al-Qaida-Miliz beansprucht Anschlag in Sankt Petersburg für sich

Nach dem Terroranschlag wurden in den U-Bahnen von Moskau und Sankt Petersburg zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Polizeibeamte mit Hunden sieht man dort nun häufiger.

Nach dem Terroranschlag wurden in den U-Bahnen von Moskau und Sankt Petersburg zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Polizeibeamte mit Hunden sieht man dort nun häufiger.

AP
Eine bisher unbekannte Terrorgruppe hat sich zum Anschlag in der Sankt Petersburger Metro am 3. April, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen, bekannt. Experten halten das Schreiben für glaubwürdig, auch wenn die Echtheit der Botschaft noch nicht offiziell bestätigt wurde.

Am Montag tauchte auf einer mauretanischen Webseite ein Bekennerschreiben der extremistischen Gruppe Katibat Al-Imam Schamil (zu Deutsch „Bataillon Imam Schamil“) auf, in dem sie den Anschlag in Sankt Petersburg für sich beansprucht. Zudem wandte sich die Gruppe an das „russische Volk“ und forderte dieses auf, Druck auf die Behörden auszuüben, damit Russland den Krieg gegen die Muslime in Syrien, Tschetschenien und Libyen einstelle. Die Extremisten bezeichneten den Attentäter von Sankt Petersburg als ein Mitglied ihres Bataillons und drohten Russland mit weiteren Angriffen.

Aus dem Schreiben lasse sich erkennen, dass die Gruppe Verbindungen zur al-Qaida habe, schreiben Medien. Nach Informationen der BBC sollen einflussreiche Anhänger der Gruppe über den russischen Messengerdienst Telegram den Text diskutiert haben.

Es ist das erste Mal, dass die Terrorgruppe Katibat Al-Imam Schamil in Erscheinung getreten ist. Der Name könnte zum einen auf Imam Schamil zurückgehen, der die nordkaukasischen Bergbewohner im 19. Jahrhundert vereint und mehrere Jahrzehnte gegen Russland gekämpft hatte. Zum anderen wird vermutet, dass das Bataillon nach dem tschetschenischen Extremisten Schamil Bassajew benannt wurde, der in den Tschetschenien-Kriegen der 1990er- und 2000er-Jahre kämpfte.

Terrorgruppen „vermehrten sich wie Karnickel“

Dass die Organisation bislang unbekannt war, heiße nicht, dass sie oder ihr Bekennerschreiben nicht authentisch seien, sagen Experten. Eine solche Gruppe könne es durchaus geben, glaubt Sergej Demidenko, Nahost-Experte von der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und öffentlichen Dienst. „In der Regel versuchen solche Gruppierungen, auf sich aufmerksam zu machen, um dann einer großen Organisation ihre Treue zu schwören – in diesem Fall al-Qaida. Im Irak haben sie sich einst wie Karnickel vermehrt“, erklärte der Fachmann im Gespräch mit RBTH.

Es sei auch nicht ungewöhnlich, dass die Botschaft auf einer mauretanischen Seite veröffentlicht wurde, fügt Alexander Schumilin, Leiter des Zentrums für Analyse von Nahostkonflikten am USA- und Kanada-Institut in Moskau, hinzu. Die Dschihadisten würden alle verfügbaren Mittel nutzen. Die Entstehung des Bataillons sei zudem ein Hinweis darauf, dass es in den Reihen der Terroristen Veränderungen gegeben habe, bemerkt der Experte. „Es findet offenbar eine Neuausrichtung der Kräfte innerhalb der großen Terrororganisationen statt. Vor dem Hintergrund der zerstörten Aufstellungen des IS in Syrien und im Irak verlagern die Milizen ihre Tätigkeit unter anderem in den Nordkaukasus“, erklärte Schumilin.

An der Seite der Extremisten im Nahen Osten kämpften viele Menschen aus Russland, betont Sergej Demidenko. In Syrien gebe es Gruppierungen, die gänzlich aus Tschetschenen bestehen würden. Müssten sie sich zurückziehen, würden sie allmählich nach Hause zurückkehren.

Verbindungen in den Nahen Osten ziehen auch die Strafbehörden in Erwägung. Als Haftbefehl gegen einen Verdächtigen des U-Bahn-Anschlags erlassen wurde, erwähnte das Gericht die Möglichkeit, dass die Täter von Sankt Petersburg mit Extremisten aus dem Nahen Osten in Kontakt stehen könnten. Es verwies auf die mögliche Finanzierung des Anschlags durch Mitglieder einer internationalen Terrorvereinigung aus der Türkei.

„Neue Ausgabe der linken Ideologie“

Für die Abwehr der terroristischen Bedrohung sei eine umfassende Strategie notwendig, sind sich die Analysten einig. Es sei nicht ausreichend, den Kampf gegen die Extremisten ausschließlich im Nahen Osten zu führen. In diesem Fall würden sie schneller in ihre Heimatländer zurückkehren, unter anderem nach Russland. Die russischen Geheimdienste sollten sich laut Sergej Demidenko vor allem auf das „eigene Wohnzimmer“ konzentrieren, um bei der Rückkehr der Terroristen vorbereitet zu sein.

Es sei jedoch ein strategischer Fehler, sich lediglich auf die Stärke zu konzentrieren, da die Gefahr in diesem Fall von Trägern einer bestimmten Ideologie ausgehe – den radikalen Islamisten und Wahhabiten. Diese radikalen Gruppen könne man nicht mit Gewalt besiegen, so warnt der Experte, weil ihre Ideologie aufgrund ihrer sozialen Komponente überleben würde.

Diese Ideologie sei auf „Gedemütigte“ und „Enttäuschte“ ausgerichtet. „Es handelt sich praktisch um eine neue Ausgabe der linken Ideologie“, sagt der Wissenschaftler. Für einen erfolgreichen Kampf gegen extremistische Ideen seien eine klug aufgebaute Innenpolitik sowie Gegenpropaganda notwendig. So könnten die Extremisten in ein kulturelles, politisches und wirtschaftliches Vakuum gedrängt werden.

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