Die letzte Schlacht der Kosaken

Die Kosaken kämpften im 20. Jahrhundert unerbittlich für ihre Sache. Foto: Getty Images / Fotobank

Die Kosaken kämpften im 20. Jahrhundert unerbittlich für ihre Sache. Foto: Getty Images / Fotobank

Das Schicksal der Kosaken im 20. Jahrhundert war äußerst tragisch: Sie waren Opfer, Sieger und Verbrecher. Kriege und Revolutionen zerschlugen die Kosaken, doch einige gaben den Kampf nicht auf: Egal, auf welcher Seite sie standen, sie kämpften immer für ihre Sache.

An einem heißen Sommertag im Jahr 1914 schlug es in einer russischen Kosakensiedlung Alarm. Aus der ganzen Gegend kamen Kosaken zusammen, in den Händen hielten sie kleine rote Fahnen – das Signal für die Mobilisierung. Als sie auftauchten, ließen die Menschen ihre Arbeit auf dem Feld liegen und eilten in ihre Häuser, um ihre Waffen zu holen und in den Ersten Weltkrieg zu ziehen, der das Schicksal ganz Russlands verändern sollte.

„Die Gutsherren werden wir nicht verteidigen"

Die Kosaken, von denen zur Jahrhundertwende noch ungefähr vier Millionen gezählt wurden, pflegten seit Jahrhunderten die militärische Tradition in ihren Familien – sie waren ausgezeichnete Reiter, geschickte und furchtlose Krieger. Ihre Loyalität gegenüber dem Zaren wurde durch eine nahezu vollständige Befreiung von allen Steuern und Abgaben entlohnt. Zudem erhielten sie kostenlose Bildung und medizinische Versorgung. Die Masse der einfachen Kosaken lebte allerdings in Armut. Ihre einzige Einnahmequelle war der Boden, den sie entweder selbst bearbeiteten oder verpachteten. Der Boden wurde allerdings durch die Anführer der Kosaken-Streitkräfte nicht gleichmäßig verteilt.

Kosaken, als deren oberster Ataman der Thronnachfolger galt, waren eine der wichtigsten Stützen des Herrscherhauses. Sie wurden häufig eingesetzt, um Demonstrationen auseinanderzutreiben, beispielsweise während der Revolution 1905, als sie die Aufstände der Arbeiter und Bauern unterdrücken sollten. Ein Teil der Kosaken weigerte sich jedoch, gegen das Volk vorzugehen und die Gutsherren zu verteidigen. Ins Elend getrieben, begehrten Kosaken in einigen Siedlungen sogar gegen die Staatsgewalt auf. Und nur wenige Jahre später begann der Erste Weltkrieg.

Die Spaltung des Kosakentums

Die Nachricht vom Kosaken Kosma Krjutschkow, der zusammen mit drei Kameraden einen aus 27 Soldaten bestehenden deutschen Kavallerie-Zug aufrieb, durcheilte ganz Europa. Krjutschkow war der Erste, der im Ersten Weltkrieg für seine Tapferkeit mit dem Kreuz des Heiligen Georg ausgezeichnet wurde. Insgesamt wurden mit diesem Orden im Ersten Weltkrieg mehr als 120 000 Kosaken geehrt.

Währenddessen verfielen die Kosakensiedlungen, die von ihren Eigentümern den Familienmitgliedern überlassen worden waren, mehr und mehr. Die Herrschenden verloren die Unterstützung der Kosaken endgültig, als die Revolution im Februar 1917 begann – einige Kosaken-Abteilungen, die zum Niederschlagen von Demonstrationen eingesetzt wurden, weigerten sich nicht nur, diesen Befehl auszuführen, sondern liefen auch auf die Seite der Aufständischen über. Im Oktober 1917 wurde die Übergangsregierung unter Kerenskij von den Bolschewiken gestürzt, denen sich viele Kosaken aus Sankt Petersburg anschlossen.

Die Revolution spaltete das Kosakentum. Das erste Dekret der Sowjets wurde von den meisten armen Kosaken mit Zustimmung aufgenommen: Die Bolschewiken verkündeten den Ausstieg Russlands aus dem Krieg und versprachen, den Kosaken Grund und Boden zu geben sowie sich nicht in deren innere Angelegenheiten einzumischen, wenn diese nicht gegen die Sowjetmacht aufbegehren würden. Und doch entstand das Zentrum des Widerstandes gegen die Sowjets ausgerechnet im Herzen des Kosaken-Russlands, an den Ufern des Don.

Kosakenheer gegen Rote Armee

1918 führte der aus einer Offiziersfamilie stammende Kosaken-General Pjotr Krasnow den Widerstand der Streitkräfte der Don-Armee an, der furchterregendsten und unabhängigsten Kosaken-Armee. Krasnow annullierte das Dekret der Bolschewiken und erklärte den Grund und Boden der Kosaken zum selbstständigen Staat und sich selbst zum Herrscher. Doch gegen die Rote Armee kam das Heer nicht an: Zwischen 25 000 und 40 000 Kosaken wurden von den Roten erschossen, weitere 30 000 in die Verbannung geschickt.

Krasnow übermittelte dem deutschen Kaiser ein Telegramm mit dem Angebot einer Zusammenarbeit im Gegenzug zur Anerkennung seines „Staates". Berlin sendete Krasnow daraufhin mehrere Waggons mit Waffen, aber nach dem Rückzug der Deutschen zerfiel Krasnows „Zarenreich" und er war gezwungen, zu fliehen. 1920 war der Kosaken-Aufstand endgültig niedergeschlagen.

Die Bolschewiken begannen das Kosakentum als Stand, der der Sowjetmacht feindlich gegenüberstand, zu bekämpfen. Die Kosaken wurden standrechtlich erschossen oder zusammen mit ihrer gesamten Familie in die Verbannung geschickt, um ihre soziale Gemeinschaft „auszudünnen". 1922 ging der Grund und Boden, der den Kosaken-Streitkräften gehörte, in den Bestand der Sowjetrepubliken auf. Aber das bedeutete mitnichten das Ende des Kosakentums.

Der innere Feind

Ende der Dreißigerjahre bereitete sich die Sowjetunion auf den Krieg vor. Die Beschränkungen für den Wehrdienst der Kosaken in der Roten Armee wurden aufgehoben und es wurde erlaubt, die Kosaken-Uniform zu tragen. Die verarmten Kosaken zogen nur mit Hieb- und Stichwaffen sowie mit abgemagerten Ackergäulen in den Krieg – aber dies minderte nicht ihre Tapferkeit: Sie sprangen aus dem Sattel auf die Panzer, verdeckten deren Sehschlitze mit ihren Mänteln und setzten die Panzer mit einem Brandsatz in Flammen. Einige Kavallerie-Divisionen erhielten vor dem Zweiten Weltkrieg den Status einer „Kosaken"-Einheit, auch wenn der Anteil der Kosaken in ihnen eher gering war: Die Feinde wurden allein schon durch das Wort „Kosaken" eingeschüchtert.

Sie kämpften allerdings nicht nur aufseiten der Sowjetunion. Die deutsche Propaganda lockte die Kosaken mit der Möglichkeit, für den verlorenen Bürgerkrieg Revanche zu nehmen, und dem Versprechen, einen unabhängigen Kosakenstaat unter dem Namen „Kosakia" gründen zu können. In der deutschen Wehrmacht dienten sowohl Kosaken-Emigranten als auch die Kosaken-Bevölkerung der annektierten Gebiete. Ihnen schloss sich auch General Krasnow an. Die Kosaken übernahmen Bewachungsaufgaben in den okkupierten Gebieten, kämpften gegen die Rote Armee sowie gegen jugoslawische und italienische Partisanen. Die harten Kriegsjahre brachen nicht nur den Geist vieler Kosaken, sondern befleckten auch deren Ehre – unter dem Befehl des deutschen Generals von Pannwitz nahmen die Kosaken an Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung Osteuropas, an Massenerschießungen und Verwüstungen teil.

Die Rache der Sowjetunion

Im Mai 1945 kapitulierte Deutschland. Dem Kosaken-Korps wurde befohlen, sich über die Alpen nach Österreich zu begeben, um sich den Engländern zu stellen. Churchill, Stalin und Roosevelt kamen darin überein, dass die von den Verbündeten inhaftierten Kosaken ehemalige Bürger der Sowjetunion seien, die aufseiten des Feindes gekämpft haben, und deshalb an die Sowjetunion ausgeliefert werden müssen.

Nachdem die Kosaken unter der Führung Krasnows die Alpen überquert hatten, lieferten sie ihre Waffen ab und wurden in einem Kriegsgefangenenlager in der Nähe der österreichischen Stadt Lienz interniert. Am 28. Mai begann man, die Kosaken an die Sowjetunion auszuliefern. Während eines Gottesdienstes stürzten sich britische Militärangehörige auf die Männer und trieben sie unter Schlägen in Lastkraftwagen, die die Kriegsgefangenen auf das durch die Sowjets okkupierte Gebiet beförderten. Das Ganze zog sich über zwei Wochen hin. Laut unterschiedlichen Quellen wurden zwischen 40 000 und 60 000 Personen übergeben – darunter befanden sich auch Emigranten der ersten Welle, die es zum Zeitpunkt der Übergabe in die Gegend von Lienz verschlagen hatte und von denen ein Teil nicht einmal Kosaken oder zu irgendeinem Zeitpunkt Bürger der Sowjetunion gewesen war. Mehr als eintausend Gefangene, die Widerstand leisteten, wurden erschossen.

Die Kosaken-Anführer, die aufseiten der Deutschen kämpften – Krasnow, Schkuro, von Pannwitz und andere – wurden 1947 hingerichtet. Die herausgegebenen Kriegsgefangenen, unter ihnen auch Frauen, wurden in sowjetische Lager gesteckt und mussten schwere Besserungsarbeit verrichten. 1955 wurden die Überlebenden begnadigt. Sie lebten und arbeiteten in der Sowjetunion, mussten dabei aber ihre Vergangenheit verbergen.

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