Im Internet kursiert seit langem ein Foto, das angeblich Alexander Puschkin abbildet. Es handelt sich um eine Daguerreotypie, die der Legende nach von ihrem Erfinder Louis Daguerre 1836 in St. Petersburg angefertigt wurde. Darauf ist ein lockig behaarter Mann zu sehen, der tatsächlich Ähnlichkeit mit den berühmten Bildnissen des großen Dichters hat. Aber er ist es nicht.
Den Mythos vom „einzigen Porträt zu Lebzeiten“ zu widerlegen, ist ganz einfach. Zu Lebzeiten des Dichters wurde zwar mit Daguerreotypien experimentiert, aber die umfassende Verbreitung dieses Verfahrens zur Fixierung der Realität erfolgte erst 1839, zwei Jahre nach Puschkins Tod.
Außerdem war das Aufnahmeverfahren selbst zu dieser Zeit nicht ideal: Um ein Foto von nicht gerade hoher Schärfe anzufertigen, musste man mehrere Tage lang ein Bild aufnehmen (mit der so genannten langsamen Verschlusszeit). Das Motiv durfte sich nicht bewegen, sonst wäre das Foto unscharf geworden. Natürlich hätte kein Mensch so lange stillsitzen können.
Und schließlich gibt es keine Beweise dafür, dass Puschkin Louis Daguerre jemals getroffen hat.
Die kanonischen Porträts von Puschkin wurden von den berühmten russischen Künstlern Orest Kiprenskij und Wassilij Tropinin gemalt.
Porträt von Puschkin (1827, Orest Kiprenskij)
Tretjakow-GalerieSelbst enge Verwandte des Dichters bemerkten die verblüffende Ähnlichkeit der Porträts mit dem Original. Sie erwähnten jedoch auch, dass Puschkins Aussehen auf ihnen „etwas“ verschönert wurde.
Porträt von Puschkin (1827, Wassilij Tropinin)
Allrussisches Museum von A. S. Puschkin, St. PetersburgTropinin zum Beispiel fertigte eine Skizze für das Porträt an. Und auf ihr ist der Dichter noch ohne „Filter“ abgebildet.
Skizze des Porträts von Puschkin (1827, Wassilij Tropinin)
Allrussisches Museum von A. S. Puschkin, St. PetersburgZeitgenossen erwähnten das lockige braune Haar des Dichters, Koteletten, die sie „schrecklich“ nannten, sowie eine ziemlich große Nase. Eine von Puschkins Musen, Anna Olenina, beschrieb es in seinen Memoiren so: „Gott, der ihm nur das Genie verlieh, belohnte ihn nicht mit einem attraktiven Äußeren ... Das mohrenhafte Profil, das von der Generation seiner Mutter stammt, schmückte sein Gesicht nicht. Dazu kamen schreckliche Koteletten, zerzaustes Haar, Nägel wie Krallen und eine kleine Statur.“
Als „kleinwüchsig“ bezeichnete Olenina die Körpergröße von 166,7 cm, obwohl dies zu jener Zeit in Europa als durchschnittlich für einen Mann angesehen wurde.
Ein weiterer populärer Mythos über Puschkins Aussehen ist seine afrikanische Herkunft. Es ist bekannt, dass der Urgroßvater des Dichters ein Äthiopier namens Abraham Hannibal war, der als Sklave nach Russland gebracht wurde, wo er verblieb. Den Zeitgenossen fielen die eher dunkelhäutige Haut des Dichters und die vollen Lippen auf, aber „afrikanisch“ war er nur zu einem Achtel. Außerdem war Puschkin sehr blass, er bekam schnell starken Sonnenbrand, so dass viele ihn oft als ziemlich dunkelhäutig sahen. Übrigens ging der Dichter wegen dieses Problems im Frühling und Sommer ständig unter einem Regenschirm durch die Straßen. Darüber hinaus hatte Puschkin, was für Äthiopier nicht ungewöhnlich ist, hellblaue Augen.
Der Dichter selbst beschrieb sein Aussehen übrigens mit diesen Worten: In den Aufzeichnungen des Lyzeums bezeichnete er sich selbst als „eine Mischung aus einem Affen und einem Tiger“. Tatsächlich wurden in der Vergangenheit in Russland so Franzosen charakterisiert und keineswegs Menschen mit einem unattraktiven Aussehen. Es ist nicht bekannt, ob Puschkin selbstkritisch war oder ob er wirklich dachte, er sähe aus wie ein Franzose.
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