„Niemand dachte, dass es so viele Tote geben würde“, erzählte die Überlebende Marina Sitnikowa gegenüber der russischen Zeitschrift Snob. Sie saß in der zehnten Reihe und, wie sie sich erinnert, gelang es niemandem aus dem hinteren Teil des Flugzeugs zu entkommen. „Videos zeigen, dass während der Landung alle in der Kabine geschrien haben, aber ich selbst war in einer Art Schockzustand – es schien mir, dass es um mich herum völlig still war. Ich konnte im Rauch nichts sehen oder hören“, erinnert sie sich.
Am Abend des 5. Mai war die SSJ100 unterwegs von Moskau nach Murmansk, als sie nur zehn Minuten nach dem Abflug von einem Blitz getroffen wurde. Dies führte zum Ausfall der Funkverbindung und der automatischen Systemsteuerung, so dass die Crew um die Genehmigung zur Notlandung in Scheremetjewo bat.
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Panik, teilt Wladimir Jewmenkow mit, einer der überlebenden Passagiere. Er saß in der sechsten Reihe am Fenster und sah, wie zweimal ein Blitz in das rechte Triebwerk einschlug. „Mein Herz wäre fast stehengeblieben, aus Angst, das Flugzeug könne Feuer fangen, aber es gab keine Flammen“, erinnert er sich. „Uns wurde mitgeteilt, dass wir wegen technischer Probleme nach Moskau zurückkehren, zum Abflughafen.“
Die Landung war hart: Das Flugzeug prallte bei der Landung vom Boden ab und landete schließlich beim dritten Aufsetzen, wobei die Treibstofftanks beschädigt wurden und den hinteren Teil des Jets in Flammen aufgehen ließen. „Wir hatten solche Angst, dass wir fast ohnmächtig wurden“, erzählt ein anderer Überlebender, Pjotr Jegorow aus der siebten Reihe, der Zeitung Komsomolskaja Prawda. „Das Flugzeug sprang wie eine Grille über die Landebahn und fing dann am Boden Feuer.“
„Alles geschah blitzschnell“, erinnert sich Marina Sitnikowa. „Es gab einen starken Schlag – meine Augen sprangen fast aus ihren Höhlen – ein paar Sekunde war Ruhe und dann qualmte es und es begann sofort zu brennen.“
Nach Angaben der Überlebenden gab es kein Gedränge als die Menschen zu den Ausgängen eilten. Die Flugbegleiterinnen öffneten schnell die Ausgänge und bis zu diesem Moment standen alle einfach da und warteten. Es wurde spekuliert, dass die Evakuierung angeblich durch Passagiere, die ihr Handgepäck mitnehmen wollten, verzögert wurde. Wladimir Jewmenkow erklärt jedoch, dass einige Passagiere ihre Handgepäck mitgenommen haben, weil sie nichts anderes zu tun hatten, während sie auf das Öffnen der Fluchttüren warteten.
„Ich war nicht der Erste in der Schlange zum Ausgang und als ich aufstand, war es mir unmöglich, vorwärts zu kommen. In meiner Nähe war eine Frau mit Kind, die gar nicht erst versuchte sich zu bewegen, vielleicht aus Angst, Kohlenmonoxid einzuatmen. Zumal das Laufen zum Ausgang in diesem Moment bedeutet hätte, sich durch die Menschenmenge zu bewegen. Also stand ich eine Zeit lang einfach nur im Gang“, erinnert er sich und fügt hinzu, dass in diesem Moment einige Leute ihre Taschen nahmen, weil sie keine Gelegenheit hatten, sich vorwärts zu bewegen. „Ich hatte meine Dokumente dort, also schnappte ich sie und als die Menge sich in Bewegung setzte, ging ich zum Ausgang.“
Ein weiterer Passagier, Dmitrij Charinin, der in der zehnten Reihe saß, erinnert sich ebenfalls daran, dass alle auf ihrem Platz blieben, bis das Flugzeug zum Stehen kam, um wie gewohnt nach der entsprechenden Durchsage des Bordpersonals auszusteigen. „Ich schnappte meinen Pass und ließ zuerst noch drei oder vier Leute durch. Als ich dann spürte, dass es hinten heiß wurde, machte ich mich auf den Weg zum Ausgang“, erzählt er.
„Ich habe mich nicht umgedreht, um zu sehen, was hinten passiert. Warum? Ich weiß es nicht. Ich ging einfach los. Da war hellblauer, bitterer Rauch. Aber man konnte da durchgehen. Plötzlich war alles in dichten schwarzen Rauch eingehüllt. Es war unmöglich zu atmen. Ich beugte mich zu den Sitzen, wo nicht so viel Rauch war, holte ein paarmal tief Luft und ging zum Ausgang. Dort war kein Rauch und ich konnte zwei Flugbegleiterinnen sehen, die den Passagieren beim Evakuieren halfen.“
Er fügt hinzu, dass er niemanden gesehen habe, der seine Gepäck aus der Ablage holte und damit die Evakuierung verzögert hätte. „Einige Leute hatten kleine Gepäckstücke dabei – eine Handtasche oder einen kleinen Rucksack... Manche flohen, ohne überhaupt etwas mitzunehmen. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen.“
Tatjana Kasatkina, eine Flugbegleiterin auf dem tragischen Flug, erinnert sich laut Lenta.ru daran, dass Passagiere während der Landung von ihren Sitzen aufstanden, ihre Verwandten anriefen und mitteilten, dass das Flugzeug in Flammen stehe. „Alles ging so schnell, dass wir keine Sekunde Zeit zum Nachdenken hatten“, berichtet sie. „Ich habe die Passagiere zum Aussteigen gedrängt. Ich zog jeden von ihnen am Kragen, damit er die Evakuierung nicht verzögert.“
„Ich war der Letzte, der das Flugzeug verließ. Niemand folgte mir...“, sagt Oleg Moltschanow, dessen Sitz sich in der zwölften Reihe befand.
„Ich glaube, es sind so viele Menschen umgekommen, weil das Feuer den hinteren Teil der Maschine ergriff. Der hintere Ausgang öffnete sich nicht, aber die Leute dachten, sie könnten dort aussteigen. Ich glaube, die Passagiere hinten hatten einfach keine Chance zu entkommen. Sie atmete Kohlenmonoxid ein und überall war Kerosin. Nur diejenigen, die nach vorne rannten, konnten überleben. Es gab niemanden, der hinten sicher war“, sagte er gegenüber Meduza.
„Ich habe während der Evakuierung keine Massenpanik erlebt. Ich erinnere mich, dass Leute am Boden krochen, um zum Ausgang zu gelangen. Um ehrlich zu sein, wurde ich von der Flugbegleiterin gerettet“, erinnert sich Marina Sitnikowa. Irgendwann verlor sie das Bewusstsein und wusste nicht mehr, was sie tun soll. „Plötzlich hörte ich das Kommando Schnell! Schnell!. Also raffte ich mich auf und rannte zu der Stimme.“
Die meisten der späteren Opfer saßen im Heck des Flugzeugs. Jeremy Brooks, ein US-Bürger, gehörte ebenfalls zu den Passagieren, die ihr Leben verloren. In der 15. Reihe sitzend, gelang es ihm nicht zu entkommen.
„Viele geben dem Rettungsteam die Schuld, aber meiner Meinung nach haben sie vorbildlich gehandelt“, sagt Dmitri Charinin. „Niemand konnte ahnen, dass das Flugzeugs so aufsetzen und Feuer fangen würde – nichts deutete auf eine solche Katastrophe hin.“
Die Behörden untersuchen derzeit die Ursachen der Katastrophe, einschließlich technischer Probleme an Bord und ungünstiger Wetterbedingungen. Während die Öffentlichkeit auf die Abschlusserklärung wartet, wurde auf Change.org bereits eine Petition eingebracht, um den Suchoj Superjet 100 für den Flugverkehr in Russland zu sperren, die Probleme mit dem Jet zu klären und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
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