Der Kommunismus als Staatsideologie für Russland ist tot. Das ist ganz offiziell: „Keine Ideologie darf als staatlich oder verpflichtend eingeführt werden“, sagt Artikel 13 der Verfassung der Russischen Föderation von 1993. Das ist ein großer Unterschied zu dem zuvor von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) in ihrer sowjetischen „Verfassung“ festgehaltenen „die führende und leitende Kraft der sowjetischen Gesellschaft und der Kern des politischen Systems“.
Die KPdSU hörte nach dem Zusammenbruch der UdSSR Ende 1991 auf zu existieren. Boris Jelzin, ehemaliges Mitglied der KPdSU und erster russischer Präsident, verbot die Partei, die damals immerhin über 18 Millionen Mitglieder hatte. Während dies zwar das Ende eines kommunistischen Russlands bedeutete, was es seit 1917 war, war dies doch nicht das Ende des Kommunismus im Land.
War Jesus Kommunist?
„Der Weg der menschlichen Entwicklung führt hin zum Kommunismus. Seine Mottos und moralischen Grundlagen finden sich schon in der Bergpredigt von Jesu Christi. Er wird alle Trumps, Amerika und uns selbst überdauern“, sagte jüngst Gennadi Sjuganow, der langjährige Anführer der neuen Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), die unmittelbar aus ihrer Vorgängerin KPdSU heraus gegründet wurde.
Sjuganow und seine Partei sind bis heute die führenden Verteidiger des Kommunismus in Russland, bei jeder Parlamentswahl seit 2003 stellen sie eine ernsthafte Herausforderung für die Regierungspartei Einiges Russland dar. Mit starken Ergebnissen landen sie immer wieder auf dem zweiten Platz. Dennoch können die Kommunisten ihre Reihen nicht vergrößern: Bei den Parlamentswahlen 2016 gewann die KPRF nur 13 Prozent der Stimmen (gegenüber 19 Prozent im Jahr 2011); und bei den jüngsten Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2018 stimmten nur 11 Prozent der Wähler für Pawel Grudinin, den Präsidentschaftskandidaten der KPRF.
Millionen von Menschen in ganz Russland halten den Kommunismus auch in seiner sowjetischen Form jedoch noch immer für attraktiv. Wie Sergej Tschibinejew, ein Kunst-Restaurator, der sowjetische Erinnerungsstücke sammelt. Er sagte in einem Interview mit Radio Swoboda, „Das (der sowjetische Kommunismus – Anm. d. Red.) war eine ehrenwerte Idee – eine bessere Zukunft zu schaffen, alle Völker ohne Rücksicht auf ihre Nationalität oder Religion zu vereinen.“
Vergangenheit verschwindet nicht einfach
Im Allgemeinen bemüht sich Russland nicht gerade aktiv darum, seine kommunistische Vergangenheit loszuwerden: So gibt es im ganzen Land noch immer mehr als 5400 Statuen von Revolutionsführer und UdSSR-Gründer Wladimir Lenin. Aber politische Experten und Historiker sowie normale Bürger sind sich dennoch sicher, dass sich kommunistische Ideen kaum mehr durchsetzen werden – egal wie nostalgisch die Landsleute sich geben.
„Unsere derzeitigen Regierungschefs wollen nicht zur Revolution zurückkehren, zum Militärkommunismus und so weiter“, schreibt Dmitry Drise, politischer Kolumnist der russischen Zeitung Kommersant. Mit all den Lenin-Statuen und dem Mausoleum auf dem Roten Platz versuchten die russischen Behörden nur, die Sowjetnostalgiker ruhigzustellen.
Nostalgisches Schwelgen – kaltes Erwachen?
Es gibt einen Witz über die UdSSR: „Als ich einmal ein Pionier war, wurde mir gesagt, dass das Leben in der Zukunft großartig wäre! Jetzt aber sagt man mir, dass das Leben schön war, als ich ein junger Pionier war.“
Der Politanalytiker Sergej Balmasow erklärt es so: „Wir lieben alte Mythen. Wie großartig das Leben unter dem Zaren war, dann unter den Kommunisten ... In Zukunft werden wir dasselbe über Putin sagen. Es ist unser Tradition des verlorenen Mythos.“
Aber diese Nostalgie wird nicht von allen geteilt. Ilja Wenjawkin, ein Historiker der sowjetischen Kultur, sagte in einem Vortrag: „In der sowjetischen Kultur existierte die [kommunistische] Zukunft genau hier, genau jetzt – zusammen mit Konsumgüterknappheit, Repressionen und der Wohnungsnot.“
Der sowjetische Traum wurde nie wahr, wie Wenjawkin erinnert: „Das kommunistische Projekt verlor seine wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit zu den westlichen Staaten.“ Dann folgte Enttäuschung. Und der Kommunismus in Russland landete im dem Mülleimer der Geschichte.