Triest und Alexandria, das sind Namen von Hafenstädten mit einer nahezu mythischen Patina. Und nehmen wir ruhig den Schwarzmeerhafen Odessa hinzu als ein Symbol multikulturellen Lebens mit starkem jüdischen Anteil. Im Zauber der Jahrhundertwende auferstehen lässt die Stadt nun die Erstübersetzung eines Romans, der 1936 auf Russisch im französischen Exil erschien: „Die Fünf" des 1940 in New York verstorbenen Journalisten und Zionisten Vladimir Jabotinsky.
Jabotinsky etabliert darin ein wehmütig grundiertes Bild des alten Odessa, das damals schon so nicht mehr existierte, einer Utopie nicht unähnlich, ohne jedoch die Schattenseiten wie die Drangsalierung der jüdischen Studentenschaft und die in der Umgebung stattfindenden Pogrome zu verschweigen. Solche Erfahrungen machten aus Jabotinsky einen überzeugten Zionisten. Mit feinem Sensorium beschreibt er die gesellschaftlichen Konflikte, die 1905 zur Revolution führen werden.
Die Fünf, das sind die Kinder einer ungewöhnlichen, liberalen Kaufmannsfamilie, mit der sich der Ich-Erzähler, Alter Ego des Autors, anfreundet. Sie stehen für unterschiedliche Lebensentwürfe jener Zeit: Ihr Glück hoffen sie in einer Liebesheirat oder einer geistreichen ironischen Haltung zu finden, im revolutionären Kampf oder dem Streben nach Wissen. Mit der ältesten Schwester Marussja erschafft Jabotinsky eine der bezauberndsten Frauengestalten der Literatur seiner Zeit.
„Die Fünf" ist eine großartige literarische Entdeckung, die sich nahtlos in die Reihe kürzlich erschienener Romane einfügt wie Agejews „Roman mit Kokain" (Manesse), Gaito Gasdanows „Das Phantom des Alexander Wolf" (Hanser) und Wsewolod Petrows „Die Manon Lescaut von Turdej" (Weidle Verlag). Die russische Exilliteratur des 20. Jahrhunderts, sie besteht nicht nur aus Vladimir Nabokov, sondern hat auch sonst noch einiges zu bieten.
Vladimir Jabotinsky: „Die Fünf". Roman, aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt und Jekatherina Lebedewa, 350 Seiten, Die Andere Bibliothek, Berlin 2013, 36 Euro
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