Tragödie der Redlichkeit

Mit dem Wettbewerbsfilm „Dolgaya Schastlivaya Zhizn“ von Boris Chlebnikow ist ein russischer Beitrag auf der diesjährigen Berlinale vertreten. Der engagierte Film zeigt ein persönliches Schicksal inmitten von Korruption und Habgier.

Spielszenen aus dem Film „Dolgaya Schastlivaya Zhizn" (A Long and Happy Life) Foto: Kinopoisk.ru

 „Ich bin als ein glückliches Sowjetkind in dem Moskauer Plattenbaubezirk Jasenewo geboren und aufgewachsen. Meine Eltern arbeiteten an einem Institut für ‚Planwirtschaft‛, so sollte auch mein Leben eine durchplante Laufbahn nehmen", das sagt Anastasia Vinokurowa, eine junge Russin (*1977), die eine der vielen erfolgreichen Teilnehmerinnen des 11. Talent Campus bei der diesjährigen Berlinale ist.

Die etwa gleichaltrige Hauptfigur „Sascha" Sergeevich würde das bis zum Ende des Films „Dolgaya Schastlivaya Zhizn" (A Long and Happy Life) von

Boris Chlebnikow (*1972) sicherlich nicht von sich behaupten. Denn der Bauer Sascha, gespielt von Alexander Jatsenko, hätte zwar alle Chancen gehabt, ein langes und glückliches Leben zu führen auf seiner Kolchose, in einer wild-romantischen Gegend auf der Halbinsel Kola: Er hätte reich werden können, wenn er diesen schönen Flecken Erde entweder an profitgierige Provinzbeamte oder an einen geschäftstüchtigen Privatmann verkauft hätte und mit seiner hübschen Freundin Anja (Anna Kotowa) in die Stadt gezogen wäre. Doch der Film endet dann doch sehr traurig. „Zurzeit sind effektive Manager einfach besser dran in der russischen Wirtschaft. Es ist besser etwas zu kaufen und wieder zu verkaufen als etwas zu erzeugen. Bauer zu sein lohnt sich heute also nicht mehr", sagt Regisseur Chlebnikow. Aber in seinem Film lässt sich Sascha, der nur noch die Ernte einbringen will, bevor er sein Stück Land verlässt, von seinen Arbeitern mit dem Satz „Gib uns nicht auf!" überzeugen, dass er bleiben muss. Doch im Laufe der Zeit werden alle – seine Kumpels, seine Vertrauten und seine Geliebte – sich von ihm abwenden, weil auch bei ihnen der Gedanke des Eigennutzes stärker ist als die Redlichkeit. Und so nimmt denn die Tragödie eines aufrechten Mannes, der sich dem Sumpf aus Korruption und Habgier nicht ergeben will, ihren Lauf.

Es ist nicht einfach, mit so einem „dunklen" Drama Erfolg zu haben, zumal, wie sich in der an den Film anschließenden Pressekonferenz zeigte, den meisten Journalisten die Situation im heutigen Russland nicht recht klar werden wollte. Dazu sagte der Regisseur: „Ich wollte keinen politischen Film machen, wohl aber einen sozial engagierten. Ich wollte eine persönliche Lage auf eine emotionale Weise schildern. Die Situation eines ordentlichen Menschen, der trotz allen guten Willens zum Verbrecher werden kann, aber ich wollte keine Aussage über den postsowjetischen Raum machen."

Auf die Frage, ob er sich geehrt fühle, nun schon zum dritten Mal Gast auf der „Berlinale" zu sein, klingt seine Antwort ein wenig sibyllinisch: „Das Geheimnis ist doch: Keinen Erfolg machen zu wollen, das geht nicht. Man kann nur Freude haben, wenn man eine solche Art der Arbeit machen darf. Finanzielle Probleme hatte ich dabei nicht, da meine Koktebel Film Company vom russischen Kulturministerium unterstützt wurde." „Koktebel", so hieß der erste Film, mit dem Boris Chlebnikow zusammen mir seinem Koregisseur Alexei Popogrebski schon 2004 beim „Internationalen Forum des jungen Films" Erfolg hatte. Daran erinnert Chlebnikow, wenn er sagt: „Es ist sehr angenehm, wieder in Berlin zu sein wie schon vor neun Jahren und dann 2010 nochmals mit unserem Film ‚How I Ended This Summer‛ (Regie: Alexei Popogrebski). Was wir damals nur geträumt haben, ist jetzt Wahrheit geworden: Wir sind im Wettbewerb der Berlinale dabei."

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