Selfira Tregulowa: „Museen müssen besucherfreundlich sein“

Selfira Tregulowa, Direktorin der Tretjakow-Galerie: „Wir wollen die international Zusammenarbeit verstärken” Foto: Oleg Grizaenko /cult.mos.ru

Selfira Tregulowa, Direktorin der Tretjakow-Galerie: „Wir wollen die international Zusammenarbeit verstärken” Foto: Oleg Grizaenko /cult.mos.ru

Selfira Tregulowa ist eine international erfahrene Kuratorin. Sie holte renommierte Ausstellungen nach Moskau und präsentierte erfolgreich russische Kunst im Westen. Im Interview verrät die neue Direktorin der Tretjakow-Galerie ihre Zukunftspläne.

Selfira Tregulowa war lange Zeit für die Museen des Kremls tätig. Ihrem Engagement sind einzigartige Ausstellungen wie die von Cartier oder René Lalique oder die Ausstellung „Das Goldene Zeitalter des englischen Hofes" in Moskau entsprungen. Sie war zudem Kuratorin internationaler Ausstellungsprojekte unter anderem in Paris, Rom und New York und brachte die Kunst der russischen Avantgarde, des sozialistischen Realismus und der russischen Moderne in den Westen. Nun übernimmt Tregulowa die Leitung der Neuen Tretjakow-Galerie. Mit RBTH spricht sie über ihre Zukunftspläne für eines der bedeutendsten Moskauer Museen.

RBTH: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung. Sie haben bereits während Ihrer Tätigkeit für die Kreml-Museen verschiedene Ausstellungsprojekte in Russland und weltweit betreut. Dabei haben Sie auch mit der Tretjakow-Galerie zusammengearbeitet und kennen die Abläufe der Galerie sehr gut. Was wird ihr erstes Projekt dort?

Selfira Tregulowa: Ich habe das erste Mal 1988 mit der Tretjakow-Galerie zusammengearbeitet. Ich kann sagen, dass für den Erfolg eines jeden Museums der Komfort, der den Besuchern geboten wird, wesentlich ist. Das betrifft die Gestaltung des Eingangsbereichs ebenso wie die der Ausstellungsräume und Ruhebereiche. Die Ausstellungen sind natürlich auch sehr wichtig. Die Tretjakow-Galerie wagt sich auch an schwierigste Projekte und versucht, Exponate aus allen Teilen der Welt zusammenzutragen. Besonders beeindruckt haben mich die Ausstellungen von Nikolai Ge und George Costakis und die Retrospektive von Natalija Gontscharowa, bei der auch Werke aus dem Museum Ludwig in Köln gezeigt wurden. Doch so vielversprechend eine Ausstellung auch sein mag, es kommt auch darauf an, wie sie präsentiert wird. Technik spielt dabei eine große Rolle. Heute wollen die Besucher nicht auf ihre technischen Spielereien verzichten. Eine Ausstellung ohne Technik wäre undenkbar. Daher schaue ich mir unsere Projekte genau an und werde überlegen, wie wir die Ausstellungen maximal effektiv und attraktiv für die Besucher gestalten können.

Die Neue Tretjakow-Galerie in der Uliza Krimskij Wal gilt als unübersichtlich. Viele Besucher wissen nicht, wo sie zum Beispiel Avantgarde-Schätze wie „Das schwarze Quadrat" von Kasimir Malewitsch oder Werke des Sozialistischen Realismus finden können.

Ja, das stimmt. Im Ausstellungszentrum Zentrales Haus des Künstlers – ZDCh – befindet sich neben der Neuen Tretjakow-Galerie noch ein weiteres Museum. Viele Besucher finden daher nicht den Weg in die Galerie. Wir sind uns dieses Problems bewusst und arbeiten gemeinsam mit der Moskauer Stadtregierung an einem Kultur-Cluster mit einer ausgedehnten Fußgängerzone. Darin sollen die Neue Tretjakow-Galerie, der Park Museon sowie der Gorki-Park mit dem Garage-Museum für Zeitgenössische Kunst vereint werden. Das Garage-Museum eröffnet übrigens im Juni ein neues Ausstellungsgebäude, das einem Projekt von Rem Koolhaas gewidmet ist.

Weltweit finden häufig Ausstellungen zur russischen Avantgarde statt. Doch die Sammlung russischer Gemälde von Pawel Tretjakow, dem Gründer der Galerie, ist im Westen nahezu unbekannt. Wollen Sie ihn bekannter machen?

Nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi wurde die Avantgarde zu einem beinahe offiziellen Aushängeschild für Russland. Derzeit finden regelmäßig Ausstellungen dazu überall auf der Welt statt. Die Tretjakow-Sammlung hat aber noch mehr zu bieten. Die russische Kunst und vor allem jene der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird weltweit unterschätzt. Dabei könnte man diese Epoche als „Das Goldene Zeitalter der russischen Malerei" bezeichnen. Ich kann mich noch an den grandiosen Erfolg der Ausstellung „Das Goldene Zeitalter der dänischen Malerei" im Metropolitan Museum of Art erinnern, mit Werken aus jener Epoche. Ich bin mir sicher, dass eine entsprechende Ausstellung russischer Kunst auch zu einem Verkaufshit werden könnte. Ich hoffe, dass ich in Zukunft ein solches Projekt realisieren kann.

Werden Sie die Zusammenarbeit mit internationalen Museen fortsetzen?

Auf jeden Fall. Wir werden die Zusammenarbeit verstärken und uns darum bemühen, an wichtigen Projekten teilzunehmen. Ein Bespiel dafür war die vor kurzem gezeigte Ausstellung von Kasimir Malewitschs Werken in der Tate Gallery of Modern Art in London.

Die Sanktionen haben übrigens keine Auswirkung auf unsere gemeinsame Arbeit. Kein Museum in Westeuropa oder den USA hat erklärt, dass es nicht an Projekten in Russland mitwirken möchte. Im Gegenteil – in den vergangenen Tagen habe ich viele Glückwünsche von Kollegen aus aller Welt bekommen. Ich freue mich über ihre Unterstützung und Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

Sie waren die Co-Kuratorin der Ausstellung „RUSSIA!" im Guggenheim-Museum in New York, die als meistbesuchte Ausstellung in die Geschichte des Museum einging. Welches Ihrer internationalen Projekte bedeutet Ihnen am meisten?

Das ist schwer zu sagen. Wenn es nach der Besucherzahl geht, dann war es die Ausstellung „Amazons of the Avant-Garde" mit insgesamt 923 000 Besuchern an vier Ausstellungsorten in Europa und den USA. Wenn es aber um den Ausstellungsort und die Gemälde geht, dann war die Ausstellung „Realismi Socialisti" (zu Deutsch: sozialistischer Realismus) in Rom die bedeutendste für mich. Dort wurden sieben Werke von Gelij Korschew in atemberaubend schönen Sälen mit einzigartiger Architektur ausgestellt. Das war ein passender Rahmen für die Meisterwerke eines so großen und außerordentlichen Künstlers. Aktuell arbeite ich übrigens an einer Retrospektive zu Korschew. Für diese werden wir beispielsweise Werke aus Minneapolis bekommen. Dort befinden sich seine schönsten Gemälde.

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