Bild: Natalja Michajlenko
In jenen Tagen, als Russland um den in einem Duell tödlich verletzten Alexander Puschkin trauerte, den berühmtesten Poeten seiner Zeit, schrieb der von dessen Tod tief erschütterte 22-jährige Kavallerieoffizier Michail Lermontow einige mutige und sehr gefühlvolle Verse. Lermontow machte in seinem Gedicht „Der Tod des Dichters" die Welt der Schönen und Reichen und die Regierung direkt verantwortlich für den Tod Puschkins. In Sankt Petersburg wurde das Werk mit Begeisterung aufgenommen. Man schrieb es mit der Hand ab und reichte es weiter. Lermontow wurde zu einer Berühmtheit. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Die zaristische Regierung nahm den Freigeist fest und schickte ihn in den Kaukasus nach Georgien, wo zu dieser Zeit ein nicht enden wollender Krieg herrschte.
Lermontow war nicht beeindruckt, denn eine Gelegenheit zum Kämpfen wollte sich nicht ergeben. „Ich hörte zwei oder drei Schüsse, das war alles", beschrieb er seinen unfreiwilligen Aufenthalt im Kaukasus. Dafür kehrte er von dort voller Ideen zurück und mit viel Stoff für seine literarischen Werke.
Bald zog der Dichter erneut die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich. Dieses Mal nahm er an Duellen teil, die in Russland allerdings verboten waren. Wieder wurde er in den Kaukasus verbannt, aber dieses Mal nicht nach Georgien, sondern nach Tschetschenien, und dort musste er wirklich in den Krieg ziehen. Doch auch das schreckte Lermontow nicht.
In den Kämpfen war er nicht zimperlich, er zeigte sich sogar ungewöhnlich mutig. Aber auch im friedlichen Leben teilte er gerne aus – an die, die das Pech hatten, ins Visier des Lermontowschen Spotts zu geraten.
Ein leidenschaftliches Leben
Um Lermontow herum kochten stets die Leidenschaften. Lermontows Mutter starb, als der Junge zwei Jahre alt war. Sie führte eine äußerst unglückliche Ehe und man geht davon aus, dass das schwierige Familienleben zu ihrem frühen Tod beitrug. Der Vater von Lermontow stammte aus einer in Russland heimisch gewordenen schottländischen Familie, deren Stammbaum nach einer Familienlegende bis zu Thomas the Rhymer, Thomas der Reimer, zurückgeführt werden kann, einem schottischen Propheten des 13. Jahrhunderts.
Lermontows Vater gehörte dem Militär an, war nicht vermögend, dafür aber bei den Damen sehr erfolgreich. Nach dem Tod seiner Frau überließ er seinen Sohn seiner wohlhabenden Schwiegermutter zur Erziehung. Er hatte erkannt, dass er im Unterschied zu ihr seinem Sohn wohl kaum eine angemessene Bildung ermöglichen konnte. Die Großmutter vergötterte ihren einzigen Enkel. Die Familientragödie mildern konnte diese Liebe jedoch nicht.
Lermontow hatte eine sehr empfindsame Seele. Seine erste Liebe durchlebte er bereits im Alter von zehn Jahren, die ersten ernstzunehmenden Gedichte verfasste er mit 13. Er hielt sich selbst für frühreif, und seine Dichtungen scheinen ein Beweis dafür zu sein. In gewisser Weise aber blieb er sein ganzes kurzes Leben lang ein Kind. Während seiner Ausbildung in der Schule der Kavallerie-Junker war er der fröhliche Geist der Gesellschaft, mit unerschöpflichem, nicht immer unschuldigem Erfindungsreichtum und Übermut.
Zweifelhafter Humor
Nach dem Studium setzte er seine Vergnügungen fort. Er wollte dem Leben abgewinnen, was es zu bieten hatte, Erfahrungen und Stoff für sein literarisches Werk sammeln, an dem er auch sehr aktiv arbeitete, manchmal mit eher zweifelhaftem Benehmen. So etwa rächte er sich an einem Mädchen, das einst seine Liebe nicht erwidern wollte. Er gab sich erneut verliebt, dieses Mal gewann er ihr Herz, nur um dann ihren Eltern einen anonymen Brief zu schreiben, in dem er sich selbst verleumdete, um die Beziehung zu zerstören. Dieser Witz belustigte ihn zutiefst, er erzählte ihn in Briefen seinen Freunden. Erstaunlicherweise ließ er es dabei nicht bewenden, sondern schaffte es sogar, als Brautführer auf der Hochzeit eben dieser jungen Frau zu erscheinen – freilich bestellt vom Bräutigam.
So zweifelhaft seine Witze und sein Benehmen schienen, so unzweifelhaft war sein Talent. Lermontow war vielfältig begabt, nicht nur literarisch. Er hatte ein feines musikalisches Gespür und war ein großartiger Zeichner. In und Sdas Husaren-Regiment zog ihn wohl sein Traditionsbewusstsein. Die Husaren waren außerdem immer schon von dem Flair der Attraktivität umgeben – und an Selbstbewusstsein, was sein Äußeres betraf, mangelte es Lermontow schon immer. Vielleicht war das einer der Gründe seiner finalen Tragödie.
Während seiner zweiten Verbannung in den Kaukasus, im Sommer 1841, verbrachte Lermontow seinen Urlaub in Pjatigorsk. Dort kam es zu einem schicksalhaften Duell mit einem alten Freund, dem ausgedienten Offizier Nikolai Martynow. Über die Ursache stritt man fast eineinhalb Jahrhunderte. Als gesichert gilt, dass der Auslöser für das Duell Lermontows ständige Witzeleien über Martynow waren, einem offenbar nicht sehr intelligenten, aber recht gut aussehenden Mann. Einige vermuteten, dass der Auslöser Streit um eine Dame, die beide verehrten, war, andere, vor allem in der späteren Sowjetunion, sahen in dem Duell eine Inszenierung von Erfüllungsgehilfen des Zaren, dem der freigeistige Dichter ein Dorn im Auge gewesen sein soll. Wie auch immer die Gründe gewesen sein mochten, Lermontow starb bei dem Duell. Er wurde keine 27 Jahre alt und Russland verlor einen weiteren vielversprechenden Dichter.
„Das Segel“
Geschrieben von dem 18-jährigen Lermontow. „Das Segel“ ist das meist zitierte und beliebteste Gedicht von Michail Lermontow. Es vergleicht metaphorisch die rastlose Seele eines Dichters mit einem gestrandeten Segelboot, das nicht nach Glück sucht, sondern Sturm, „als ob in Stürmen Ruhe wär“.
„Die Maskerade“
Geschrieben im Jahr 1835. Das Drama erzählt die Geschichte eines jungen Adeligen, der sich in Eifersucht und Zockerei verstrickt und schließlich seine Frau ermordet. Lermontow träumte davon, sein Drama auf der Bühne zu sehen, aber es scheiterte an der Zensur – zu leidenschaftlich schien das Stück.
„Der Tod des Dichters“
Geschrieben im Jahr 1837 als eine Antwort auf den Tod von Alexander Puschkin. Das Gedicht erlangte schnell große Berühmtheit in den Petersburger Intellektuellenkreisen und wurde handschriftlich vervielfältigt. Von den Behörden als Zeugnis von „Freidenkertum“ eingestuft, war das Gedicht der Grund für Lermontows Verbannung in den Kaukasus.
„Der Dämon“
Lermontow begann bereits im Alter von 14 Jahren, an diesem Gedicht zu arbeiten. Es gilt als Meisterwerk der europäischen Romantik. Er vollendete es nicht vor seiner Rückkehr aus seiner ersten Verbannung in den Kaukasus im Jahr 1839. Angesiedelt in georgischen Landschaften sind die Verse ein Lobgesang auf die Liebe als Lebenskraft der Natur, die selbst eine dämonische Kreatur verwandeln kann.
„Ein Held unserer Zeit“
Petschorin, der Protagonist in Lermontows einzigem Roman „Ein Held unserer Zeit“ ist ein Antiheld des russischen Dandytums – ein gut aussehender zynischer Fatalist, der gewisse Züge des Autors selbst trägt. Die byroneske Figur des leichtsinnigen und rebellischen Petschorin und die nichtlineare Struktur der Handlung sind die wesentlichen Merkmale dieses Meisterwerks, das ganze Schriftstellergenerationen beeinflusste.
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