Kaliningrad: Zwischen Königsberger Schloss und Sowjet-Haus

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Königsberger Schloss von den Bombardements der Engländer und dem Sturm der Roten Armee stark in Mitleidenschaft gezogen. Foto: United States Library of Congress

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Königsberger Schloss von den Bombardements der Engländer und dem Sturm der Roten Armee stark in Mitleidenschaft gezogen. Foto: United States Library of Congress

Noch vor 70 Jahren war auf einem Hügel am Ufer des Pregel das Königsberger Schloss zu sehen. Heute ist das alte Königsberg nur noch auf Fotografien lebendig und im Zentrum von Kaliningrad erhebt sich eine riesige Bauruine aus der Zeit Breschnews – das Haus der Sowjets. Der internationale Architektur-Wettbewerb „Herz der Stadt“ ging nun zu Ende, doch eine Lösung für die Zukunft der Stadt ist noch nicht gefunden.

Kaliningrad ist heute die Hauptstadt der gleichnamigen, am westlichsten gelegenen Region Russlands. Bis 1945 war sie jedoch die Hauptstadt Ostpreußens. In manchen Stadtteilen kann man bis heute alte deutsche Villen aus rotem Backstein und das originale Königsberger Kopfsteinpflaster sehen. Aber manches ist auch unwiederbringlich verloren, dazu zählt beispielsweise das Königsberger Schloss.

 

Schluss mit dem Schloss?

Bis zum Jahr 1945 war das Schloss das architektonische Wahrzeichen von Königsberg, es war das administrative und kulturelle Zentrum der Stadt. Neben dem Sitz der Regierung waren hier auch ein Gericht, ein Archiv, eine Bibliothek und ein Museum untergebracht. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss von den Bombardements der Engländer und dem Sturm der Roten Armee stark in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Krieg ging die Stadt an die UdSSR über und wurde in Kaliningrad umbenannt. Zu dieser Zeit waren vom Schloss nur noch die Außenwände geblieben, man hätte es jedoch noch retten können. Allerdings war man in den sechziger Jahren bestrebt, „dem preußischen Militarismus ein Ende zu bereiten“, und so wurde alles gesprengt, was vom Schloss noch übrig gewesen war.

1970 begann man an dieser Stelle mit dem größten unvollendet gebliebenen Bau der Epoche, dem Haus der Sowjets, wo die Gebietsverwaltung ihren Sitz haben sollte. Aufgrund von Budgetproblemen und wegen des instabilen Untergrunds wurden die Pläne ständig abgeändert und so das Gebäude schließlich nie in Betrieb genommen. Heute wird der Platz vor dem Haus der Sowjets zur Durchführung von Konzerten, Märkten und Versammlungen genutzt, an Werktagen parken auf dem alten deutschen Kopfsteinpflaster Autos.

Bis heute gibt es eine lebendige Diskussion über den Abriss des Hauses der Sowjets und den Wiederaufbau des Königsberger Schlosses. Nach 1991 wurde eine große Zahl an Projekten zur Umgestaltung der Fläche vorgelegt, aber erst 2014 konnten sich Experten, Architekten und Politiker einigen. Den zuletzt international ausgeschriebenen Architektur-Wettbewerb „Herz der Stadt“ gewann ein Projekt aus Sankt Petersburg, das vom Architekturbüro Studio 44 und dem Institut für territoriale Entwicklung Sankt Petersburg ausgearbeitet worden war. Den zweiten und dritten Platz belegten Projekte aus Großbritannien, Schweden, Frankreich und Moskau.

1970 begann man mit dem größten unvollendet gebliebenen Bau der Epoche, dem Haus der Sowjets, wo die Gebietsverwaltung ihren Sitz haben sollte. Foto: Lori / LegionMedia

Die Petersburger Architekten verabschiedeten sich in ihrem Plan von der Idee des Wiederaufbaus des Königsberger Schlosses. Stattdessen schlagen sie vor, das Haus der Sowjets zu rekonstruieren und an dieser Stelle einen modernen, öffentlichen Raum zu schaffen mit einem Konzertsaal und einem Museum für moderne Kunst. Das Studio 44 plant zudem den Wiederaufbau der architektonischen Landschaft der Altstadt, die sich zwischen dem Schlosshügel und dem Ufer des Pregel befand. Auf den Fundamenten der alten deutschen Häuser sollen ein paar Viertel mit niedriger Bebauung entstehen, im Erdgeschoss Cafés und Geschäfte. Im Projektentwurf ist vorgesehen, dass sich von den Aussichtspunkten auf dem Schlosshügel ein wunderbarer Blick auf das „wiederbelebte Königsberg“ eröffnet: auf die Dächer der Altstadt und den Dom.

 

Symbol für das neue Russland und Europa

Auch der Königsberger Dom wurde während der englischen Bombenangriffe im Jahr 1944 stark beschädigt. Seine Reste sind nur deshalb nicht weggesprengt worden, weil sich dort das Grabmal des großen Philosophen Immanuel Kant befindet. Zu Beginn der neunziger Jahre wuchs mit dem Wiederaufbau dieses Architekturdenkmals, das erstmalig 1333 in Schriften erwähnt wurde, auch das Interesse am historischen Erbe von Königsberg.

Ungefähr sieben Milliarden Rubel (circa 140 Millionen Euro) hat der Wiederaufbau gekostet, sagt Igor Odinzow, Hauptgeschäftsführer der Firma Kafedralnyj sobor. Das Geld wurde in der ganzen Welt gesammelt, deutsche Fonds halfen bei der Rekonstruktion des Daches und der Anschaffung einer elektronischen Orgel, einen Teil der Mittel spendeten engagierte Bürger und die lokale Wirtschaft. Heute ist der Dom die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt. Im Park bei der Kathedrale werden Märkte und Festivals abgehalten, die immer wieder zahlreiche Touristen und Einwohner anziehen.

Wie der Bürgermeister von Kaliningrad, Alexander Jaroschuk, betonte, sollen alle Ergebnisse nach Abschluss des Wettbewerbs „Herz der Stadt“ auch mit den Stadtbewohnern diskutiert werden. „Selbst das Projekt, das die Ausschreibung gewonnen hat, finden wir nicht optimal“, sagte Jaroschuk, „aber das Wichtigste ist, dass wir etwas haben, mit dem wir weiterarbeiten können. Aus den besten Entwürfen werden wir einen machen, der allen gefällt“.

Der deutsche Architekt und Stadtplaner Hans Stimman ist begeistert von den Ideen, die der Wettbewerb hervorgebracht hat. Für ihn könnte Kaliningrad den Rang bedeutender europäischer Städte wie Berlin, Stockholm oder Danzig erringen: „Meine persönliche Meinung ist, dass Kaliningrad keine große Bedeutung hat, aber es könnte eine große Bedeutung gewinnen. Objektiv gesehen könnte Kaliningrad zu einem Ort nicht nur des neuen Russlands, sondern auch des neuen Europas werden.“

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