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Die Fabergé-Saga:
Vom Untergang zweier Imperien

Kaum ein Juwelier und Europäer wurde in Russland so bewundert wie Carl Fabergé. Er belieferte Adlige und den Zarenhof. Doch der Untergang der Monarchie brachte auch die Firma Fabergé zu Fall.
Als Sohn eines Juweliers brachte er die Firma seines Vaters zu Weltruhm und erwarb die Gunst des Zaren. Doch am Ende wurde seine enge Bindung zu Russland Carl Fabergé zum Verhängnis.
Im Jahr 1883 gibt Zar Alexander III. zwei zikadenförmige Manschettenknöpfe bei einem gewissen Carl Fabergé in Auftrag. Der junge Juwelier hatte die Aufmerksamkeit des Zaren während der Russischen Industrieausstellung auf sich gezogen, die ein Jahr zuvor in Moskau stattfand.

So begann das erste Kapitel einer langen Geschichte der Freundschaft zwischen dem Haus der Romanows und einem Mann, dessen Name bald für den Glanz und die Größe des Russischen Kaiserreichs stehen würde. Mit dem Ausbruch der Oktoberrevolution dreißig Jahre später fand die Geschichte ein jähes Ende.

Doch zuvor durchlebte das Kaiserreich eine Phase des Friedens und der Stabilität, eine Ära von industriellem Wachstum, Wohlstand und Überfluss, gekennzeichnet durch große künstlerische Leistungen. Um dem anspruchsvollen Geschmack ihrer Kunden gerecht zu werden, besannen sich die russischen Juweliere ihrer Wurzeln, kehrten von europäischen Standards ab und versuchten ihren Arbeiten einen authentischen Touch zu verleihen.

Schmuck und Edelmetalle waren zu jener Zeit fester Bestandteil des Alltags russischer Adeliger und Angehöriger der Zarenfamilie. Für Fabergé war das die Stunde der Gunst und Gloria.
Links: Porträt von Zar Alexander III., 1899. Foto: Wikipedia.org
Rechts oben: Die Russische Industrieausstellung in Moskau, 1882. Foto: Wikipedia.org
Rechts unten: Zar Alexander III mit seiner Familie. Foto: Wikipedia.org
Der herausragende Erfolg des 1842 von Gustav Fabergé gegründeten Juweliergeschäfts geht wohl auch auf seinen Standort im Herzen Sankt Petersburgs zurück, größtenteils aber auf die hervorragende Qualität, die es bot. Allerdings sei angemerkt, dass Fabergé senior zwar ein geschickter Juwelier, aber für seine Zeit nicht allzu innovativ gewesen ist, wie seine persönlichen Entwürfe, die bis heute erhalten sind, belegen.

Im Jahr 1872 übernahm sein ältester Sohn Peter Carl Fabergé die Führung des Familienunternehmens. „Ungeachtet seines jungen Alters – er war gerade 26 – war Carl ein erfahrener Juwelier. Er hatte in Europa studiert und Reisen nach Deutschland, Frankreich und Italien unternommen, wo er das Beste vom Besten an Traditionen und Know-how aufgriff", erzählt Caroline Charron, Buchautorin von „Fabergé: de la cour du tsar à l'exil" (zu Deutsch: „Fabergé: Vom Hof des Zaren ins Exil"). Während seiner Zeit in Europa lernte Carl mit dekorativem Glas, Opal, Amethyst und anderen Materialien umzugehen, die von den Juwelieren seiner Zeit eher selten verwendet wurden.

Um auch die traditionelle Handwerkskunst zu erlernen, bot Fabergé seine Dienste der Eremitage in Sankt Petersburg an. Kostenlos reparierte und restaurierte er die Juwelensammlung des Museums und erlangte auf diese Weise schließlich die alten Handwerkstechniken. Einige Jahre später führte er mit Unterstützung seines Bruders Agathon und einem exzellenten Team an Dekorateuren und Kunsthandwerkern sein Unternehmen an die Spitze.
Lieferant des Zarenhofs
Im Jahr 1884 wurde Fabergé zum Lieferanten des Zarenhofs und damit, wie man heute sagen würde, zu einem Big Player im Geschäft. Dabei war sein Geheimnis wirklich einfach: Carl legte größten Wert auf die Qualität seiner Materialien. Zudem musste die Verarbeitung seiner Erzeugnisse absolut perfekt sein, bevor sie die Werkstatt verlassen durften. „Seine Stärke war auch seine Genialität: Fabergé verstand es, die europäische Kunst und Kultur mit russischen Traditionen zu verbinden", erläutert Caroline Charron den Unternehmenserfolg.

Anders als andere Juweliere verwendete Fabergé nicht pures Gold allein, sondern erlaubte sich, hin und wieder Legierungen von weißem und grauem Gold einzufügen. An den Edelsteinen schätzte er deren ästhetischen Wert stets mehr als ihren aktuellen Preis. Dank der innovativen Lackiertechnik seines Unternehmens wiesen seine Erzeugnisse eineinzigartiges Aussehen auf und die Verwendung halbedler Steine – ein außergewöhnlicher Kunstgriff zu seiner Zeit – garantierte seinen Produkten stets wettbewerbsfähige Preise.
Die Zarin Maria Fjodorowna. Foto: Vostock Photo
Die Zarin Maria Fjodorowna, Ehegattin Alexanders III., hatte einen Sinn für Diamanten und Smaragde. 1885 kreierte Carl Fabergé auf Bestellung des Zaren für sie das erste seiner berühmten Ostereier. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein lackiertes weißes Ei. Im Inneren enthält es aber goldenes Eigelb. Inmitten des Dotters befindet sich eine Henne mit einer Miniaturkrone aus Diamanten und Miniatureiern aus Rubinen. Die Zarin war von dem Geschenk derart entzückt, dass der Zar mit Fabergé eine Vereinbarung über die Lieferung von einem Osterei pro Jahr traf.

Die Tradition überlebte den Kaiser und ging an seinen Sohn und Nachfolger Nikolaj II. über. Von den insgesamt 71 Eiern, die das Unternehmen kreierte, waren 52 für die Zarenfamilie bestimmt. Zusätzlich erhielt das Haus Fabergé Aufträge anlässlich besonderer Zeremonien, wie etwa die offizielle Krönung Nikolajs II. im Jahr 1894 oder das offizielle Jubiläum zur 300-jährigen Regentschaft der Romanows im Jahr 1913.
Vorabend eines turbulenten Jahrhunderts
Aus Dankbarkeit für die Bemühungen des Juweliers half die Zarenfamilie eine Ausstellung seiner Arbeiten zu organisieren. Im März 1902 fand sie statt – das glorreiche Ereignis in der Unternehmensgeschichte dauerte zwei Tage. Ausgestellt wurden Fabergés Arbeiten für die Zarinnen Maria und Alexandra Fedorowna sowie für andere Angehörige der Zarenfamilie.

Neben den berühmten Eiern fertigte das Haus Fabergé vielfältige andere Juwelen, Statuen und Geschirr aus Edelmetallen. Jedes Stück ist ein Meisterstück für sich. Fabergé wurde nicht nur innerhalb des Russischen Reiches, sondern auch über seine Grenzen hinaus hoch geschätzt: Seine Erzeugnisse dienten oft als Geschenk für europäische Königshäuser. Bald eröffnete Fabergé Niederlassungen in Moskau, Odessa, Kiew und London und lieferte auch an den König von Siam oder die britischen Royals.

Ein weiterer Erfolgsfaktor des Unternehmens war das Marketing- und Managementgeschick von Carl Fabergé. Laut dessen Biografen Walentin Skurlow hatte der Mann ein Gespür für die besten Kunsthandwerker und Handelsvertreter. Um auch Kunden aus entfernten Regionen den Zugang zu seinen Produkten zu eröffnen, lieferte er Warenkataloge an sie aus. Bis zum Jahr 1914 stellte sein Imperium nahezu 100 000 einzigartige Arbeiten her.


Dennoch musste das Unternehmen bald einen schweren Schlag hinnehmen. Während des Ersten Weltkriegs brach der Konsum von Luxusgütern ein und die Gewinne von Fabergé wurden durch eine Reihe von Niederlagen zunichte gemacht. Wie viele andere vom Konflikt betroffene Unternehmen versuchte auch Fabergé seine Produktion auf die Bedürfnisse des Militärs umzustellen. Er nahm Aufträge der Armee zur Herstellung von Offiziersabzeichen an.

Doch die traumhafte Saga des Hauses Fabergé endete mit der Abdankung von Nikolaj II. und dem Sturz der russischen Monarchie. Die neue Regierung der Bolschewiki erklärte einen Krieg gegen das alte Regime und begann mit der Auslöschung aller Spuren des Kapitalismus.
Fabergé lebt weiter
Die meisten von Fabergés Kunden flohen außer Landes, andere wurden verhaftet. Das Unternehmen wurde verstaatlicht und seine Niederlassungen geschlossen. Auch Carl verließ Russland im September 1918. Zwei Jahre später verstarb der Unternehmer in der Schweiz. Seines Lebenswerks beraubt hatte er in der neuen Welt keinen Platz gefunden.

Zwei Jahre nach seinem Tod gründeten die Söhne Alexander und Ewgenij Fabergé ihr eigenes Unternehmen in Paris, das sie Fabergé et Cie nannten. Dem Erfolg ihres Vaters, des Juweliers des russischen Zaren, wurden sie allerdings nicht gerecht.

Die unschätzbaren Arbeiten des Hauses Fabergé begeistern nach wie vor Luxusliebhaber und Kunstsammler. Im Jahr 2007 wurde das Rothschild-Ei von Carl Fabergé bei Christie's für 12,5 Millionen Euro versteigert, wodurch es zum teuersten Objekt des russischen Kunsthandwerks aller Zeiten geworden ist.

Die Marke Fabergé lebt weiter. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts verkauften Alexander und Ewgenij sie an Samuel Rubin, der das auf Düfte spezialisierte Unternehmen Fabergé Inc. gründete. Es wurde später mehrere Male weiterverkauft, bis es schließlich 2012 von der Firma Gemfields für 142 Millionen US-Dollar übernommen wurde.

3 Fakten über Fabergé

  • Ein Fabergé-Museum, das dem russischen Milliardär Wiktor Wekselberg gehört, wurde am 19. November 2013 im Schuwalow-Schloss in Sankt Petersburg eröffnet. Das Schloss befand sich bis Mitte der 2000er-Jahre in einem desolaten Zustand. Die Restaurierung des Gebäudes kostete mehr als 27 Millionen Euro. Die Grundlage der Ausstellung bildet die Privatsammlung Wekselbergs. Sie besteht aus ungefähr 4 000 Werken der dekorativen angewandten Kunst, inklusive einer Sammlung von Fabergé-Eiern, die 2004 von den Erben des US-Magnaten Malcolm Forbes an den russischen Oligarchen verkauft wurden.
  • Heute existieren 62 Eier aus insgesamt 71 bekannten Schmuckstücken. Aus der Kollektion des Zaren, die 54 Fabergé-Eier umfasst, sind bis heute acht Stück verschollen. Die meisten Eier befinden sich in Museen in Russland und den USA.
  • Wie viele Fabergé-Eier genau hergestellt worden sind, ist nicht bekannt, weil nur die Zarenkollektion dokumentiert ist. Vor einigen Jahren sorgte der Verkauf des sogenannten Rothschild-Eies für Aufsehen. Dieses war ein ganzes Jahrhundert lang unbemerkt von der Öffentlichkeit aufbewahrt worden.

Das Kuckucksei aus der Privatsammlung von Wiktor Wekselberg. Foto: Pressebild

Text: Flora Moussa.
Hauptbild: Carlos Octavio Urango / Flickr.com
Design und Layout: Jekaterina Tschipurenko.

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