Google-Fragen: Warum wird Moskau das „Dritte Rom“ genannt?

„Wie wird Wodka ...?“, „Warum ist Putin ...?“ – in der Reihe „Google-Fragen“ gibt RBTH Antworten auf die beliebtesten Suchmaschinen-Anfragen über Russland. Diesmal erklären wir, warum Russen ihre Hauptstadt als „Drittes Rom“ bezeichnen.

/ Varvara Grankova/ Varvara Grankova

Für Moskau gibt es in Russland viele Ausdrücke. Einige sind voller Ehrerbietung. So wird Moskau gerne „erstthronig“ genannt, weil es zur ersten Hauptstadt des jungen russischen Staates wurde, oder „goldköpfig“ wegen seiner vielen Klöster mit ihren goldenen Kuppeln. Andere sind eher spöttischer Natur, wie zum Beispiel „Moskau ist kein Gummi“ – was bedeutet, dass die Stadt nicht Platz für alle hat, die hier leben möchten. Moskau wird auch gerne als „großes Dorf“ bezeichnet. Eine der ungewöhnlichsten und zugleich bekanntesten Bezeichnungen aber geht auf das Mittelalter zurück und lautet: „Drittes Rom“. Was hat es damit auf sich?

Erbe von Rom und Konstantinopel

Geprägt hat den Ausdruck der orthodoxe Mönch Filofei im 16. Jahrhundert. In seinen Schreiben an den Moskauer Großfürsten rief er diesen dazu auf, gegen Ketzerei vorzugehen. Das Moskauer Fürstentum, so erklärte der Mönch, sei die letzte Hochburg des echten Glaubens. „Alle christlichen Zarenreiche sind am Ende und werden sich im Zarenreich unseres Herrschers vereinen“, schrieb Filofei kämpferisch und fügte hinzu: „Zwei Römerstädte sind gefallen, die dritte steht und eine vierte wird es nicht geben.“

Laut Filofei war das Erste Rom die eigentliche Hauptstadt des Römischen Reiches, die Dutzende Völker beherbergte. Im 14. Jahrhundert wurde das Christentum allmählich die dominierende Religion in den ursprünglich heidnischen Regionen und Rom wurde zur christlichen Hauptstadt der Welt. Sein Erbe ging an Konstantinopel über, der Hauptstadt des byzantinischen Reiches, in der nach einer Spaltung in die katholische und orthodoxe Kirche im elften Jahrhundert der orthodoxe Glaube die Oberhand gewonnen hatte. Vom Standpunkt der Orthodoxen verfiel das katholische Rom in Ketzerei und so wurde Konstantinopel zur orthodoxen Hauptstadt und somit zum „Zweiten Rom“. 

Nach der Taufe Russlands im zehnten Jahrhundert erkannten die Russen den byzantinischen Kaiser als Beschützer aller Christen an, wie die Historikerin Swetlana Lurje erzählt. Doch nach einigen Jahrhunderten existierte auch das Zweite Rom nicht mehr: 1453 eroberte das Osmanische Reich das durch politische Krisen geschwächte Konstantinopel und benannte es in Istanbul um. Zur orthodoxen Hauptstadt wurde nun Moskau erhoben, das im 15. und 16. Jahrhundert gerade einzelne russische Gebiete vereinte. 

Eine vergessene Idee

Die Idee des Dritten Roms werde im Westen oft als Erklärung für die sowjetische und später auch russische Außenpolitik benutzt, schreibt der US-Historiker Marshall Poe in seinem Buch „Moscow, the Third Rome: The Origins and Transformations of a Pivotal Moment“. So beabsichtige Russland, wie früher die Römer, ein neues Imperium zu errichten. Diesen Ansatz hält der Historiker aber für falsch: „Die Idee eines dritten Reichs sagt nichts über Langzeittendenzen in der russischen Außenpolitik oder über die russische Mentalität aus.“  

Ohnehin werde die Bedeutung dieser Idee überschätzt, findet Poe. Nach der Erwähnung des Dritten Roms durch den Mönch Filofei sei das Konzept für drei Jahrhunderte in Vergessenheit geraten. Das russische Reich erweiterte sich, doch nicht wegen des Traums von einem orthodoxen Imperium, sondern aus pragmatischen Gründen, beispielsweise weil um Ressourcen und den Zugang zum Meer gekämpft wurde.

Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belebte Zar Alexander II. die Idee Filofeis wieder – damals wurde der Brief des Mönchs in einer großen Auflage herausgegeben. Das Konzept von Moskau als Drittem Rom wurde später von russischen Panslawisten benutzt, die von der Vereinigung aller slawischen Völker innerhalb des Russischen Reiches träumten. Doch mit der Revolution 1917 und der Machtübernahme durch die Kommunisten gingen die panslawischen Ideen unter.  

„Die Stadt auf sieben Hügeln“

Außer dem Status einer kaiserlichen Hauptstadt, der seinen Ursprung im Mittelalter hat, haben Moskau und Rom nicht viel gemeinsam: Die Architektur der russischen Hauptstadt ist anders, das Klima rauer. Doch es heißt, dass Moskau genauso wie Rom auf sieben Hügeln stehe.

Was nicht der Wirklichkeit entspricht, wie der Historiker und Moskaukenner Alexander Frolow erklärt: In den Chroniken seien nur kleine Höhen erwähnt. Der einzige Hügel in Moskau ist der Borowitzky-Hügel, auf dem der Moskauer Kreml steht. Alles andere sei eine schöne Legende, sagt der Historiker. „Ein romantisches Fantasiegebilde von Leuten, die sich sehr gewünscht haben, Moskau als Drittes Rom zu bezeichnen“, erklärt Frolow.  

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