Möglichkeit darstelle, um das Aggressionspotential der Bevölkerung zu senken. „Das Zeigen von Anteilnahme durch das Entzünden einer Kerze soll der Polemik entgegenwirken. Es ist wichtig, den Krieg in den Köpfen der Menschen zu beenden", so Darina.

Mittlerweile werden jedoch nicht nur in russischen oder ukrainischen Städten Kerzen im Rahmen der Aktion Feuer der Eirene entzündet. Die Aktion findet weltweiten Anklang. Darina ist zufrieden und bewegt: „Das Feuer der Eirene gibt mir Hoffnung. Es hat etwas Magisches, wenn sich hunderte von Menschen an den verschiedensten Orten für den Frieden einsetzen."

 

Mit Handarbeit gegen Gewalt: „Teppich des Friedens"

Einem Aufruf des Internationalen Kulturforums folgend, schickten Kunsthandwerkerinnen aus 30 Städten in Russland, der Ukraine und

Weißrussland handgefertigte Stoffstreifen nach Sankt Petersburg, dem Austragungsort des Kulturforums. Dort wurden die Stoffstreifen zu einem „Teppich des Friedens" zusammengesetzt. Die Aktion basiert auf einer alten slawischen Tradition, bei der sich in Zeiten der Not die Frauen versammelten und Tag und Nacht schweigend Stoffe oder Ruschniki, kunstvoll bestickte Textilien, fertigten, während sie auf Rettung für ihr Volk hofften. Die dabei entstandenen Stoffe wurden schließlich in allen Häusern präsentiert und anschließend verbrannt. Der „Teppich des Friedens" wird zunächst in verschiedenen Museen Sankt Petersburgs gezeigt und dann in weiteren russischen Städten. Ob auch er am Ende verbrannt wird, steht noch nicht fest.

 

Keine breite Friedensbewegung

Denis Wolkow vom unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum erklärt, dass Menschen in schwierigen Umständen häufig Halt in

der Gruppe suchten. Nur einem kleinen Teil ginge es dabei tatsächlich um das Allgemeinwohl. Daher sieht er nur begrenzt Potential in den aktuellen Friedensaktionen und geht davon aus, dass die Bewegungen klein bleiben. „In einer Zeit, in der ein Teil der russischen Bevölkerung gegen den Westen mobilisiert wird und erneut eine Wirtschaftskrise um sich greift, werden kaum Bewegungen entstehen, die von einer Vielzahl an Menschen unterstützt werden", meint Wolkow. Er erinnert aber auch an Friedensaktionen in den Jahren 2011 und 2012, die großen Zuspruch in der Bevölkerung fanden und von mehreren tausend Menschen unterstützt wurden. Wichtig sei es, dass diese Veranstaltungen friedlich abliefen, dann sei die Bereitschaft größer, daran teilzunehmen.

 

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