Besonderes Highlight bei Feier war die russische Rocknacht. Foto: Dmitry Vachedin
Bei tollem Sommerwetter starteten am Freitag die achten Deutsch-Russischen Festtage. Entgegen der Befürchtungen der Organisatoren erwies sich der Veranstaltungsort nicht als zu abgelegen. Tausende Besucher fanden ihren Weg an den Berliner Stadtrand in den Pferdesportpark Karlshorst. An den vielen Ständen präsentierten sich verschiedene russische Regionen, Bildungseinrichtungen und Vereine. Die Besucher erwartete ein vielfältiges Angebot aus Kultur, Sport und Unterhaltung. Von angespannten deutsch-russischen Beziehungen, wie sie gerade in der Politik herrschen, war nichts zu spüren. In Karlshorst suchten die Menschen den Dialog und das Miteinander.
Literatur für Jedermann
Gleichzeitig mit den Festtagen startete das Kreuzjahr der deutschen und russischen Sprache und Literatur. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung lag daher auf Lesungen, Buchvorstellungen und literarischen Diskussionen. Unter anderem traten im Literaturzelt vier bekannte zeitgenössische Schriftsteller aus Moskau auf: der Bestsellerautor und Redakteur der wichtigsten russischen Literaturzeitung Jurij Poljakow, die Krimiautorin Galina Kulikowa, die Kinderbuchautorin Anna Gontscharowa und der Dichter und Kritiker Wladislaw Artjomow.
Die russischen Schriftsteller Gontscharowa, Poljakow, Kulikowa und Artemow stellen ihre Werke vor (von links nach rechts). Foto: Dmitry Vachedin
Ob Groß oder Klein, für jeden Besucher wurde etwas geboten. Anna Gontscharowa begeisterte vor allem die jüngsten Gäste und sorgte mit ihren Geschichten über eine Waschbärenfamilie für eine warme und herzliche Atmosphäre. Galina Kulikowa musste sich gar nicht erst vorstellen und erklärte ihren begeisterten Fans, wie man in kurzer Zeit über 50 Romane schreiben kann und der Dichter und Chefredakteur des Literaturmagazins „Moskau“, Wladislaw Artjomow, hob die Bedeutung
russischer Literatur für die gesamte Welt hervor. Doch der eigentliche Star des Literaturprogramms war der russische Bestsellerautor Jurij Poljakow, der, wie es sich für russische Schriftsteller gehört, eine klare Meinung zu jedem denkbaren Thema hatte - von dem Zerfall der Sowjetunion bis zu den Unterschieden zwischen einer russischen und einer deutschen Seele. Poljakow findet, dass sich die Ansprüche an russische Literatur gewandelt haben: „Die europäischen Leser möchten keine postmoderne Prosa aus Russland mehr. Gefragt ist Realismus mit einer großen Portion Humor", sagte er.
Eine bunte Mischung
Am Stand des Russischen Hauses für Wissenschaft und Kultur füllt der Besucher Jens einen Fragebogen aus: „Wie gut kennen Sie Russland?“ Nadezhda Semenova und Julia Smirnova, Studentinnen aus Twer, werten seine Antworten aus. Das Ergebnis überrascht Jens: „Ich hätte gar nicht gedacht, dass ich so ein Russland-Kenner bin“. Für die russischsprachigen Gäste gibt es einen eigenen Fragebogen, der so manchen Befragten vor Schwierigkeiten stellt. Nikolaj glaubt sogar, der Fragebogen sei falsch, denn dass „Tutor“ inzwischen ein russisches Wort sei, kann er sich nicht vorstellen. Nadezhda Semenova weiß es besser und hat eine Erklärung: „Die russische Sprache entwickelt sich weiter".
Die einzelnen Stände des Deutsch-Russischen Forums erfreuen sich trotz hohen Temperaturen eines regen Besuchs. Foto: Dmitry Vachedin
Weiter geht es vorbei an Kaviarverkaufsständen und Immobilienverkäufern. Jens hat sich inzwischen Schaschlik und ein Bier gegönnt und ist wieder begeistert: „Bei dem schmeckt der Schaschlik am besten", zeigt er auf einen Mann in einem gestreiften Marinehemd, der für das Lieblings-"Schönwetter"-Gericht aller Russen offensichtlich ein besonders schmackhaftes Rezept hat.
Von seinem Standort aus kann Jens eine der zahlreichen Showbühnen
sehen. Auf der Bühne tanzen und singen zu russischer Popmusik Tanzgruppen aus ganz Deutschland und auch der ein oder andere Amateur. Manch einer erweist sich als echtes Talent, andere überzeugen mehr durch ein unerschütterliches Selbstbewusstsein. Sei es drum, ihnen allen ist es eine Herzensangelegenheit dem deutschen Publikum die Kultur ihrer Heimat näher zu bringen. Und das kommt gut an. Die Zuschauer bedanken sich mit großem Beifall.
Ob Russe oder Deutscher – das ist egal
Jeder findet hier eine Bühne: Greenpeace-Aktivisten, die mahnende Worte an das Energieunternehmen Gazprom richten, ebenso wie Völkerfreundschaftsenthusiasten oder der Bund deutscher Studenten aus Russland. Neben Heimatvereinen und Stiftungen präsentieren sich politische Parteien und Vertreter des Bundes.
Viel Zulauf hat der Stand der Moskauer Stadtregierung. Neben Politik geht
es hier vor allem um ganz praktische, alltägliche Anliegen. Wie kauft man sich in Russland ein Haus? Wie lässt man sein Hochschulabschluss anerkennen? Die Experten am Stand wussten die Antworten.
Highlight am Abend war die russische Rocknacht mit Posle 11, Orgia Pravednikov und Prob-Ka. Pavel Interpaul, der Sänger der internationalen Berliner Band "MirMix-Orchestra" fasste lautstark zusammen, worum es bei den Deutsch-Russischen-Festtagen geht: „Wir sind Repräsentanten der deutsch-russischen Freundschaft", schreit er von der Bühne. Und mehr noch: „Ob ich nun Russe oder Deutscher bin, das ist doch egal.“ Ein besseres Schlusswort kann man wohl kaum finden.
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