Das Dorf Eltjubu. Foto: Denis Abramov
In Kabardino-Balkarien finden sich rund 100 kleine Siedlungen, in denen ausschließlich Balkaren leben. Dort stehen einfache Häuser neben antiken Bauwerken. Touristisch hat die Region einige interessante Orte zu bieten.
Die Balkaren sind fast alle miteinander verwandt, wenn auch manchmal um einige Ecken. „Im Dorf Eltjubu gibt es fast niemanden, der nicht zu meiner Verwandtschaft gehört“, erzählt Marat Muschkajew, ein Unternehmer. „Es kommt in manchen Dörfern vor, dass entfernte Verwandte einander heiraten. Aber eher gehen die jungen Leute heute in den Städten auf Partnersuche. Sie fahren nach Naltschik oder Tschegem und heiraten oft Kabardiner.“
In den Städten und größeren Dörfern vermischen sich die Völker zunehmend. In der Hauptstadt Kabardino-Balkariens, Naltschik, leben mehr Kabardiner. Während die Balkaren eher im Handwerk und in der Landwirtschaft arbeiten, gibt es unter den Kabardinern deutlich mehr Unternehmer, Angestellte und Beamte.
Indira Gusejewa. Bild aus dem persönlichen Archiv. „Die Deportation hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung des balkarischen Volkes“, erzählt die PR- und Marketingfachfrau Indira Gusejewa, eine Balkarin aus Naltschik. „Im Jahr 1944 während des Großen Vaterländischen Krieges wurde unser Volk fälschlicherweise der Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht beschuldigt. Daraufhin wurden wir nach Kasachstan und Kirgisistan verbannt“, berichtet sie.
Doch auch dort waren die Balkaren nicht willkommen: „Man hielt uns für Mörder und Verräter.“ Es sei schwierig gewesen, Arbeit in der Fremde zu finden. Die Kinder konnten nicht zur Schule gehen. „Insgesamt hat uns die Deportation in der sozioökonomischen Entwicklung um ein paar Jahrzehnte zurückgeworfen“, schätzt Gusejewa.
Die Deportation der Balkaren dauerte 13 Jahre. Im Jahr 1957 wurden die Repressionen aufgehoben, die Balkaren durften in ihre Heimat zurückkehren.
Das Dorf Eltjubu. Bild aus dem persönlichen Archiv.
Was unterscheidet die Balkaren von anderen kaukasischen Völkern? „Sie sind die sesshaftesten“, sagt Indira Gusejewa. „Sie mögen es nicht, ihre Republik zu verlassen, sie leben lieber weiter in den Bergen.“ So wie ihr Vater: „Als mein Vater etwas Geld gespart hatte, kaufte er ein Haus auf einem Hügel in Naltschik. Er hätte sich auch eine Wohnung im Zentrum oder ein Haus in einem Neubaugebiet leisten können.“
Gusejewa beschreibt ihr Volk als sehr fleißig und ehrgeizig. Die Balkaren seien auch an schwere körperliche Arbeit gewöhnt. „Anders hätten wir nicht überlebt“, sagt sie. Balkaren seien zudem ehrliche Menschen. Was ihnen jedoch ein wenig fehle, sei Geschäftssinn. Da wären die Nachbarn, die Kabardiner, ihnen voraus, meint Gusejewa.
Bildung spiele aber eine wichtige Rolle, erzählt sie weiter. „Aufgrund der Repressionen konnten unsere Großväter nicht studieren und nach ihrer Rückkehr hatten sie anderes zu tun. Für die heutige Generation ist eine Hochschulausbildung dagegen wichtig.“ Um einen Abschluss zu machen, fahren sogar überzeugte Landbewohner in die Städte, ganz unabhängig davon, ob dieser Abschluss ihnen auf dem Land später etwas bringen wird. Beliebte Studienfächer sind Wirtschaft und Recht. Der Wettbewerb für diese Fachbereiche ist an den russischen Universitäten nicht mehr so hoch wie früher.
Die Balkaren mögen es nicht, ihre Republik zu verlassen, sie leben lieber weiter in den Bergen. Foto: Denis Abramov
Doch die Balkaren bleiben grundsätzlich ihrer traditionellen Lebensweise verbunden. Jeder Balkare kann Käse herstellen, Schafe hüten, Heu ernten sowie Tücher oder Socken aus Wolle stricken, Männer wie Frauen, reiche wie arme Balkaren. Die Kinder werden streng erzogen und müssen schon früh mithelfen. Die Mädchen in der Stadt kleiden sich meist modern, die Landmädchen erkennt man an ihrem Kopftuch. Manchmal werden sie noch bis zur Oberstufe von ihren Vätern zur Schule begleitet.
Irina Gusejewa lernte schon als Sechsjährige das Stricken. „Während meiner gesamten Schulzeit habe ich jeden Tag nebenbei Tücher, Pullover und Socken gestrickt. Neun Teile pro Tag war die Vorgabe.“ Das war keine reine Frauensache, erinnert sie sich. Auch ihr Bruder habe stricken müssen. „In den 1980er-Jahren haben meine Eltern, wie viele anderen Balkaren auch, Wollsachen in anderen Regionen und in der Ukraine verkauft. In den Neunzigern war das nicht mehr so rentabel und wir hörten damit auf.“
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