Willkommen im Fernsehland

Men look at a television screening of Russia?s Prime Minister Vladimir Putin as he speaks during a question-and-answer show at a Russian state TV channel, at an electronics shop in Moscow December 3, 2009. Putin on Thursday said the Cold War-era Jackson-Vanik amendment that tied U.S. trade relations to emigration rights for religious minorities was an anachronism and hindered Russia's entry to the World Trade Organization (WTO).

Men look at a television screening of Russia?s Prime Minister Vladimir Putin as he speaks during a question-and-answer show at a Russian state TV channel, at an electronics shop in Moscow December 3, 2009. Putin on Thursday said the Cold War-era Jackson-Vanik amendment that tied U.S. trade relations to emigration rights for religious minorities was an anachronism and hindered Russia's entry to the World Trade Organization (WTO).

Reuters
Fernsehen ist eine sehr beliebte Freizeitbeschäftigung der Russen, sagen die Meinungsforscher vom Lewada-Zentrum. Das jedoch vor allem, weil es an Alternativen mangele. Den Inhalten vertrauen viele Russen längst nicht mehr.

Inna ist Hausfrau. Sie sieht nicht gern fern, sondern bevorzugt es, sich über das Internet zu informieren. „Das TV-Programm spricht mich selten an und Gehirnwäsche mit unnützen Informationen brauche ich nicht. Auch Filme sehe ich mir erst an, nachdem ich entsprechende Kritiken gelesen habe“, erklärt Inna. Ihr Mann dagegen könne keinen einzigen Tag auf das Fernsehen verzichten: „Er schaltet ständig um, in einzelne Sendungen schaut er nur kurz rein. Seine Mutter wiederum sieht sich ausschließlich die Nachrichten und politische Sendungen an“, erzählt die junge Russin.

Im Durchschnitt betrachtet sehen Russen nach wie vor viel fern, auch wenn die Einschaltquoten im Laufe der vergangenen Jahre zurückgegangen sind. Das Lewada-Zentrum hat herausgefunden, dass die Zahl der aktiven Fernsehzuschauer seit 2009 von 94 auf 85 Prozent zurückgegangen ist. Dabei hat das Vertrauen der Bevölkerung in TV-Nachrichten ein Rekordtief erreicht: Nur noch 41 Prozent glauben den Meldungen. Zugleich haben allerdings auch andere Medien wie Tagespresse, Rundfunk und Online-Nachrichtenportale einen Vertrauensverlust hinnehmen müssen. Die Anzahl der Bürger, die keinerlei Informationen mehr für glaubwürdig halten, hat entsprechend zugenommen – lag der Anteil von Skeptikern 2004 noch bei vier Prozent, so beträgt er heute acht Prozent.

Dennoch ist der Fernseher noch immer ein wichtiger Bestandteil des russischen Durchschnittshaushalts. Natalja Subarewitsch vom Unabhängigen Institut für Sozialpolitik meint, dass es den Russen zur Gewohnheit geworden sei, sich die Zeit vor dem Fernseher zu vertreiben. „Wir sind ein fernsehabhängiges Land, weil die Leute immer weniger lesen und sonst keine Alternativen zum Zeitvertreib sehen“, erklärt Subarewitsch. „Es ist eine Art Gesellschaftsdegradierung, wobei wir mit diesem Problem sicher nicht alleine sind. Die US-Amerikaner sehen zum Beispiel auch liebend gern fern. Dabei ist es nebensächlich, was gezeigt wird. Hauptsache, der Fernseher läuft und füllt den Leerraum.“

Propaganda und negative Nachrichten werden abgelehnt

Pawel Salin, Direktor des Zentrums für Politikforschung an der Finanzuniversität Russlands, behauptet, dass höchstens zehn Prozent der Bevölkerung bereit seien, selbstständig nach Informationen zu suchen. „Unsere Menschen sind daran gewöhnt, Informationen passiv aufzunehmen, und zwar alles, was ihnen angeboten wird. Da TV-Nachrichten die bequemste und zugänglichste Informationsquelle sind, das Fernsehbild ein Zugehörigkeitsgefühl verleiht und Bürger gerne Nachrichten aufnehmen, die mit ihrer Arbeit und ihrem Privatleben nichts zu tun haben, wird vom Fernsehen nach wie vor gern Gebrauch gemacht“, erklärt der Experte.

Gleichzeitig versichert Salin, das sinkende Vertrauen in das Medium Fernsehen sei auch damit verbunden, dass es von einer Manipulation der öffentlichen Meinung zur Propaganda übergegangen sei. „Während den Konsumenten bei leichten Medienmanipulationen bestimmte Meinungsbilder mit Vorsicht nahegelegt werden, gibt die Propaganda plumpe Antworten, indem sie die Welt in Schwarz und Weiß färbt. Dies mag kurz- und mittelfristig zwar wirken, langfristig betrachtet lehnen die Menschen eine solche plakative Darstellung jedoch ab“, sagt Salin.

Dem Experten zufolge spielt auch der Unwillen der Russen, dauerhaft negative Nachrichten aufzunehmen, eine gewisse Rolle. „Negative Berichterstattung mag anfänglich hoch interessant sein, später geht jedoch der Bedarf daran zurück. Bei einzelnen Menschen provozieren solche Nachrichten auf Dauer sogar Depressionen“, schließt der Politikwissenschaftler.

Natalja Subarewitsch fordert, dass sich die aktuelle Lage ändern müsse. Die Russen sollten bewusster fernsehen, „sonst lebt man sein Leben umsonst“. Sie selbst sehe seit etwa zehn Jahren überhaupt nicht mehr fern. 

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