Von der Sowjetunion bis heute: Das ist Russlands Nachrichtensendung Nr. 1

Wjatscheslaw Prokofjew/TASS
„Wremja“ ist das älteste Nachrichtenformat im modernen russischen Fernsehen. Erfahren Sie, wie die Sendung sich seit Sowjetzeiten behaupten konnte.

Das „Zentrale Fernsehen“, das in der UdSSR vom Radio- und Fernsehkomitee beim Ministerrat, Gosteleradio, eingerichtet worden war, entwickelte sich trotz der damals wenig fortschrittlichen Technologien schnell. Ende der 1960er Jahre gab es bereits vier Kanäle. Probleme bereiteten die Nachrichten. Das sowjetische Fernsehen bot den Zuschauern nur kurze Nachrichtenblöcke an. Es gab auch ein wöchentliches Informationsprogramm namens „Estafeta nowostei“ (zu Deutsch „Staffellauf der Nachrichten“), das jedoch nach und nach an Popularität einbüßte. 

Wremja, 1976

Ende 1967 änderte sich jedoch alles. Vier Gosteleradio-Mitarbeiter (Alexei Petroschenko, Chefredakteur, Irina Kasakowa, Reporterin, und zwei Redakteure - Leonid Solotarewskij und Lewan Dzaridze) trafen sich im Fernsehzentrum „Schabolowski“ (Moskau, Schabolowka-Straße), um eine ganz neue Nachrichtensendung zu entwickeln. Das, und zudem einen passenden Namen zu finden, war nicht einfach. Leonid Solotarewskij erinnerte sich (rus): „Dutzende Vorschläge kamen wie Geistesblitze, einer schlechter als der andere, doch plötzlich platzte Petrowitsch [Alexei Petroschenko] heraus: „Wremja!“ Wremja bedeutet auf Deutsch „Zeit“. Gostelradio akzeptierte den Vorschlag. 

„Wremja“ wurde am 1. Januar 1968 zum ersten Mal ausgestrahlt. Anfangs verlas ein einziger Sprecher eine Nachricht nach der anderen. Anfang der 1970er Jahre veränderte sich die Nachrichtensendung. Die gesamte Produktion wurde in das Fernsehzentrum „Ostankino“ (Moskau, Akademika Koroljowa Straße) verlegt. Von da an moderierten zwei Sprecher, ein Mann und eine Frau, das Programm und lasen abwechselnd die Nachrichten. Die Ansager wechselten im Laufe der Zeit. 

Igor Kirillow und Nonna Bodrowa

Die Nachrichten informierten über Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und einige ausgewählte Ereignisse aus dem Ausland. Ab 1971 kam die Wettervorhersage hinzu. 1972 wurde festgelegt, dass „Wremja“ täglich um 21 Uhr ausgestrahlt werden sollte. Zuvor gab es keine feste Zeit für die Sendung. Nur selten gab es Ausnahmen vom festen Sendeplatz, etwa um das Feuerwerk am 9. Mai zeigen zu können und für einige Sportveranstaltungen. Zudem sollte die Sendung nun fünf statt wie bisher drei Mal pro Woche gezeigt werden. 

Wremja, 1989

Als Sendung von Gostelradio war „Wremja“ natürlich auch ein Mittel der Propaganda. Die Informationen waren einseitig und offiziell. „Wremja“ wurde dennoch schnell populär und später bis zu zehn Mal am Tag ausgestrahlt. Empfangen werden konnten die Nachrichten in der UdSSR und in anderen sozialistischen Ländern. Von 1978 bis 1987 wurde die Abendsendung am nächsten Morgen wiederholt.  

In den 1980er Jahren hielten Journalisten Einzug in die Sendung. Sie wurden um eine politische Bewertung oder einen Kommentar gebeten. Die Sendung wurde nun auf zwei Kanälen gesendet, nachdem der zweite in der gesamten Sowjetunion verfügbar war.

Wremja, 1986

Ende des Jahrzehnts arbeiteten „Wremja“-Journalisten in 40 Redaktionen auf der ganzen Welt. Auf dem zweiten Kanal wurden die Nachrichten in die Gebärdensprache übersetzt. 

1991 wurden die Sprecher durch Rundfunkjournalisten ersetzt. Gleichzeitig erlebte das Format während des Staatsstreichs im August eine ideologische Spaltung unter den Mitarbeitern, was häufig zu widersprüchlichen Botschaften in der Sendung führte. Die erste Hälfte der neunziger Jahre war eine schwierige Zeit für „Wremja“. Die Sendung hatte bereits seit mehreren Jahren ihre Identität verloren. 

Nach dem Staatsstreich im August wurde der Name in „TV Inform“ und einige Monate später in „Nowosti Ostankino“ und im Juli 1992 in „ITA Nowosti“ geändert. Erst ab 1994 hießen die Nachrichten wieder „Wremja“. An diesem Tag sagte (rus) die Moderatorin Tatjana Komarowa zu den Zuschauern: „‘Wremja‘ ist der Name, der die Essenz unserer Arbeit widerspiegelt. Die Sendung reflektiert diese Ära. Wir sind der Spiegel unserer Zeit.“ 

Igor Gmyza, 1996

Gosteleradio gab es nicht mehr, daher war „Wremja“ nun Teil von „ORT“. Seit 1994 ist das Format unverändert. Zur Nachrichtensendung gibt es seit 2003 eine Wochenschau, „Woskresnoe Wremja“ (zu Deutsch „Sonntagszeit“), mit einer Zusammenfassung und Analyse der Ereignisse der zurückliegenden sieben Tage. 

Wremja, 2008-2018

Was auch immer im Land oder weltweit passiert, „Wremja“ steht nicht untätig daneben. Von Konflikten in der Republik Tschetschenien bis zu den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi: Die Reporter haben stets ihr Bestes gegeben, um Millionen von Zuschauern zu informieren. Das Format wurde inzwischen viermal mit dem jährlichen russischen Fernsehpreis TEFI ausgezeichnet: 2002, 2006, 2007 und zuletzt 2017.

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