Kronstadt: Vom Marinestützpunkt zur Touristenattraktion

Das Fort „Großfürst Konstantin“. Foto: Juri Strelets / RIA Novosti

Das Fort „Großfürst Konstantin“. Foto: Juri Strelets / RIA Novosti

Die Festungsstadt Kronstadt lag uneinnehmbar und unerreichbar vor Sankt Petersburg. Heutzutage ist sie auch vom Festland aus bequem zu erreichen. Besucher können die militärischen Geheimnisse der zahlreichen Forts entdecken oder den besonderen Charakter der Inselbewohner ergründen.

Die Festungsstadt Kronstadt liegt auf der Ostseeinsel Kotlin, 30 Kilometer westlich von Sankt Petersburg. Es ist eine Stadt, deren Bewohner dort nicht immer freiwillig gelebt haben. Soldaten, Ingenieure und Seeleute wurden oft gegen ihren Willen auf die Insel gebracht, um das neue Terrain zu erschließen. Fliehen konnten sie nicht, denn damals war die Stadt nur über das Meer zu erreichen. Heute verbinden ein mächtiger Damm und ein Tunnel unter dem Finnischen Meerbusen die Insel mit dem Festland.  

Die Festungsstadt

Gegründet wurde Kronstadt im Jahr 1704 von Zar Peter dem Großen. Er ließ hier die Festung Kronschlot anlegen, um den Zugang nach Sankt Petersburg zu schützen. Bald wurden auf der Insel weitere Festungen errichtet und die Stadt galt als uneinnehmbar. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zählte Kronstadt insgesamt 21 Festungsanlagen. Heute zählen die historische Altstadt und die vielen Festungsanlagen, die die Hafenstadt umgeben, zum UNESCO-Welterbe.

Kronstadt war bis 1996 militärisches Sperrgebiet, nach außen verschlossen und nur nach Sondergenehmigung zugänglich. Es gab zahlreiche Kontrollpunkte mit verschärften Passkontrollen. Der Zugang nach Kronstadt wurde von MP-Schützen überwacht. Die Stadt konnte nur bei geführten Exkursionen oder auf Einladung eines Einwohners besucht werden. Solche Einladungen waren jedoch sehr selten.

Bei den Bewohnern von Sankt Petersburg hatte Kronstadt den Ruf, eine Stadt zu sein, in der aufrührerische Menschen nach ihren eigenen Regeln lebten. Fremde waren unerwünscht. Die Matrosen in Kronstadt trugen stets etwas weitere Schlaghosen, als sie beim Militär eigentlich erlaubt waren. Während zu Sowjetzeiten vielerorts die Läden leer waren und sich lange Schlangen davor bildeten, konnte man in Kronstadt stets roten Kaviar und Wurst kaufen. Die Kronstädter waren rebellisch. Sie probten den Aufstand sowohl gegen die Kaiserliche Russische Marine als auch später gegen die Bolschewiken. Im Zweiten Weltkrieg verteidigten sie Kronstadt erfolgreich gegen die Angriffe der deutschen Wehrmacht.

Die Festung Ino

Die Marinesoldaten in Kronstadt. Foto: Igor Russak / RIA Novosti

Kronstadt war wegen des eingeschränkten Zugangs ein idealer Ort für die Entwicklung und Erprobung neuer Waffensysteme und die Ausbildung von Marinesoldaten.

Besonders viele Geschichten ranken sich um das benachbarte Fort „Ino“. Es wurde einst zur Verteidigung des Zugangs zum Finnischen Meerbusen gebaut. Unten und an den Seiten mit dicken Betonschichten versehen, schützte es Kanonen, Haubitzen und andere Geschosse vor den feindlichen Granaten. Unter dem Fort gab es eine riesige unterirdische Stadt mit Truppenunterkünften, Eisenbahnschienen und elektrischem Aufzug.

Später wurde das Gelände von Fort „Ino“ ein höchst geheimer Ort. Alteingesessene Inselbewohner erzählen, dass dort zum Beispiel Experimente zur Feststellung des Einflusses von Röntgenstrahlung auf Tiere durchgeführt wurden. Der Zutritt zum Fort war noch lange Zeit verboten, selbst, nachdem die Anlage nicht mehr genutzt wurde. 

Die Entdeckung der Antarktis

Der Kronstädter Flotte werden 56 bedeutende geografische Entdeckungen zugeschrieben. Im Jahr 1807 startete hier die erste russische Weltumsegelung, über 40 weitere sollten folgen. Fabian Gottlieb Thaddeus von Bellingshausen und Michail Lasarew brachen 1819 von Kronstadt aus zu einer Expedition auf. Sie waren auf der Suche nach dem Südpol und wurden fündig. Als erste sichteten sie die Antarktis.

Nicht nur bei der Entdeckung neuer Kontinente waren die Kronstädter erfolgreich. In Kronstadt wurde außerdem der erste Eisbrecher der Welt gebaut. Der Schleppdampfer „Pilot“ kreuzte zwischen der Insel Kotlin und der Stadt Lomonossow, die damals noch Oranienbaum hieß. Der Eisbrecher „Britnew“ rettete sogar Europa während des kalten Winters 1870/1871, als die Elbe einfror und Hamburgs Schiffsverkehr zum Erliegen kam. Die USA und die nordeuropäischen Staaten entwickelten später ihre eigenen Modelle auf Grundlage der sowjetischen Eisbrecher.

Touristenziel Kronland

Im Jahr 1984 wurde die Insel Kotlin auf der Nordseite durch eine Straße, die auf dem Damm entlangführt, mit dem Festland verbunden. Wenn Sie auf dem Damm nach Kronstadt fahren, erleben Sie ein faszinierendes Schauspiel. In stürmischen Phasen können selbst die hohen Betonbarrikaden das Wasser nicht zurückhalten, sodass die Wellen auf die Straße schwappen. Bei einem solchen Unwetter wird die Strecke über den Damm gesperrt. Im Jahr 2011 wurde ein zwei Kilometer langer Tunnel eröffnet, der unter dem Finnischen Meerbusen verläuft. Dieser erleichtert den inzwischen zahlreichen Touristen den Besuch des einstigen Sperrgebietes.

Die Marine-Kathedrale des Heiligen NikolausFoto: Igor Russak / RIA Novosti.

Eine besonders beliebte Sehenswürdigkeit ist das Fort „Großfürst Konstantin“, das einst als Testgelände diente. Dort wurden ausschließlich neue Typen von Artilleriewaffen getestet. Heute ist es ein Yachtclub und ein Kulturzentrum, in dem noch der Pulverkeller, Geschützbatterien und Truppenunterkünfte zu besichtigen sind. Vom oberen Teil des Forts aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Bucht. Direkt auf dem Gelände befindet sich das Hotel „Fort Constantine“, eine empfehlenswerte Unterkunft.

Kronstadt hat noch mehr zu bieten. Im Stadtzentrum erhebt sich auf dem Ankerplatz die Marine-Kathedrale des Heiligen Nikolaus. Sie gilt als Kronstadts Antwort auf die Hagia Sophia in Istanbul. Das Kreuz auf der Kuppel des majestätischen 71 Meter hohen Baus diente den Seefahrern wie ein Leuchtturm zur Orientierung. Man konnte das Kreuz aus einer Entfernung von 30 Meilen sehen. Für den Bau musste jeder Seemann ein Viertel seines Lohns hergeben. Die riesigen rundlichen Fenster erinnern an Schiffsfenster, auf dem Fußboden sind Darstellungen von Meeresbewohnern eingemeißelt. Die Kuppel ist ausgemalt wie ein Himmel.

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