Die Pistole des Kosmonauten: Keiner wird von Bären verspeist

Die TP-82 kam offiziell 1986 zum Einsatz, als sie als Ausrüstungsbestandteil der sowjetischen Kosmonauten mit der sowjetisch-französischen Weltraumcrew zum ersten Mal ins All flog. Foto: Wikipedia.org

Die TP-82 kam offiziell 1986 zum Einsatz, als sie als Ausrüstungsbestandteil der sowjetischen Kosmonauten mit der sowjetisch-französischen Weltraumcrew zum ersten Mal ins All flog. Foto: Wikipedia.org

Jeder, der Science-Fiction mag, hat sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, womit sich Kosmonauten im Weltall verteidigen, sollten sie jemals auf feindlich gesinnte Außerirdische treffen. Sowjetische Kosmonauten waren tatsächlich bewaffnet, doch dies galt mehr irdischen Problemen.

In der Sowjetunion schenkte man diesem Thema zwar keine besonders hohe Aufmerksamkeit, doch zu Lebzeiten Juri Gagarins, des ersten Menschen im All, war es dennoch üblich, dass die Kosmonauten bewaffnet ins Weltall flogen. Der Weltraumcrew wurde eine Neun-Millimeter-Pistole der Marke Makarow, mit der man auch Milizionäre bewaffnete, zur Verfügung gestellt. Die Waffe gab man den Kosmonauten, um für den extremen Fall einer Notlandung auf Mutter Erde gewappnet zu sein – genauer, um sich „gegen wilde Tiere oder kriminelle Elemente zu verteidigen“. Lange Zeit dachte niemand daran, die kosmische Pistole zu ersetzen, bis 1965 die beiden Kosmonauten Aleksej Leonow und Pawel Beljaew mitten in der Taiga notlanden mussten.

Bären sind keine Freunde von Kosmonauten

Da die Bedingungen in der Taiga eine Bergung durch sowjetische Rettungskräfte drei Tage lang unmöglich machten, mussten Beljaew und Leonow zwei Nächte in der Wildnis der Taiga verbringen. „Das Einzige, was die Bergungshubschrauber machen konnten, war, über uns zu fliegen und uns Anweisungen zu geben, wer Holz zu hacken hatte und wer Feuer machen sollte“, erinnert sich Leonow. Die Kosmonauten schafften es, sich einen Unterschlupf zu bauen, doch plötzlich begannen wilde, im März aus ihrem Winterschlaf erwachte und dementsprechend hungrige sowie äußerst aggressive Bären, sich dem Lagerfeuer der Weltraumpioniere zu nähern. Und das Einzige, was den notgelandeten Kosmonauten in diesem Moment übrigblieb, war, Schüsse in die Luft abzugeben – was die wilden Bären, die nie zuvor Menschen begegnet waren, allerdings nur noch mehr aufbrachte und neugieriger machte. „Mit der Pistole konnte man sich nur selbst erschießen, für einen Bären reicht sie nicht wirklich“, erzählte Leonow damals mit bitterer Ironie. Diese Geschichte war Anlass, eine spezielle Waffe für Kosmonauten zu entwickeln, die helfen sollte, sich im Falle einer Notlandung effektiver verteidigen zu können.

Die TP-82 – der Traum eines jeden Hirten und Wilderers

Die Entwicklungsarbeiten an dem neuen Projekt wurden unter der Leitung von Wladimir Paramonow, Chefkonstrukteur des sowjetischen Waffenwerks in Tula, durchgeführt. Ziel war, herauszufinden, welche der Waffenarten am geeignetsten für die Lösung des Problems war: Revolver, selbstladende Glattrohrhandfeuerwaffe oder doch Dreilaufpistole? Letztere Waffenart erwies sich als die passendste dafür, sich vor wilden Tieren und Kriminellen zu schützen sowie im Ernstfall mittels Leuchtsignale die Suchtruppen auf sich aufmerksam zu machen. Dabei wurde die neue Pistole mit zwei horizontal ausgelegten Glattrohren, Jagdkaliber 32, sowie einem unter ihnen liegenden gezogenen Lauf Kaliber 5,45 Millimeter ausgestattet. Was die Munition der multifunktionalen Pistole anbelangt, so schoss diese mit Spezialpatronen Kaliber 5,45 Millimeter, die mit einem Stahlprojektil ausgestattet waren, Schrotpatronen Kaliber 32 sowie mit Signalmunition, ebenfalls Kaliber 32.

Die Arbeiter im Werk von Tula nannten die neuartige Pistole „den Traum eines jeden Wilderers“. In der technischen Dokumentation wurde die Waffe allerdings mit der eher nüchternen Bezeichnung TP-82 SONAZ angeführt – die Abkürzung SONAZ steht für „tragbare Notfallhandfeuerwaffe“. Die TP-82 kam offiziell 1986 zum Einsatz, als sie als Ausrüstungsbestandteil der sowjetischen Kosmonauten mit der sowjetisch-französischen Weltraumcrew zum ersten Mal ins All flog.

Eine moderne Streitaxt

Die ohnehin ungewöhnliche Pistole bekam zudem noch ein am Kolben zu befestigendes Spezialbajonett, das eigentlich dazu dienen sollte, Holz zu hacken. Doch das Bajonett hatte noch eine weitere Funktion: Sein fester Aufsatz war so konzipiert, dass er als eine Schulterstütze verwendet werden konnte, was die Pistole automatisch zu einem Gewehr machte. Dadurch konnte man die Pistole dazu verwenden, um Kleinwild wie Hasen oder Vögel oder mit ihrem gezogenen Lauf Elche, Wildschweine und andere größere Tiere zu jagen. Im Ernstfall standen den Kosmonauten insgesamt elf Patronen Kaliber 5,45 Millimeter, zehn Schrotpatronen Kaliber 32 und fünf Leuchtpatronen Kaliber 32 zur Verfügung.

Wird es eine Renaissance der legendären Waffe geben?

Über das postsowjetische Schicksal der TP-82 ist nur wenig bekannt. 2007 sickerte in der Presse die Information durch, dass die „Mindesthaltbarkeit“ der Patronen der Waffe abgelaufen wären, sodass Jurij Malentschenko, der Bordingenieur der ISS-Expedition 16, vor seinem Abflug ins Weltall wieder eine Makarow bekommen haben soll.

Ob demnach die TP-82 immer noch einen Teil der Bordausrüstung auf der ISS darstellt, ist nicht bekannt. Man weiß nur, dass der berühmte US-amerikanische Nasa-Ingenieur James Oberg 2008 verlangt hatte, die russische Waffe von der ISS zu verbannen. Er begründete seine Entscheidung damit, dass er in der Pistole eine Bedrohung sehe und glaube, dass für sie an Bord der Raumstation, wo die Kosmo- und Astronauten unter besonders hohem Stress und starker psychischer Belastung arbeiten müssen, kein Platz mehr sei.

Die russischen Experten hingegen sind anderer Meinung. So versicherte Jurij Gidsenko, Leiter des russischen Kosmonauten-Trainingszentrums, dass die Notwendigkeit, Kosmonauten mit einer Waffe auszustatten, in der Praxis bereits erwiesen sei. In diesem Sinne sei es noch zu früh, die TP-82 völlig aus der Bordausrüstung der Kosmonauten zu streichen und sie mit einem Eintrag in die Geschichtsbücher in Pension zu schicken.

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