Der Erste Hip-Hopper Russlands Wladimir Majakowski

Kultur
OLEG JEGOROW
Der ehemalige russische Kulturminister Wladimir Medinski nannte Majakowski „den ersten Hip-Hopper Russlands“. Hat er recht oder ist diese Aussage übertrieben?

Natürlich war Wladimir Majakowski kein Hip-Hopper, sondern Dichter. Dennoch kann man die Aussage des ehemaligen russischen Kulturministers Wladimir Medinski nachvollziehen, wenn man sich mit Majakowskis Poesie auseinandersetzt.

1. Seine Gedichte erinnern an Hip-Hop

Das Wichtigste vorab: Majakowskis Gedichte haben einen sehr besonderen Rhythmus. Sein Markzeichen besteht darin, die Sätze wiederholt zu unterbrechen und sie in kurze, scharfe Verse zu teilen. Sie klingen auf Russisch sehr hart, die englische Übersetzung hilft jedoch zu verstehen, warum Majakowski dem Rap so ähnelt.

Auszug aus „Eine Wolke in Hosen“, übersetzt aus dem Russischen ins Englische von Andrej Kneller:

Medinski ist bei Weitem nicht der Einzige, der Majakovski „den ersten Hip-Hopper“ Russlands nennt. MCs lesen gerne seine Gedichte vor, und wenn man die Quelle nicht kennt, ist es schwer zwischen Majakowski und zeitgenössischem Hip-Hop zu unterscheiden. Die Texte des russischen Hip-Hops sind allerdings nur halb so gut.

2. Majakowski stand als Jugendlicher mit dem Gesetz im Konflikt

Hip-Hop-Stars stehen oft mit dem Gesetz im Konflikt, das galt auch für Majakowski. Als hingebungsvoller Sozialist schloss er sich im Jahr 1908 der revolutionären bolschewistischen Partei an. Mehrere Monate lang kämpften Majakowski und seine „Kameraden“ gegen das zaristische Regime in den Straßen Moskaus und organisierten beispielsweise die größte Flucht aus einem Frauengefängnis in der Geschichte Russlands.

In Majakowskis Fall gewann jedoch das Gesetz die Oberhand. Die Polizei inhaftierte den jungen Revolutionär und steckte ihn für elf Monate ins Gefängnis. Nur sein junges Alter rettete ihn vor einer härteren Strafe.

Diese Zeit war für den freiheitsliebenden Majakowski besonders schwer, schreibt sein Biograf Dmitri Bykow. „Es wird klar, dass er den Gedanken, wieder ins Gefängnis zu gehen, nicht ertragen konnte.“ Also beschloss Majakowski sich dem zaristischen System, das er verabscheute, künftig nur in seinen Reimen zu widersetzen.

3. Majakowski hatte Stil und lebte gern

Was die Mode angeht, hatte der junge Majakowski einen extravaganten Stil und trug, nachdem er sich den futuristischen Dichtern angeschlossen hatte auf der Bühne eine selbst gemachte gelbe Bluse und verspottete das Publikum beim Lesen seiner brandneuen Gedichte. Manchmal machte er den bourgeoisen Teil des Publikums so wütend, dass sie ihn von der Bühne buhten.

„Es war unmöglich, ihn nicht zu lieben“, erinnert sich (rus) sein Kollege Wassili Kaminski. „Während er auf der Bühne stand, machte er immer Witze, stellte Flaschen auf seinen Zylinder und gab vor, ein Seiltänzer zu sein.“

Mit der Zeit tauschte Majakowski seine extravagante Bluse in einen Anzug und dann in eine Arbeiterjacke um. Nichtsdestotrotz blieb er seiner Stilsicherheit treu und liebte es, Geld auszugeben. So brachte er aus Frankreich im Jahr 1928 einen Renault für seine langjährige Muse Lilja Brik mit. Das kostete ihn zwar ein Vermögen, seine Geliebte war zu diesem Zeitpunkt die einzige sowjetische Frau in Moskau, die ein eigenes Auto hatte.

4. Majakowski war wütend und verärgerte seine Dichterkollegen

Majakowskis frühe Lyrik wie das Gedicht „Du“ aus dem Jahr 1915, die dem belanglosen, oberflächlichen Dasein der Reichen gewidmet ist, ist so voller Hass, dass es glatt aus Eminems neues Album sein könnte:

Ich soll mein Leben für euch geben,

Ihr Liebhaber von Frauen, Fleisch, Abendessen und Autos?

Ich würde lieber in Moskauer Bars mit den Huren Ananassaft saufen!

Nach der Oktoberrevolution von 1917 klang Majakowski als ein hingebungsvoller Bolschewik etwas glücklicher in seinen Werken, behielt jedoch seine Wut bei, die er von nun an auf den Kapitalismus richtete. Ebenso fuhr er fort, jene Dichter zu beleidigen, deren Arbeiten er „klassenlos“ oder als schlecht betrachtete, wie die des anderen berühmten Dichters seiner Zeit, Sergei Jessini. Der ländliche, verwurzelte und patriotische Vers verfasste. Majakowski bezeichnete ihn als „Balalaikaspieler“ und verspottete seine Lyrik.

5. Majakowski beendete sein Leben auf brutale Art und Weise

Einige amerikanische Hip-Hop-Helden wie Tupac Shakur oder Notorious B.I.G. wurden in Bandenkriegen erschossen. Majakowski erschoss sich im Jahr 1930, als Folge einer langen Fehde mit sich selbst. Jahrelang widersprachen seine Vorstellungen von Revolution und der sozialistischen Zukunft der sowjetischen Realität, die zunehmend bürokratisierend und bedrückend wurde. Majakowski versuchte zwar, sich in die neue stalinistische Gesellschaft einzufügen, jedoch vergeblich.

„Zwölf Jahre nach der Revolution von 1917 tötete Majakowski, der Mann, Majakowski den Dichter in sich“, schrieb (rus) die Dichterin Marina Zwetajewa in ihren Erinnerungen. „Im letzten Jahr stand der Dichter auf und tötete den Mann."

Tragisch wurde das Leben vieler kreativer Genies beendet, sei es aus dem Hip-Hop, Rock oder anderer Musikrichtungen.

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