Bratpfanne und Kugelhagel: Museum über Ersten Weltkrieg eröffnet

Das Museum zeigt Waffen und teilweise skurril anmutende militärische Alltagsgegenstände. Zum Beispiel Hunde und Pferde mit Gasmasken. Foto: ITAR-TASS

Das Museum zeigt Waffen und teilweise skurril anmutende militärische Alltagsgegenstände. Zum Beispiel Hunde und Pferde mit Gasmasken. Foto: ITAR-TASS

Die Stadt Puschkin bei Sankt Petersburg, durch Zarenresidenz von Zarskoe Selo weltbekannt, ist um eine weitere Attraktion reicher: In der Ratnaja Palata eröffnete das „Museum des Ersten Weltkrieges“ und präsentiert zahlreiche Exponate aus dem Krieg Russlands gegen Deutschland, Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich.

Die Geschichte des Museums geht auf die Zeit des letzten russischen Zaren Nikolai II. zurück. Dieser bekam im Jahr 1911, als er auf dem Landsitz der Zarenfamilie den 200. Jahrestag der Stadt Zarskoe Selo feierte, eine überaus teure Kunstsammlung geschenkt. Darunter befanden sich einzigartige Kupferstiche, Gemälde, Ikonen und Karten, welche Zeugnis von der viele Jahrhunderte alten Militärgeschichte Russlands ablegten. Dieses wertvolle Geschenk bekam der Zar von niemand anderem als Elena Tretjakowa, der Witwe des damals bereits verstorbenen Pawel Tretjakow, einem berühmten Kunstsammler und Gründer der heute weltweit bekannten Tretjakow-Galerie in Moskau. Das Geschenk gefiel

dem Zaren so sehr, dass er daraufhin beschloss, ein eigenes Gebäude für das Militärarchiv bauen zu lassen, das Militärhistorische Museum Russlands. Der heute unter den Namen Ratnaja Palata bekannte Saalbau wurde teilweise durch Elena Tretjakowa finanziert. Von 1918 bis 1919 beherbergte der Bau schon einmal ein Museum zum Ersten Weltkrieg, das aber von den Bolschewiken geschlossen wurde. Elena Tretjakowa muss das schwer getroffen haben, vermutet Elena Taratynowa, die heutige Direktorin des Residenz-Ensembles von Zarskoe Selo. Schließlich habe sie ihr Leben der Kunstsammlung und dem Bau der Ratnaja Palata gewidmet. Niemand weiß, was nach der Schließung mit Elena Tretjakowa geschehen ist. „Sie verschwand spurlos“, berichtet Taratynowa.

Im Jahr 2010 entschloss man sich die verfallene Ratnaja Palata zu restaurieren und dort das „Museum des Ersten Weltkrieges“ zu eröffnen. Drei Jahre Zeit und rund sechs Millionen Euro hat das gekostet. Das Geld wurde vom russischen Staat zur Verfügung gestellt. Jetzt gibt es viel zu entdecken.

 

Die Flagge des Todes

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein an der Decke des Museums befestigter französischer Doppeldeckerkampfflieger, eine Nieuport 17, die damals auch aktiv im Kampf eingesetzt wurde. An der gewölbten Decke findet man zudem einige alte, kunstvolle Fresken, die sich unter dem Putz des Museums versteckten und die man erst bei der Restauration entdeckt hat. 

Die Sammlung des Museums umfasst Militäruniformen, Fotos, Waffen, Alltagsgegenstände, die man damals beim Militär verwendete, sowie verschiedene Dokumente. „Die Uniformen sind mit das Beste an der Ausstellung“, findet Aleksej Rogatnew, Dozent des Staatlichen Historischen Museums Zarskoe Selo. „Sie geben die Atmosphäre der damaligen Zeit, des damaligen Militäralltags authentisch wieder“, sagt Rogatnew.

In einem der Museumssäle können die Paradeuniformen der Zarenfamilie bestaunt werden. Jedes Mitglied der Zarenfamilie verfügte über ein eigenes Regiment von bis zu 4 000 Soldaten. Ein besonders seltenes Ausstellungsstück ist die schwarz-gelbe Flagge des russischen Kaiserreichs. Diese Flaggen sind echte Raritäten, denn ihr Besitz stand unter Strafe und konnte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges den Tod bedeuten.

Die Sammlung des Museums umfasst Militäruniformen, Fotos, Waffen, Alltagsgegenstände, die man damals beim Militär verwendete, sowie verschiedene Dokumente. Foto: ITAR-TASS

Wer sich besonders für primäre Geschichtsquellen interessiert, kann die Korrespondenz von Zar Nikolai II. mit Kaiser Wilhelm II. vor dem Ersten Weltkrieg verfolgen. Dabei handelt es sich um Telegramme, die Zar Nikolai II. kurz vor Beginn der Kampfhandlungen an den deutschen Kaiser geschickt hatte. In ihnen ist zu lesen, dass der russische Zar seinen Amtskollegen Wilhelm II. darum bittet, den sich anbahnenden Krieg zu verhindern. Interessant ist, dass der russische Zar die Telegramme mit seinem Spitznamen „Niki“ unterschrieb, um damit der zwischen den beiden bestehenden Freundschaft mehr Ausdruck zu verleihen. Leider gibt es die kaiserlichen Telegramme und die dazu angeführte historische Information, die auf großen Bildschirmen gezeigt werden, derzeit nur in Russisch. Eine englische Version soll in den nächsten sechs Monaten folgen.

 

Waffen, Autos, Bratpfannen 

Das Museum zeigt auch Waffen und teilweise skurril anmutende militärische Alltagsgegenstände. Unter den Ausstellungsstücken finden sich zum Beispiel gusseiserne Bratpfannen, die von den Piloten des Ersten Weltkriegs als Sitzunterlage verwendet wurden, um sich vor Schüssen von unten zu schützen. Historische Fotos zeigen auch Hunde und Pferde mit Gasmasken. Diese Gasmasken, die zu Beginn des Ersten Weltkriegs vom russischen Erfinder und Wissenschaftler Nikolaj Selinskij entwickelt wurden, werden ebenfalls ausgestellt.

Eine weitere Rarität ist ein exklusiv für militärische Zwecke umgebauter Original- Ford T, der in den USA von 1908 bis 1922 hergestellt wurde. Exemplare dieses Automobils gibt es heute nur noch sehr wenige. Der Ford T des Museums wurde wahrscheinlich 1914 hergestellt. Diers lässt zumindest seine Ausstattung vermuten.

Fahrzeuge spielten im Ersten Weltkrieg für die russische Armee eine große Rolle. Zu Beginn des Krieges gab es in der russischen Armee fünf Kraftfahrzeugkompanien und sechs eigene Kommandos, die für die

motorisierte Versorgung und für den Gütertransport der Stäbe und der kaiserlichen Militärbehörde zuständig waren. Zudem gab es in der russischen Armee auch Lastkraftfahrzeuge sowie Kranken- und Stabsfahrzeuge, die alle vom US-amerikanischen Fahrzeughersteller Ford geliefert wurden. Bis November 1917 umfassten die motorisierten Einheiten der russischen Armee bereits 22 KFZ-Kompanien mit beinahe 10 000 Fahrzeugen.

Auch zeigt das Museum eine Galerie von Trägern des Sankt-Georgs-Kreuzes, einer Tapferkeitsauszeichnung, die im ersten Weltkrieg insgesamt 1,5 Millionen Soldaten verliehen wurde.

 

Adresse des Museums: Fermskaja doroga 5A, Puschkin

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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