KZ-Sachsenhausen: Für immer ein Ort des traurigen Gedenkens

Zum 70. Jahrestag der Befreiung versammelten sich auf dem Gelände des KZ Sachsenhausen Überlebende und Politiker aus aller Welt.  Foto: Dmitry Vachedin

Zum 70. Jahrestag der Befreiung versammelten sich auf dem Gelände des KZ Sachsenhausen Überlebende und Politiker aus aller Welt. Foto: Dmitry Vachedin

Zum 70. Jahrestag der Befreiung versammelten sich auf dem Gelände des KZ Sachsenhausen Überlebende und Politiker aus aller Welt. Ihr Ziel: die Erinnerung wachhalten, damit das Grauen nicht in Vergessenheit gerät und sich die Geschichte nicht wiederholt.

"Sie haben keine Vorstellung, wie schwer es ist, wieder an diesen Ort zu kommen", sagt der alte Mann in der gestreiften Häftlingsuniform. Sein Name ist Petr Mitschschuk und er stammt aus der Ukraine. 1945 wurde er vom Konzentrationslager Buchenwald nach Sachsenhausen verlegt. Nach der Räumung des Lagers durch die SS am 21. April 1945 musste er zusammen mit den anderen Häftlingen in Richtung Lübecker Bucht marschieren. Es war ein Todesmarsch. Viele starben an Erschöpfung; wer schwächelte, wurde erschossen. Am 22. April 1945 trafen in Sachsenhausen sowjetische und polnische Soldaten ein. Sie fanden dort noch 3 000 schwerkranke Menschen vor, gezeichnet von der Lagerhaft, oft dem Tod näher als dem Leben. Insgesamt waren zwischen 1936 und 1945 im KZ Sachsenhausen über 200 000 Menschen aus rund 40 Nationen inhaftiert.

Am Sonntag trafen sich in Sachsenhausen die letzten Überlebenden des KZs mit Politikern und Würdenträgern aus aller Welt, auch aus Russland. Sie alle gedachten der unzähligen Opfer des NS-Terrors. „Mögen sie für immer unvergessen bleiben: die Frauen und Männer aus Widerstand und Politik sämtlicher Nationen; die Juden, die Sinti und Roma, die 13 000 sowjetischen Soldaten, die 1941 an diesem Ort hingerichtet wurden; die Geistlichen, Homosexuellen, Kriegsdienstverweigerer und sogenannten Asozialen", sagte der Franzose Roger Bordage, Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees, in seiner bewegenden Eröffnungsrede.

Auch Bordage, ein ehemaliger Résistance-Kämpfer, wurde auf den Todesmarsch geschickt. „Wir liefen zwischen zwei Reihen von SS-Leuten, jeden Tag 30 Kilometer, zwölf Tage lang", erinnert er sich. Zu essen gab es für die ohnehin entkräfteten KZ-Häftlinge nur sehr wenig. Als Bordage befreit wurde, wog er nur noch knapp über 30 Kilogramm.

 

Die Erinnerung wachhalten und greifbar machen

Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, betonte die große Bedeutung des Erhalts solcher Orte der Erinnerung: „Ich möchte allen Überlebenden versichern, dass wir uns hier in Brandenburg zur Übernahme von Verantwortung, zur Aufarbeitung der Vergangenheit und zum Erhalt der authentischen Orte klar bekennen." In Sachsenhausen seien ein modernes zeithistorisches Museum und ein Zentrum für wissenschaftliche Forschung entstanden. „Es ist und bleibt und wird für immer zugleich ein Ort des Gedenkens, ein Ort der Trauer und ganz individueller Erinnerungspflege bleiben", sagte Woidke.

1936, als die Welt die Eröffnung der Olympischen Spiele in Berlin feierte, wurde mit dem Bau des Konzentrationslagers Sachsenhausen begonnen. Nur knapp eine Autostunde vom Olympiastadion entfernt mussten Hunderte von Häftlingen ihr eigenes Gefängnis bauen. Der Architekt nannte es „das schönste Konzentrationslager Deutschlands". Schon bald wurde von hier aus das Grauen bürokratisch gelenkt: In Sachsenhausen lag die Verwaltungszentrale des gesamten KZ-Systems.

Außenminister Steinmeier warntе vor neuer Fremdenfeindlichkeit. Foto: Dmitry Vachedin

Die Ideologie des Nationalsozialismus sei noch nicht ausgestorben, sie vergifte Europa noch immer, sagte der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede und zeigte sich besorgt. „Wollen wir etwa in einem Land leben, in dem es immer noch Antisemitismus und Ausgrenzung gibt? In dem Asylbewerberheime in Brand gesteckt werden? In dem ein junger Mann in der Berliner U-Bahn zusammengeschlagen wird, weil er Jude ist? Ein Land, in dem Menschen in Rudeln auf die Straße ziehen und mit dumpfen Parolen gegen alles vermeintlich Fremde wettern", so Steinmeier. Auch Ministerpräsident Woidke warnte vor den "neu entstandenen politischen Gruppierungen in Deutschland und in Europa, die Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit zu schüren versuchen". Eine klare Positionierung sei hier notwendig, sagte er unter dem Beifall der Anwesenden. Unter den Gästen war auch der Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Wladimir Grinin.

Nach den Reden wurden in einer feierlichen Zeremonie Kränze aus aller Welt niedergelegt. Das zeigt, dass Sachsenhausen und seine Opfer noch lange nicht vergessen sind. Es gibt Hoffnung, dass die Menschheit aus ihren Fehlern lernen kann.

 

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