Russische Touristen und die Griechenland-Krise

"Vor den Banken sind die Schlangen lang. Touristen können unbegrenzt Geld abheben, aber es ist praktisch unmöglich, zu den Geldautomaten vorzudringen", erzählt eine Touristin. Foto: Reuters

"Vor den Banken sind die Schlangen lang. Touristen können unbegrenzt Geld abheben, aber es ist praktisch unmöglich, zu den Geldautomaten vorzudringen", erzählt eine Touristin. Foto: Reuters

Griechenland ist im Sommer ein beliebtes Reiseziel für viele Russen. Die drohende Staatspleite des Landes macht aus einer Griechenlandreise zurzeit einen Abenteuerurlaub. Niemand kann sagen, was der nächste Tag bringen wird. Die Online-Zeitung „Gaseta.ru“ hat sich vor Ort umgehört.

Griechenland ist ein beliebtes Reiseziel für russische Touristen. Im Jahr 2013 besuchten rund 1,4 Millionen Russen das Land. Nachdem das krisengeschüttelte Griechenland eine milliardenschwere Rate an den Internationalen Währungsfonds nicht bezahlt hat, droht dem Land der Staatsbankrott. Die Online-Zeitung „Gaseta.ru“ hat russische Touristen in Griechenland gefragt, wie sich die Krise auf Urlauber auswirkt. Dabei zeigt sich: Es kommt darauf an, wo man ist.

 

Jelena Michajlowa, Insel Euböa:

„Wir reisen immer mit möglichst wenig Bargeld, wir bezahlen lieber mit Karte. Aber dieses Mal sind wir damit auf die Nase gefallen. Wir wollen noch zehn Tage bleiben, aber bis zum Referendum hat alles geschlossen – mit Ausnahme der Cafés, in denen die Griechen erbittert über die Europäische Union streiten. Restaurants, Geschäfte, sogar Verkaufsbuden am Strand sind geschlossen. Nur auf den Märkten wird noch etwas angeboten. Die Fischer müssen schließlich irgendwo verkaufen, was sie gefangen haben.

Vor den Banken sind die Schlangen lang. Touristen können unbegrenzt Geld abheben, obwohl auch wir schon mit 60 Euro zufrieden wären. Aber es ist praktisch unmöglich, zu den Geldautomaten vorzudringen. Wir denken bereits daran, mit dem Auto bis ins nächste mazedonische Dorf zu fahren oder mit der Fähre nach Italien, um dort Geld abzuheben.

Das Problem ist nicht, dass wir nichts zu essen hätten. Lebensmittel sind hier sehr günstig. Ich habe einen Tintenfisch für drei Euro gekauft und ihn gebraten, fertig war das Abendessen. Unser Problem ist, dass wir unsere Unterkunft noch nicht bezahlt haben. Unser Gastgeber bittet um Bargeldzahlung, selbst wenn Banktransaktionen wieder möglich sind. Hotels sind von der Umsatzsteuer befreit. Er befürchtet, der Staat könnte im Falle seiner Zahlungsunfähigkeit einen Teil des Geldes auf seinem Konto einbehalten.“

 

Michail Gorjunow, Athen:

„Besonders verwirrend war die Lage für Touristen von Freitag bis Sonntagmittag vergangener Woche. Es kursierten Gerüchte, das Online-Banking würde eingestellt und Geldautomaten einfach ausgeschaltet. Am Sonntag allerdings erfuhr man bereits, dass die Beschränkungen nur für Inhaber von Karten gelten, die griechische Banken ausgegeben haben. Für alle anderen Karten gäbe es keine Einschränkungen, hieß es. Alle Geldautomaten verrichten zuverlässig ihre Dienste, neben den Kassen in den U-Bahnhöfen muss man dafür nicht einmal Schlange stehen. Das ist sehr komfortabel.

In einigen Geschäften werden keine Karten akzeptiert. Ohne Griechisch-Kenntnisse sollte man sich auch gar nicht erst auf Diskussionen einlassen. Da ist es einfacher, um die Ecke zu einem Geldautomaten zu gehen und dann bar zu zahlen.

Am besten überschlägt man, wie viel Geld man am Tag braucht, und hebt dann morgens die entsprechende Summe ab. Auf diese Weise läuft man nicht mit übermäßig viel Bargeld herum. Lokale Online-Systeme für Reservierungen und Einkaufsketten akzeptieren Karten ausländischer Banken ohne Probleme.“

 

Antonina Gamjun, Kamena Vourla:

„Die Situation wirkt inszeniert, weil sie genau in die Hauptsaison fällt. Es sind tatsächlich weniger Touristen als üblich hier. Die Griechen sind bedrückt und besorgt, den Russen begegnen sie aber wie immer herzlich. Überall erlebt man Hilfe und Gastfreundschaft, die Menschen wollen reden.

Die Banken sind diese Woche geschlossen. Vor den Geldautomaten stehen die Leute zwei Stunden Schlange, sie können höchstens 60 Euro abheben. Unsere Verwandten, die gerade aus Griechenland zurückkehrten, haben uns gewarnt. Wir konnten uns also auf die Situation einstellen und Bargeld mitnehmen. Die Geschäfte sind geöffnet, Ausflugsfahrten finden statt.

Es gibt jedoch ein großes Problem: Die Griechen wissen nicht, ob sie demnächst ihre Autos noch betanken können. Wir sind etwas besorgt. Wir müssen von hier genau am Tag des Referendums mit dem Bus nach Athen fahren. Wir fürchten, dass es wegen Unregelmäßigkeiten im Betrieb der Tankstellen Ausfälle bei den internationalen Verkehrsverbindungen geben könnte.“

 

Wladimir Lungu, Santorin:

„Für Touristen ist auf der Insel gut gesorgt. Sie können in aller Ruhe Geld aus den Automaten ziehen, mit Karten in Geschäften oder Restaurants zahlen. Dank der vielen Urlauber auf der Insel ist von der Krise überhaupt nichts zu spüren. Auf 15 000 Einwohner kommen auf dieser Insel 50 000 Touristen. In diesem Jahr sind etwas weniger russischsprachige Leute hier. Aber das hängt wohl kaum mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Griechenland, sondern eher mit der Krise in Russland zusammen.“

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Gazeta.ru.

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