Russische Spiele aus der Vergangenheit

Gorodki war das Lieblingsspiel der Bolschewiken. Foto: ITAR-TASS

Gorodki war das Lieblingsspiel der Bolschewiken. Foto: ITAR-TASS

In diesen Tagen kämpfen die russischen Sportler bei den Olympischen Spielen in Sotschi um Medaillen. Sport und Spiel haben in Russland eine lange Tradition. Russland HEUTE stellt drei historische Spiele vor.

Vor einigen Jahren zog einer meiner Freunde in die USA. Dort mietete er zusammen mit russischen Landsleuten ein Haus. Sie stammten alle aus verschiedenen Regionen Russlands. Doch sie alle kannten ein Spiel, das sie gerne gemeinsam spielten: „Messer“. Dabei wird für jeden Spieler ein Gebiet abgesteckt. Nun wird versucht, das Messer in die gegnerische Erde zu stecken, um einen Teil des Gebiets „abzuschneiden“.

Was so kriegerisch wirkt, hat einen friedlichen Hintergrund: „Messer“ geht zurück auf „Swajka“, ein Spiel, das im vorrevolutionären Russland beliebt war.


Swajka – Spiel mit historischer Bedeutung

Bild: Chrisrian Geißler

Swajka war ein beliebtes Spiel unter Bauern ebenso wie unter Adeligen, bei dem man durch das Werfen eines Stabes möglichst viele auf dem Boden liegende Ringe in der Mitte treffen musste. In dem Spiel sahen manche Russen eine geschlechtliche Symbolik: In vorchristlichen Zeiten standen der Ring für Weiblichkeit und der Stab für Männlichkeit.

Das Spiel wird aber auch mit einer großen Wende in der russischen Geschichte in Verbindung gebracht. Der jüngste Sohn von Zar Iwan dem Schrecklichen, Zarewitsch Dmitrij, war schwach und litt an Epilepsie. Als Dmitrij gerade erst neun Jahre alt war, soll er während eines Swajka-Spiels einen Anfall bekommen und sich tödlich verletzt haben. In der russischen Bevölkerung zweifelte man an dieser Version der Geschichte. Es gab Gerüchte, die Bojaren, die unter Iwan dem Schrecklichen verfolgt wurden, hätten den Prinzen aus Rache getötet. Der Tod Dimitrijs stand am Anfang einer dynastischen Krise, die mit der Machtübernahme durch die Romanow-Dynastie endete. Das Spiel Swajka wurde in diesen Zeiten allmählich zum heutigen Spiel „Messer“.


Lapta – Ursprung des Baseballs

Lapta ist ein Schlagballspiel, das dem Baseball so stark ähnelt, dass im Jahr 1935 das Moskauer Politbüro offiziell verlauten ließ, Baseball sei eine russische Erfindung. Lapta wurde bereits im frühen 18. Jahrhundert von Zar Peter dem Großen zur körperlichen Ertüchtigung in der russischen Armee eingeführt. Die Initiative des Zaren hielt lange an: Bis ins 20. Jahrhundert hinein spielte man beim Militär Lapta.

Beim Lapta spielen zwei Mannschaften gegeneinander: Eine schlägt den Ball mit einem flachen Schläger aus Holz, während die andere versucht, ihn zu fangen und Mitglieder des Schlag-Teams zu berühren. Wer Lapta spielen will, muss körperlich fit sein.

Noch heute gehört Lapta zu den beliebtesten Spielen von Schülern und Studenten und wird nicht nur in den Städten und Vororten gerne gespielt. Nachdem es in den fünfziger Jahren schon einmal für kurze Zeit offizielle Wettkämpfe gab, veranstaltet der russische Lapta-Verband seit den 1990er-Jahren wieder Lapta-Wettbewerbe in den meisten Regionen Russlands.


Gorodki – Lieblingsspiel Stalins

Josef Stalin spielt Gorodki. Foto: RIA-Novosti

Das Spiel soll im 18. Jahrhundert von Russen erfunden worden sein. Ziel des Spiels ist es, eine Gruppe von Holzklötzchen, die in verschiedenen Mustern angeordnet sind, mit einem Wurfstock aus dem Feld zu schlagen.

Gorodki war beim einfachen Volk sehr beliebt, aber nicht beim Adel – mit Ausnahme des Militärs. Der deutsche Künstler Christian Geißler, der zu dieser Zeit in Sankt Petersburg als Zeichenlehrer arbeitete, schrieb über Gorodki: „Dieses Spiel erfordert erhebliche Kraft. Es wird von starken, robusten Menschen gespielt, die auf dem rauen Land leben.“

Gorodki wurde zum Lieblingsspiel der Bolschewiken. Lenin soll während seiner letzten Lebensjahre jeden Abend stundenlang Gorodki gespielt haben. Noch mehr Begeisterung für dieses Spiel soll allerdings Josef Stalin gezeigt haben. „Billard, Kegeln, Gorodki – alle Sportarten, die ein scharfes Auge erforderten, waren etwas für meinen Vater“, erinnerte sich Stalins Tochter Swetlana Allilujewa.

In Stalins Landhaus gab es sogar ein Gorodki-Spielfeld. Maler Eugene Katzmann, der Stalin dort besuchte, erzählte: „Josef Stalin war beim Gorodki der Beste. Wenn er mit einem Schläger zielte, nahm sein Gesicht einen besonders energischen Ausdruck an, als ob er bei einem Parteitag für seine Meinung kämpfte.“ Stalin soll oft gegenüber Gästen mit seinen Fertigkeiten beim Spiel geprahlt haben. Heute ist Gorodki auch international bekannt.

Info:

 

Spielregeln von Swajka

Die Regeln dieses traditionellen Spiels sind einfach. Ein dicker Eisenring mit fünf Zentimetern Durchmesser wird auf den Boden gelegt. Ein spitzer Eisenstab, Swayka genannt, wird in Richtung des Rings geworfen. Das Ziel ist es, dass der Stab das Innere des Rings trifft und im Boden stecken bleibt. Das Gewicht des Stabes ist vom Alter der Spieler abhängig: 765 Gramm bei Kindern und 1 980 Gramm bei Erwachsenen.

Gorodki im 20. Jahrhundert

Seit den 1930er-Jahren wurden in der UdSSR jährlich Gorodki-Wettbewerbe veranstaltet. In den 1970er-Jahren spielten mehr als 300 000 Menschen dieses Spiel. Als das Ende der sowjetischen Macht kam, nahm die Beliebtheit des Spiels ab, doch in den 1990er-Jahren erlebte es einen neuen Aufschwung. Spät zeigte auch die russische Führungselite ihre Vorliebe für Gorodki: 2006 sah man Wladimir Putin mit einem Schläger in der Hand in Ischewsk, und 2012 führte der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin vor, was er konnte, als er eines der schwierigsten Muster überhaupt mit einem Wurf aus dem Feld schlug.

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