Deutsche der russischen Macht: Karriere im Zarenreich (Teil 2)

RBTH
Im zweiten Teil der Serie stellt RBTH Deutsche vor, die im 19. Jahrhundert in Russland Karriere machten. Sie dienten im Militär und lenkten die Geschicke des Landes in schwierigen Zeiten.

Im 19. Jahrhundert blühten das Russische Kaiserreich und damit auch der Austausch mit Westeuropa, insbesondere Deutschland, richtig auf. Um Industrialisierung und wirtschaftliches Wachstum voranzutreiben, wurden Spezialisten ins Land geholt, deutsche Bauern bestellten infolge eines Erlasses von Katharina II. die Felder der Wolgaregion. Die weitverbreitete Heiratspolitik führte zudem zu einer Vielzahl von deutsch-russischen Familien. Beispiele dafür gibt es reihenweise, auch in der russischen Politik.

Militärheld und Gouverneur bekämpft Feinde und Seuchen


Pjotr Essen. Foto: wikimedia.orgPjotr Essen. Foto: wikimedia.org1817 kam Pjotr Essen als Gouverneur und Generalleutnant in das Gebiet der noch jungen Festungsstadt Orenburg in Südrussland. Er stammte aus einer baltendeutschen Adelsfamilie aus Pärnu im heutigen Estland. Im russischen Militär hatte er sich schnell einen Namen gemacht. Unter anderem im Schweiz-Feldzug unter General Rimskij-Korsakow gegen die Franzosen, im Krieg gegen die Türken sowie im Großen Vaterländischen Krieg gegen Napoleon, wo er mit den ihm unterstellten Einheiten über Dresden und Metz bis Paris vorrückte, konnte er sich beweisen. Nach der steilen Karriere beim Militär wurde der mit dem Verdienstorden ausgezeichnete Essen am 15. März 1817 Gouverneur Orenburgs. Seine Brüder Egor und Fjodor dienten zu dieser Zeit bereits dort in der Armee.

Neben dem Ausbau der Stadt widmete sich Essen vor allem der Bewaldung der Steppen, um die Staubstürme in den Trockenzeiten zu vermeiden. 1829 besuchte der deutsche Gelehrte Alexander von Humboldt den Gouverneur in Orenburg, bevor er in den Süd-Ural weiterreiste. Im selben Jahr noch wurde Orenburg von der Cholera heimgesucht und zeitweise unter Quarantäne gestellt.

Oranburg. Foto: wikimedia.orgOrenburg. Foto: wikimedia.org

1830 wurde Essen als Generalgouverneur nach Sankt Petersburg abberufen, wo er aufgrund seiner Erfahrung sofort erneut in den Kampf gegen die Cholera ziehen musste. Nach Orenburg kam derweil Pawel Suchtelen, ein in Sankt Petersburg geborener Nachfahre einer holländischen Kaufmannsfamilie. 

Familienbande zwischen norddeutschem Moor, Newa und Wolga

Georg von Oldenburg. Foto: wikimedia.orgGeorg von Oldenburg. Foto: wikimedia.orgNoch engere und direktere Kontakte pflegte das niedersächsische Oldenburg mit dem Zarenhof und letztlich ganz konkret mit der Wolga-Stadt Twer. Viele Vertreter des Hauses Oldenburg, in Russland liebevoll Oldenburger Prinzen genannt, dienten in der Zarenarmee oder der russischen Verwaltung. Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg war ein Cousin Zarin Katharinas der Großen und floh 1811 vor Napoleon aus Oldenburg nach Russland, wo sein jüngster Sohn Georg von Oldenburg bereits bei der Mutter lebte – der Herzogin Friederike Elisabeth Amalie Augusta von Württemberg, Schwester Maria Fjodorownas, der Frau Pawel I.

Jekaterina Pawlowna. Foto: wikimedia.orgJekaterina Pawlowna. Foto: wikimedia.orgGeorg absolvierte sein Studium an der Leipziger Universität und trat in den Militärdienst der Zarenarmee in Estland ein. 1809 heiratete er die Schwester des Zaren Alexander I., Jekaterina Pawlowna, und wurde noch im selben Jahr zum Gouverneur der Gouvernements Nowgorod, Jaroslawl und Twer ernannt. Zudem wurde er als Oberbefehlshaber in der Abteilung für Wasserverkehr eingesetzt.

Zeitgleich zu Oldenburgs Amtszeit begann Karl Rossi seine Karriere als Architekt in Twer, noch bevor er nach Sankt Petersburg ging. Im Auftrag des Gouverneurs restaurierte er unter anderem den Zaren-Reisepalast am Ufer der Wolga, heute die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt und Heimat der Gemäldegalerie. Während des Großen Vaterländischen Krieges betreute von Oldenburg in Twer Lazarette, wo er sich 1812 mit dem Typhus-Virus ansteckte und starb.

Jaroslawl. Foto: wikimedia.orgJaroslawl. Foto: wikimedia.org

Ein Deutscher zwischen Slawentum und Diplomatie

General Essen aus Orenburg kam also 1830 als Generalgouverneur und Mitglied des Staatsrats nach Sankt Petersburg, bekämpfte auch hier erfolgreich die Cholera-Epidemie und bekam dafür den Titel eines Grafen verliehen. Er trat 1842 aus Altersgründen von seinen Posten zurück. Nahezu zeitgleich dienten derweil Vater und Großvater von Alexander Gilferding bereits unter dem Zaren. Lange Zeit lebte die aus Deutschland stammende Familie aus dienstlichen Gründen in Warschau, wo Alexander geboren wurde.

Alexander Gilferding. Foto: wikimedia.orgAlexander Gilferding. Foto: wikimedia.orgDer junge Gilferding studierte Geschichte und Philologie in Moskau, wo er Anschluss in der Slawophilen-Bewegung fand. Seinen Vater Fjodor, derweil zum Direktor der Abteilung für innere Beziehungen, später zum Leiter des Staatsarchivs beim Außenministerium ernannt, konnte er ebenso für das Slawentum begeistern. Alexander selbst ging nach Abschluss seines Studiums in die Asien-Abteilung des Außenministeriums. Seine ersten wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte er zum „Kampf der Slawen gegen die Deutschen im Baltikum und am Nordmeer“ und wurde damit zu einem der ersten Wissenschaftler und Diplomaten, die das Thema der Balten und Slawen überhaupt aufgriffen. Zwei Jahre, von 1857 bis 1859, war er russischer Konsul in Bosnien und studierte gleichzeitig die Südslawen. Er wurde Chef der Asien-Abteilung und publizierte während der polnischen Aufstände in den 1860er-Jahren zur polnischen Frage. Dabei lebte er zurückgezogen in einem Dorf im Twerer Gouvernement zwischen den Großstädten Moskau und Sankt Petersburg.

Als Mitglied der Petersburger Gesellschaft für Geografie und Vorsitzender der dort ansässigen ethnografischen Abteilung sowie der Sankt Petersburger Filiale des Slawischen Wohltätigkeitskomitees organisierte Gilferding 1867 gemeinsam mit anderen Vordenkern der Slawophilen ein großes Slawistentreffen in Moskau. In den Jahren darauf folgten Forschungsreisen ins Gebiet bei Archangelsk. Bei einer dieser Expeditionen erkrankte auch er an Typhus und starb im Alter von nur 40 Jahren innerhalb weniger Tage im Norden Russlands.

Deutsche der russischen Macht: Karriere im Zarenreich (Teil 1)

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