Ende Oktober kündigte die flamboyante, prominente TV-Moderatorin Ksenia Sobtschak ihre Präsidentschaftskandidatur für das Jahr 2018 an. Kurz darauf folgten zwei weitere Frauen ihrem Beispiel. Dennoch ist es schwer vorherzusagen, ob Russland wirklich bereit ist für eine Präsidentin.
Auch wenn der amtierende Präsident Wladimir Putin bisher noch nicht bekanntgegeben hat, ob er sich 2018 nochmals zur Wahl stellt, hat ihm Ksenia Sobtschak bereits im Vorfeld die Show gestohlen.
„Wir werden viele Menschen versammeln, die weder mit sich selbst noch mit mir einig sind, die jedoch nicht mehr bereit sind, im derzeitigen System zu leben“, sagte Sobtschak während einer Pressekonferenz, als sie ihre Präsidentschaftskandidatur verkündete.
Sobtschak bandelte in der Vergangenheit mit der politischen Opposition an und war für eine Sendung des liberalen Fernsehsenders TV Dozhd als Moderatorin tätig. Sie hatte ihren Abschluss am renommierten Staatlichen Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) gemacht und ist die einzige Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von Sankt Petersburg Anatoli Sobtchak, der Wladimir Putin zunächst als erster Mentor unterstützte und dann als stellvertretender Bürgermeister der Stadt diente.
Sobtschaks Ankündigung löste eine Welle des weiblichen Stolzes aus und veranlasste andere Frauen dazu, in ihre Fußstapfen zu treten. Die Journalistin Jekaterina Gordon, die früher in New York lebte, plant, sich ebenso als Präsidentschaftskandidatin zur Wahl zu stellen. Bei der Ehefrau des berühmten TV-Moderators Alexander Gordon handelt es sich um eine sehr talentierte und vielseitig begabte Persönlichkeit. Ebenso wie Sobtschak arbeitet sie als Moderatorin, Filmregisseurin und Schriftstellerin. Sollte sie gewählt werden, wird sich ihre politische Plattform dem Schutz der Rechte von Frauen und Kindern widmen.
Die dritte Präsidentschaftskandidatin ist die Fernsehmoderatorin Anfissa Tschechowa, die ihren Künstlernamen zu Ehren des russischen Schriftstellers Anton Tschechow annahm. Doch während der Autor von „Onkel Wanja“ für seine nachdenklichen Kurzgeschichten und Erzählungen bekannt ist, machte sich die TV-Moderatorin mit ihrer Sendung „Sex mit Anfissa Tschechowa“ einen Namen.
Die Präsidentschaftskandidatur dieser drei Frauen führte zu einer scharfen Trennung innerhalb der verschiedenen russischen Gesellschaftsschichten. Die einen loben den Mut dieser drei Frauen, die anderen glauben, dass sich der Präsidentschaftswahlkampf dadurch in einen Zirkus verwandelt.
„Der Versuch, ein weibliches Gesicht für den Präsidentschaftswahlkampf zu finden, wird so langsam zu einem Casting- oder Schönheitswettbewerb, zu etwas, das der sowjetischen Fernsehshow „Komm schon, Mädchen“ sehr nahe kommt“, schreibt gazeta.ru im kürzlich erschienenen Leitartikel.
Während viele Experten den Wahlkampf im Falle einer Beteiligung Putins für vorhersagbar halten, meinen andere, dass es nichtsdestotrotz eine gute Erfahrung für die jungen Frauen darstelle und ihnen die Chance gäbe, die landesweite Debatte anzuregen. Die Möglichkeit, im Fernsehen Redezeit zu bekommen und die Probleme des Landes vor Millionen von Menschen anzusprechen, stellt für jedes künftige politische Oberhaupt eine gute Gelegenheit dar.
Der Politikexperte und frühere Wahlkampfstratege Konstantin Kalatschjow glaubt jedoch, dass es bei der jetzigen weiblichen Troika um eine „Entweihung“ der Politik handelt: „Die Wähler sehen es so. Außer in dem Falle, dass sie eingefleischte Feministen sind, die bereit sind, gleichgültig welcher Frau ihre Stimme zu geben“, sagte er.
Das ist aber nicht alles. Es ist durchaus möglich, dass zu den bereits gemeldeten Kandidatinnen eine weitere hinzukommt: Oksana Dimitrijewa, die ein führendes Parteimitglied der wirtschaftsorientierten Partija Rosta (Partei des Wachstums) ist.
Kürzlich teilte sie den Reportern mit, dass sie es in Erwägung zieht, sich als Präsidentschaftskandidatin zur Wahl zu stellen. Dimitrijewa könnte durchaus dafür als eine ernstzunehmende Kandidatin infrage kommen. Mitte der 90er Jahre bekleidete sie als begabte Wirtschaftswissenschaftlerin mit linksdemokratischen Ansichten schon das Amt der Arbeitsministerin für die Regierung.
Frühere weibliche Präsidentschaftskandidatinnen und allgemeine Wahlperspektiven
Auch vor Ksenia Sobtschak, Jekaterina Gordon, Anfissa Tschechowa und Oksana Dimitrijewa haben sich bereits Frauen als Präsidentschaftskandidatin aufstellen lassen. Im Jahr 2000 kandidierte Ella Pamfilowa, die aktuelle Vorsitzende der Russischen Wahlkommission, als erste Frau um das Präsidentenamt, bekam jedoch, trotz ihrer politischen Erfahrung und liberalen Ansichten, nur ein Prozent der Wählerstimmen. In 2004 folgte die scharfzüngige und intellektuelle Politikerin mit japanisch-russischen Hintergrund, Irina Hakamada, ihrem Beispiel und erzielte vier Prozent der Wählerstimmen.
Soziologen sagen jedoch, dass die derzeitige politische Stimmung in Russland grundsätzlich den Kandidatinnen nicht wohlgeneigt ist. Laut der Meinungsumfrage des Lewada-Zentrums im März 2017 sind lediglich 33 Prozent der russischen Bürger bereit, eine Frau zu wählen. Laut dem WZIOM Umfrageinstitut befindet sich das derzeit jedoch im Wandel und für 54 Prozent der Wähler spielt das Geschlecht bei der Präsidentschaftswahl keine Rolle.
Alexei Andrejew, der Geschäftsführer der Depot WPF Branding Agentur, sagte, dass eine Kandidatin nur zwei Möglichkeiten habe, um Wähler für sich zu gewinnen. Eine davon sei, das Geschlecht nicht zu thematisieren.
„Die Kandidatin sollte sich bereit erklären, sich den äußeren Herausforderungen zu stellen und den inneren Anforderungen zu genügen. Zudem muss sie versprechen, ihre Arbeit auf bessere Art und Weise zu erledigen, als die anderen PräsidentschaftskandidatInnen“, sagte Andrejew und fügte hinzu, dass das in vielen Ländern so üblich sei.
„Eine andere mögliche Strategie wäre es, sich auf Nischenthemen zu konzentrieren: Die Kandidatin erklärt, dass sie sich besonders auf die Probleme konzentrieren wird, die Frauen, alte Leute oder Hunde betreffen. Das Thema ist zwar auf nationaler Ebene unergiebig, könnte aber aufgrund seiner sozialen Botschaft infantilere Wähler anziehen“, erklärt er, gibt aber zu bedenken, dass aus seiner Sicht weder die erste noch die zweite Strategie im heutigen Russland funktionieren würde.
Doch vielleicht sollten sich Frauen, die sich um das Präsidentenamt bewerben, stattdessen an der Frau orientieren, die bereits die höchste Ebene der Macht in Russland erreicht hatte. Katharina die Große wurde zwar nicht offiziell demokratisch gewählt, wird jedoch als eine der größten Führungspersönlichkeiten des Landes gesehen. Obwohl sie ursprünglich eine deutsche Prinzessin von niederem Stand war, setzte sie ökonomische Reformen durch, förderte die Wissenschaft und die schönen Künste und sorgte für eine Erstarkung des russischen Militärs.
Laut der von WZIOM im März durchgeführten Meinungsumfrage in Russland gilt Katharina die Große als eine der klügsten Frauen der russischen Geschichte. Würde sie heute noch leben, hätte sie wahrscheinlich eine gute Chance, die Präsidentschaftswahl 2018 für sich zu entscheiden.