Weder Fisch noch Fleisch: Vegetarisch glücklich in Russland?

Der Großteil der Menschen in Russland ist der Ansicht, dass eine fleisch- und fischlose Ernährung schädlich für die Gesundheit sei. Foto: Licorice Medusa / flickr.com

Der Großteil der Menschen in Russland ist der Ansicht, dass eine fleisch- und fischlose Ernährung schädlich für die Gesundheit sei. Foto: Licorice Medusa / flickr.com

Vegetarier haben in Russland keine allzu große Lobby. Traditionelle russische Küche ohne Fleisch, Fisch oder andere tierische Produkte erscheint vielen unvorstellbar. Hartnäckig halten sich Vorurteile, vegetarische Ernährung sei ungesund. RBTH gibt Tipps, wie Sie in Russland fleischlos glücklich werden.

„Fisch oder Hähnchen?“ Die Stewardess auf meinem Flug nach Moskau sieht mich mit einem fragenden Blick an. „Für mich nichts, danke. Ich bin Vegetarierin“, antworte ich ihr. „Kein Problem – Fisch oder Hähnchen?“, wird mir hartnäckig entgegnet. Ich versuche zu erklären, dass ich eine „deutsche Vegetarierin“ bin und weder Fisch noch Fleisch – Hähnchen eingeschlossen – esse. Die Augen der Stewardess werden groß vor Erstaunen. Dann aber zuckt sie mit den Schultern und geht eine Reihe weiter, wohl mit dem Gedanken, dass dieser „deutschen Vegetarierin“ einfach nicht zu helfen ist.

ZAHL

 

Laut der jüngsten Umfrage von FOM verspürten 86% der Befragten nie den Wunsch, Vegetarier zu werden.

Situationen wie diese im Flugzeug sind für Vegetarier in Russland keine Seltenheit. Aber woran liegt es, dass man es als solcher in Russland schwerer hat als in Deutschland? Laut dem Vegetarierbund Deutschland ernähren sich knapp zehn Prozent der Bevölkerung in der Bundesrepublik vegetarisch und 1,1 Prozent vegan (Stand 2015). In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der vegetarisch lebenden Menschen mehr als verzehnfacht – und der Trend geht weiter nach oben. Das Thema Tierschutz spielt dabei eine wesentliche Rolle. Aber auch aus gesundheitlichen Gründen verzichten viele Menschen auf den Konsum von Fleisch.

In Russland hingegen sprechen die Zahlen eine andere Sprache: Nur knapp zwei Prozent der russischen Bevölkerung sind Vegetarier (Stand 2014), wie eine Umfrage der Stiftung Obschtschestvennoe mnenie (zu Deutsch: „Öffentliche Meinung“ oder FOM) ergab. Der Großteil der Menschen in Russland ist der Ansicht, dass eine fleisch- und fischlose Ernährung schädlich für die Gesundheit sei. So sollen Vegetarier angeblich mit Nährstoffmangel durch die Aufnahme von zu wenig Eiweiß und Eisen zu kämpfen haben.

 

Vorurteil: Vegetarier sind schwach und kränklich

Mythen wie diese wurden 2013 vom russischen Online-Journal „Tschastnij Korrespondent“ gesammelt. Demnach herrscht der weitverbreitete Glaube, dass Vegetarier schwach und abgemagert seien und die niedrigen Temperaturen, die im Winter in Russland herrschen, kaum aushalten würden. Während meiner Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn im vergangenen Januar wurde mir beispielsweise von einem russischen Mitreisenden dringend ans Herz gelegt, Fleisch, Fisch und auch etwas Wodka zu konsumieren, damit mein Immunsystem im kalten und verschneiten Sibirien nicht schlapp macht und ich die Reise noch genießen kann. Angeblich sollen auch viele Ärzte von einem Fleisch- und Fischverzicht abraten. Darüber hinaus glauben viele Menschen, dass das Leben als Vegetarier sehr teuer sei und viel Zeit für Einkäufe und Kochen verloren gehe.

Dennoch geht auch in Russland der Trend langsam in Richtung vegetarische Ernährung. Immer mehr Russen entscheiden sich dafür – sie gehören vor allem zur jungen Generation. Ihnen begegnet häufig Unverständnis seitens ihrer Mitmenschen. Das hat zum Beispiel der 25-jährige Makar Budkow erlebt. Der gebürtige Moskauer, der in Berlin aufgewachsen ist und mittlerweile wieder in der russischen Hauptstadt lebt, ist ein Vegetarier im besonders strengen Sinne: Er isst vegan, das heißt er verzichtet neben

Fleisch und Fisch auch auf sämtliche Ei- und Milchprodukte. „Wenn ich mein Leben so ändern kann, dass weniger Tiere leiden, dann möchte ich das auch“, begründet er seine Entscheidung.

Als Veganer sei es hinsichtlich des Essens überall, nicht nur in Russland, problematisch für ihn. Der beste Ort für diejenigen, die auf sämtliche tierische Erzeugnisse verzichten, sei seiner Meinung nach Berlin, wo es zahlreiche vegetarische und vegane Restaurants gebe. Und in Moskau? „Wenn ich irgendwo essen gehe, gibt es ja immer Salate und Beilagen. Außerdem kann man auch den Chefkoch fragen, ob er etwas Veganes zubereiten kann.“ Meistens mache er sich aber sein Essen selbst und nehme immer etwas für sich mit, wenn er bei Freunden eingeladen ist.

Aus meiner Erfahrung kommt in russischen Restaurants für Vegetarier meist nur ein minimaler Prozentsatz der Gerichte auf der Speisekarte infrage. Wer sich tatsächlich an den Chefkoch wendet und um ein fleisch- oder fischloses Gericht bittet, sollte aufpassen: Es kann durchaus sein, dass vor dem Servieren einfach nur die Fleischstücke aus dem Gericht entfernt werden. Vegetarisch ist das aus russischer Sicht anscheinend trotzdem. 

 

Einige vegetarische bzw. vegane Restaurants und Cafés in Moskau

 

Foto: www.2do2go.ru

Dschagannat – Джаганнат 

 Dschagannat – das ist eine Kette von vegetarischen Kantinen im Zentrum Moskaus. Das Prinzip ist einfach, schnell und günstig: Sienehmen ein Tablett, stellen sich in die Schlange, laufen an einer Vitrineentlang, in der bereits warme Gerichte bereit stehen, Sie suchen sich etwas ausund zahlen am Ende an der Kasse. Hier gibt es überwiegend indische Gerichte undsomit eine große Auswahl für Lacto-Vegetarier, aber auch Veganer werden fündig. Im Dschagannat herrscht eine indisch angehauchte Atmosphäre (indische Musik,Räucherstäbchen). 

Café AvocadoКафеАвокадо 

 „Avocado“ ist ein Netzwerk von zwei Restaurants im Zentrum von Moskau. Die Auswahl an Speisen ist sehr groß und abwechslungsreich. Die Preise sind recht hoch, aber an Wochentagen kann man von 12 bis 17 Uhr für 210 Rubel einen Businesslunch erhalten. 

FreshФреш 

Das Café „Fresh“ ist eines der bekanntesten vegetarischen Restaurants im Herzen der russischen Hauptstadt. Die Gerichte hier sind zu 100% vegan, aber man kann beispielsweise auch Käse anstelle von Tofu als Beilage bestellen. Die Speisekarte bietet eine große Auswahl an Gerichten mit den exotischsten Zutaten. Die Preise sind zwar vergleichsweise hoch, aber dafür ist das Essen sehr ungewöhnlich und schmackhaft. Für 400 Rubel erhält man z.B. eine Suppe und einen Salat. 

Café SokКафеСок 

Dieses kleine Café liegt direkt gegenüber der Tretjakow-Galerie und bietet Vegetariern sowie Veganern eine große Auswahl. Die Gerichte stammen aus verschiedenen Teilen der Erde. An Wochentagen erhält man zwischen 12 und 16 Uhr 20% Rabatt auf sämtliche Gerichte. Ein weiteres Plus: Nach einem Besuch der Tretjakow-Galerie bekommt man beim Vorzeigen des Tickets 10% Rabatt.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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