Hinter den Kulissen des Bolschoi-Theaters. Foto: Corbis
Teilweise überschlagen sich die Ereignisse, es passiert viel Unvorhergesehenes und Überraschendes. So wurde in diesem Jahr in Dutzenden akademischen und kulturellen Einrichtungen die Führung ausgewechselt. Das berühmteste Beispiel war das Staatliche Puschkin-Museum für bildende Künste, wo die Kuratorin der Modernen Künste Marina Loschak die jahrzehntelange Direktorin Irina Antonowa abwechselte.
Sankt Petersburg zog wiederholt durch kleinere und größere Skandale die Aufmerksamkeit auf sich. Kompliziert ist die Situation auch dadurch, dass lokale Fundamentalisten, wie Kommunisten, „Kosaken" sowie die einfach konservative und wenig gebildete Masse sich vehement gegen jede nicht-traditionelle Kunst stellen. So hatte beispielsweise das jährliche LGBT (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans) -Filmfestival „Bok-o-bok" (russ.: „Seite an Seite"), große Schwierigkeiten, da es gebrandmarkt wurde und von Verbotsversuchen bedroht war. Das ist sogar bis zu einem gewissen Grad verständlich, da es für ein Land, in dem das Wort Homosexueller bislang als Schimpfwort galt, schon ein ungewöhnliches Ereignis ist. Doch das Festival hat stattgefunden, und das allein ist bereits schon beeindruckend. Es beginnt sich etwas zu verändern. Ebenfalls in Sankt Petersburg beleidigten Radikale den weltberühmten Regisseur Lew Dodin, in dem sie ihn der Anbiederung an den Westen bezichtigten.
In Moskau hingegen baut man in direkter Kreml-Nähe einen Park nach einem avantgardistischen amerikanischen Projekt. Die Moskauer stürmten massenweise die Ausstellung zum 400-jährigen Jubiläum der Romanows mit Heiligenbildern, Reliquien und Porträts des Herrscherhauses. Eine nicht geringere Menge an Menschen nahm an der Nacht der Museen teil, wo die Kunst durchaus weltlich und nicht offiziös ist.
Es existieren mindestens genauso viele moderne wie klassische Festivals. Jeder Massenfilm wird von der Premiere eines neuen Arthouse-Kultfilms begleitet. Auf jedes Kreml-Konzert mit Pop-Stars kommen zehn oder gar zwanzig Konzerte in Clubs, für die man keine Tickets bekommt.
Russland HEUTE blickt zurück auf einige der kontroversesten Ereignisse in der russischen Kulturszene des Jahres 2013.
Intrigen und Skandale am Bolschoi-Theater
Das berühmte Moskauer Bolschoi-Theater wurde im vergangenen Jahr heftig durchgeschüttelt. Intrigen über Intrigen beherrschten das Geschehen im Haus. Dem Intendanten der Ballettgruppe Sergej Filin wurde Säure ins Gesicht geschüttet. Daraufhin wurde der Solist der Ballettgruppe Pawel Dmitritschenko mit Verdacht des Anschlags gegen Filin verhaftet. Vor kurzem wurde Dmitritschenko zu sechs Jahren Haft verurteilt. Sergej Filin selbst schob die Prima-Ballerina Swetlana Sacharowa in die zweite Truppe in der Onegin-Premjere ab, wo sie die Tatjana tanzte.
Aus Verärgerung beschwerte sich Sacharowa bei Präsident Putin persönlich über diese Degradierung. Als Ergebnis dessen wurde der Direktor des Theaters Anatolij Iksanow entlassen. Vor Kurzem beklagte sich die amerikanische Tänzerin Joy Womack, die unlängst im Bolschoi gekündigt hatte, über Filin und beschuldigte ihn und seine Umgebung,
Hauptrollen in den Ballettstücken nur gegen Schmiergeld zu vergeben. Entlassen wurde der Startänzer Nikolaj Ziskaridse, der gegen seine Konkurrenten antrat, und sie gegen ihn. Die endlosen Skandale zeugen von einer ernsten Führungskrise im Bolschoi. Es ist unwahrscheinlich, dass das Vorzeigetheater des Landes unter diesen Bedingungen einen reibungslosen künstlerischen Betrieb gewährleisten kann. Wesentlich entspannter stellt sich da schon die Situation am Staatlichen Akademischen Mariinski-Theater in Sankt Petersburg dar. Hier wurde die sehnsüchtig erwartete zweite Bühne im Mai dieses Jahres feierlich eröffnet.
Abendlich-nächtliche Kulturnächte
Die Kulturverantwortlichen in der Stadt Moskau arbeiten hart und mit viel Elan daran, Moskau stärker an das kulturelle Weltgeschehen heranzuführen. Dazu gehören die Rekonstruktion und Ausrichtung der Moskauer Parks an aktuelle Trends genauso wie die Schaffung von Fußgängerzonen im Stadtzentrum.
Ebenso kann man hierzu die beliebten abendlich-nächtlichen Festivals im Laufe des Jahres zählen: eine Museumsnacht, eine Lesenacht, eine Musiknacht und eine Kunstnacht gehörten dazu. Das Hauptziel dieser Veranstaltungen besteht darin, die Bewohner Moskaus auf originelle Weise an die Kunst heranzuführen und sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
Park in Sarjadje
Gleich hinter dem Moskauer Kreml gibt es eine Freifläche mit dem Namen Sarjadje. Heute ist das eine Freifläche, doch vom 12. bis zum 18. Jahrhundert gab es dort so etwas wie einen Markt, auf dem man mit Waren
handelte, die auf dem Moskau-Fluss in die Stadt gelangten. Nach dem Feldzug Napoleons, als Moskau abbrannte, begann man an dieser Stelle Wohnhäuser zu bauen, während Mitte des 19. Jahrhunderts dieser Platz zu einem jüdischen Ghetto wurde, denn es war der einzige Ort, wo jüdische Händler siedeln durften.
In der Sowjetzeit stand hier ein vielstöckiges Hotel, das 2006-2007 abgerissen wurde. Damit wurde Sarjadje zu einer unbebauten Fläche. 2012 schlug Präsident Putin vor, an dieser Stelle einen Park zu schaffen. Die Ausschreibung gewann das amerikanische Architekturbüro Diller Scofidion + Renfro, das zuvor einen grandiosen Park entlang der Schwebebahn Highline in New York erschaffen hatte. Obwohl die Moskauer Parks zusehends moderner werden, gibt es keinen Park, der ein ähnliches Niveau hätte wie der in Sarjadje geplante.
Fabergé-Museum in Sankt Petersburg
Der russische Oligarch Wiktor Wekselberg eröffnete in Sankt Petersburg ein privates Fabergé-Museum. Insgesamt gibt es in dem Museum, das sich im Schuwalowskij-Prachtschloss am Ufer des Fontanka-Flusses befindet, etwa 4.000 Ausstellungsstücke.
Außer den Juwelierarbeiten von Carl Fabergé, zu denen auch die berühmten Ostereier gehören, existieren in der Exposition auch Dekorativarbeiten anderer russischer Juweliere, sowie Bilder von Wladimir Makowski, Iwan Aiwasowski, Karl Brjullow, Konstantin Korowin und Pierre Auguste Renoir.
„Stalingrad" – Film des Jahres
„Stalingrad" von Fjodor Bondartschuk ist einer der wichtigsten Filme des Jahres. Er ist patriotisch, teuer und, was nicht unwichtig ist, ein Kassenschlager.
Seine Produktion hat etwa 23 Millionen Euro gekostet. Diese Ausgaben wurden allerdings bereits innerhalb der ersten elf Tage wiedereingefahren und das trotz viel negativer Kritik aufgrund mehrerer historischer Detail-Fehler.
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