Tag der Volkseinheit: (K)ein Feiertag wie alle anderen

Für viele Russen ist der 4. November einfach ein freier Tag.

Für viele Russen ist der 4. November einfach ein freier Tag.

Lori / Legion-Media
Russland feiert am 4. November den Tag der Volkseinheit. Gewidmet ist der Feiertag der Befreiung Moskaus von ausländischen Besatzern um 1612. Worum es dabei wirklich geht, weiß Umfragen zufolge aber nur die Hälfte der Russen.

Ein Feiertag Anfang November gehört für die Russen seit Sowjetzeiten einfach dazu. Bis 1991 feierten sie am 7. November einen der wichtigsten kommunistischen Feste: den Jahrestag der Revolution von 1917. Gefeiert wurde pompös, mit Paraden, Demonstrationen und Ansprachen der obersten Parteiführung vom Lenin-Mausoleum aus. Nach dem Zerfall der Sowjetunion war es damit vorbei.

Fünf Jahre nach dem Ende der UdSSR führte Russlands erster Präsident, Boris Jelzin, den 7. November als Feiertag wieder ein. Zwischen 1996 und 2004 wurde an dem Datum der Tag der Eintracht und Befriedung begangen. Einbürgern konnte sich der neue Feiertag jedoch nicht, zu fest war das Datum in der kommunistischen Tradition verwurzelt.

Der Jahrestag der Revolution von 1917 wurde pompös gefeiert. Foto: Yuryi Abramochkin / RIA NovostiDer Jahrestag der Revolution von 1917 wurde pompös gefeiert. Foto: Yuryi Abramochkin / RIA Novosti

„Der Tag der tragischen Teilung Russlands – der 7. November – konnte kein Tag der Eintracht und der Befriedung werden“, erklärte der russische Interkonfessionelle Verband in einem Appell an das Parlament des Landes im Jahr 2004. Die Vertreter traditioneller Konfessionen schlugen daher vor, den 4. November als Tag der Volkseinheit einzuführen. Die Abgeordneten stimmten zu und so feierte das russische Volk seine Einheit 2005 zum ersten Mal.

Der Ruhm längst vergangener Tage 

Nachdem die Zarendynastie der Rurikiden 1598 abgebrochen war, brachen schwere Zeiten für Russland an. Der Moskauer Staat war gespalten. Die Bojaren, die damalige Adels- und Funktionselite, kämpften um die Macht – gegen Schwindler, die sich selbst zu Nachfolgern der Rurikiden ernannten. Das Land war verwüstet, die Menschen hungerten. Die Epoche ging als die Zeit der Wirren in die russische Geschichte ein.

Eine Invasion polnischer und schwedischer Truppen erschwerte die Situation zusätzlich. Die Moskauer Bojaren ließen die Polen nach Moskau einmarschieren und erkannten den polnischen Prinzen Wladislaw als neuen russischen Zaren an. Erst im November 1612 konnte ein Volksaufstand unter der Führung des Fürsten Dmitrij Poscharskij und des Kaufmanns Kusma Minin die Eroberer nach schweren Kämpfen vertreiben. Ein Jahr danach bestieg der erste Zar aus der Romanow-Dynastie den russischen Thron.

„Damals, im 17. Jahrhundert, kamen Menschen unterschiedlichen Glaubens, unterschiedlicher Nationalitäten und Stände zusammen, um ihr Vaterland von ausländischen Okkupanten zu befreien“, sagte Alexei II., Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, 2006. Der Tag der Volkseinheit erinnere an die Geschlossenheit des Volkes angesichts einer schweren Prüfung, sagen die Befürworter des Feiertags.

Ein Feiertag mit Identifikationsschwäche

Der russische Präsident Wladimir Putin und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill legen Blumen am Minin-und-Poscharskij-Denkmal am Roten Platz nieder. Foto: Mikhail Metzel / TASSDer russische Präsident Wladimir Putin und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill legen Blumen am Minin-und-Poscharskij-Denkmal am Roten Platz nieder. Foto: Mikhail Metzel / TASS

Jedes Jahr an diesem Tag legt der russische Präsident einen Kranz am Minin-und-Poscharskij-Denkmal am Roten Platz nieder. Neben Kundgebungen finden auch Kreuzprozessionen statt: Der 4. November fällt mit dem orthodoxen Fest der Gottesmutter von Kasan zusammen.

Besonders populär ist der Feiertag aber nicht. Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums aus dem Jahr 2015 kennen 45 Prozent der Russen noch nicht einmal die korrekte Bezeichnung des Feiertags. Und eine Befragung des Portals Superjob hat ergeben, dass 47 Prozent der Befragten den 4. November einfach für einen freien Tag halten, ohne ihn mit einem historischen Datum in Verbindung zu bringen – Tendenz steigend: 2010 gaben diese Antwort bereits 60 Prozent der Befragten.

Der Soziologe Roman Abramow von der Higher School of Economics erklärt das damit, dass sich in Russland bislang keine Traditionen herausgebildet haben, die mit dem Tag der Volkseinheit verbunden sind. Für die meisten seien die Ereignisse des 17. Jahrhunderts etwas weit Entferntes, Unverständliches und Unbedeutendes – anders als beispielsweise der Große Vaterländische Krieg. „Noch hat der Feiertag keine Identität. Größtenteils wird er als ein Ersatz für den sowjetischen 7. November und als einfacher freier Tag wahrgenommen“, sagte Abramow in einem Gespräch mit RBTH. Das könne sich mit der Zeit ändern, räumte der Soziologe ein, doch das werde Jahrzehnte dauern.

Lenins letzte Ruhestädte

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