Zum Beispiel haben Mitglieder der Beatles einmal in Yellow Submarine „mitgespielt“ und das Aussehen der Hauptfigur in Disneys Die kleine Meerjungfrau verlieh die junge Schauspielerin Alyssa Milano (Wer ist hier der Boss?). Auch die sowjetischen Zeichentrickfilmer bilden hier keine Ausnahme – sie haben für ihren Cartoons oft die Stars des Weltkinos „eingeladen“.
Charlie Chaplin und andere Legenden des Stummfilms (Eine von vielen, 1927)
In den frühen 1920er Jahren verehrten die sowjetischen Zuschauer, wie der Rest der Welt, die Hollywood-Stars Mary Pickford und Douglas Fairbanks – diese spielten nicht nur zusammen, sondern waren auch Mann und Frau. Die Pikfordomanie erreichte ihren Höhepunkt, als das Paar im Sommer 1926 die Sowjetunion besuchte. Über die Ankunft wurde in der Presse ausführlich berichtet, die Stars wurden von Scharen von Fans belagert.
Der Animationsfilm Odná is mnógich (dt.: Eine von vielen) von Nikolai Chodatajew, einem der Begründer des sowjetischen Animationsfilms, ist eine direkte Reaktion auf diese Ereignisse. Der spielerische Prolog verwendet Wochenschau-Aufnahmen von Pickford und Fairbanks in Moskau. In der Geschichte schläft eine junge Anhängerin, nachdem sie ihre Idole persönlich gesehen hat, zu Hause auf der Couch ein und findet sich in ihrem Traum in Hollywood wieder – oder besser gesagt, direkt in den Episoden ihrer Lieblingsfilme. Neben Pickford und Fairbanks trifft sie auch Buster Keaton als Höhlenmensch, Harold Lloyd am Steuer eines Autos... Und natürlich den Tramp Charlie Chaplin! Die Animatoren haben seinen charakteristischen Gang und seine charakteristische Drehung um sich selbst nachgeahmt. Sie brachten sogar den Gag zu einem logischen Ende, den Chaplin selbst in der Realität nicht machen konnte – ein Bein, wie aus Gummi, wickelt sich um das andere Bein.
Marcello Mastroianni und Jean-Paul Belmondo (Himmel in der Hütte, 1966)
Fast vierzig Jahre später verwendete der Regisseur Iwan Aksentschuk in seinem Animationsfilm Raj w schalasché (dt.: Himmel in der Hütte) denselben Handlungsstrang. Es ist eine bissige Miniatur, die sich über überfürsorgliche Eltern und ihre geliebten Kinder lustig macht. So träumt ein solches Mädchen, dessen ganze Wand mit Fotos ausländischer Stars behängt ist, dass es Hand in Hand mit Berühmtheiten vor der Kulisse amerikanischer Wolkenkratzer und des Eiffelturms spazieren geht.
Die Zeiten hatten sich zwar geändert – das Hollywood-Kino drang nur noch selten auf sowjetische Leinwände vor, aber es wurde viel Italienisches und Französisches gezeigt. Deshalb spaziert eine Filmliebhaberin mit Fernandel in einem Bowlerhut, mit Jean-Paul Belmondo in einem Sombrero, mit Alberto Sordi in Stiefeln und mit Marcello Mastroianni in einem eleganten Anzug. Jeder gibt ihr eine Rose und nur Mastroianni schenkt ihr ein Herz. Er schnitzt es buchstäblich aus seiner Brust.
Und noch einmal Charlie Chaplin! (Der blaue Welpe, 1976)
Die Mode ist flüchtig, Pickford und Fairbanks waren bald vergessen und wurden durch neue Stars ersetzt. Doch die Liebe zu Charlie Chaplin überdauerte die Zeit.
Der Animationsfilm Golubój Schtschenok (dt.: Der blaue Welpe) von Jefim Gamburg – eine anrührende Geschichte über Einsamkeit und Anderssein – ist formal eine Adaption eines Märchens des ungarischen Schriftstellers Gyula Urban im Genre des Musicals. Die Arie des Sägefischs, vorgetragen vom „Großvater des russischen Rock“ Alexander Gradskij, ist immer noch ein Hit. Alisa Freidlich, der Star aus Andrej Tarkowskijs Stalker und Eldar Rjasanows Liebe im Büro, gab dem Welpen eine Stimme. Und die Katze wurde von Andrej Mironow, dem Star einer der größten sowjetischen Komödien Der Brillanten-Arm, gesprochen.
Und das visuelle Erscheinungsbild des Blauen Welpen ist direkt von Charlie dem Strolch inspiriert. Der gleiche übergroße Bowler, der gleiche unerschütterliche Optimismus.
Jean Gabin, Paul Newman und Yul Brynner (Polygon; 1977)
Diesmal handelt es sich nicht um eine Karikatur. In dem Sci-Fi-Thriller Polygon, der auf einer Geschichte von Sewer Gansovskij basiert, werden Weltberühmtheiten mit maximaler äußerer Ähnlichkeit nachgebildet. Wie der Regisseur Anatolij Petrow, der auch der Drehbuchautor und der Hauptzeichner (Animator) des Films war, erklärt, geschah dies aus zwei Gründen. Erstens, damit der Zuschauer, der vertraute Gesichter sieht, schnell einen Bezug zur Geschichte herstellen kann. Zweitens, damit die Zensur nicht nach Anspielungen auf reale politische Figuren suchen würde.
Die Handlung spielt auf einer tropischen Insel, wo ein bestimmtes kapitalistisches Land eine neue Geheimwaffe testet – einen Panzer, der die Angst des Opfers spürt und daher immer weiß, wohin er schießen muss. „Jean Gabin“ ist ein General, einer der wichtigsten Anti-Helden des Films. „Paul Newman“ und „Yul Brynner“ sind seine Untergebenen. Und die Hauptfigur, der von Rachedurst getriebene Erfinder des Panzers selbst, hat das Aussehen von Mel Ferrer.
Marlon Brando, Alain Delon sowie erneut Jean Gabin und Marcello Mastroianni (Bankraub auf...; 1978)
Ein weiterer Zeichentrickfilm von Jefim Gamburg, der immer noch zu den Lieblingen des russischen Publikums gehört. Ograblénije po... (dt.: Bankrauf auf...) ist eine Reihe von vier Parodien auf Banküberfall-Filme verschiedener Länder. In dem amerikanischen Teil spielt Marlon Brando einen korrupten Polizisten und Kirk Douglas tanzt einen Striptease in umgekehrter Reihenfolge, das heißt er zieht sich zur Musik an.
Im französischen Teil plant ein ehemaliger Dieb mit dem Gesicht von Jean Gabin zusammen mit Alain Delon und Brigitte Bardot einen Banküberfall und natürlich wollen sich alle Bandenmitglieder gegenseitig betrügen. Im italienischen Teil führt Marcello Mastroianni natürlich Selbstgespräche, aber das Verbrechen klappt nicht, denn ganz Rom ist wie eine große Kommunálka (Gemeinschaftswohnung). Es gibt natürlich auch einen russischen Teil – mit den Stars des sowjetischen Kinos.
Und als Bonus:
Christopher Lees Cameo als Dracula! (Die Insel, 1973)
In Fjodor Chitruks Óstrow (dt.: Die Insel), einem der mit den meisten Auszeichnungen gehrten sowjetischen Animationsfilme (u.a. erhielt er die Goldene Palme in Cannes), taucht für den Bruchteil einer Sekunde Christopher Lee mit seinen Vampirzähnen auf.
Der Filmheld Robinson liest eine Zeitung und da ist das Cover des Magazins Fantastic Monsters of the Films zu sehen.