Jakutien brennt seit Monaten, aber erst jetzt wird gelöscht. Warum so spät? (FOTOS + VIDEOS)

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Mehr als eine Million Hektar Wald sind bereits verbrannt, Städte sind in Qualmwolken gehüllt, die Auswirkungen sind bereits in Alaska zu spüren. Wichtigste Ereignisse der Umweltkatastrophe und ein Bericht aus den sozialen Medien.

Jakutien (oder auch Republik Sacha Siré), eine Region Russlands, die 8,5 Mal so groß wie Deutschland ist, brennt auch in diesem Sommer. Die Fläche der Waldbrände hat bereits 1,3 Millionen Hektar überschritten, wobei sich das Feuer hier seit Mitte Mai über die Wälder ausbreitet. Die Brände sind so groß, dass sie vom Weltraum aus gesehen werden können, und es gibt mehr als 200 davon.

Die Brände sind aus dem Weltraum sichtbar.

Ende Juli näherte sich das Feuer Wohngebieten – der Himmel färbte sich orange und Rauch erfüllte Jakutsk, die Hauptstadt Sachas, in der ein Drittel der Gesamtbevölkerung lebt. Die Konzentrationen von Schwebstoffen in der Luft überstiegen den zulässigen Höchstwert zum Teil um das 15- bis 30-Fache.

Großbrände sind keine Seltenheit in dieser Region, die fast vollständig von Taigawäldern bedeckt ist. Aber nach Ansicht der Wissenschaftler, haben sie in den letzten drei Jahren dramatisch zugenommen, wobei die durch den Qualm beschleunigt globale Erwärmung und der durch das Feuer auftauende Permafrostboden die gesamte Nachhaltigkeit des Ökosystems bedroht.

Rauch von einem Waldbrand bedeckt Jakustk.

Russland verzeichnete im Sommer 2021 eine rekordverdächtige Hitzewelle: Für die zentralen Regionen Russlands war der Juni der heißeste und trockenste Juni seit 133 Jahren. Wie schon im letzten Jahr brachen die Brände aufgrund der abnormalen Hitze und niederschlagsarmer Gewitterstürmen aus. Ungeachtet der natürlichen Herkunft der Brände geben die Einheimischen den Beamten die Schuld an der Katastrophe. Vor allem wird moniert, dass nur ein kleiner Teil dieser Brände gelöscht wird, man die meisten jedoch einfach ausbrennen lässt.

Löschen ist „wirtschaftlich unrentabel“

Die Fläche der Republik Sacha beträgt 3,08 Millionen Quadratkilometer, mehr als die gesamte Fläche Argentiniens. Die großen Entfernungen und die geringe Bevölkerungsdichte von weniger als 1 Mill. Einwohnern haben dazu geführt, dass der größte Teil der bewaldeten Fläche in Jakutien als so genannte „Kontrollzonen“ eingestuft wurde – schwer zugängliche, abgelegene Gebiete, in denen die Brandbekämpfung gesetzlich als „wirtschaftlich nicht zielführend“ anerkannt wird.

Nach den Bränden in Sibirien im Jahr 2019 sind die russischen Behörden jedoch damit beschäftigt, die Gesetze zu den Kontrollzonen zu überarbeiten. In einigen Regionen wurden sie deutlich reduziert, in anderen, wie in den Regionen Tjumen und Swerdlowsk, wurden sie ganz abgeschafft. In Jakutien ist allerdings blieb fast alles beim Alten. Dabei hatte das Oberhaupt von Jakutien, Aisen Nikolajew im vergangenen Jahr in einer ähnlichen Situation bereits versprochen, diese Zonen, in denen die Waldbrände nicht gelöscht werden, zu reduzieren. Das ist jedoch nie geschehen.

Es ist deshalb verständlich, dass die regionalen Behörden im Juni 2021 öffentlich beschuldigt wurden, die Zahl der Brände und Größe der Brandflächen zu unterschätzen: Bei einigen Bränden unterschieden sich die Daten aus der Weltraumüberwachung von den Angaben der jakutischen Beamten um den Faktor 40. Das jakutische Ministerium für Ökologie berief sich auf fehlende finanzielle Mittel, um die Brände zu löschen. Gegenwärtig sieht der Haushalt der Republik Sacha Siré nur 6,90 Rubel (0,01 Euro) pro Hektar für Löscharbeiten aus, während die russische Föderalregierung im Schnitt 199 Rubel (2,27 Euro) pro Hektar für diesen Zweck zur Verfügung stellt.

Die verzweifelten Bewohner Jakutiens begannen, auf dem Instagram-Account des föderalen Ministers für natürliche Ressourcen und Ökologie, Alexander Koslow, zu posten und ihn zu bitten, etwas in Jakutien zu unternehmen, da es „den ganzen Sommer über brennt und das niemanden kümmert“. Auch unter den Beiträgen des Ministers zu anderen Themen erschienen mehrere tausend Kommentare zu den Bränden in Jakutien. Daraufhin antwortete Koslow, er habe alle Kommentare gelesen, aber im Moment sei die Natur stärker:

„Wir konzentrieren freie Waldbrandbekämpfungskräfte aus dem ganzen Land in der Republik. <...> Wir versuchen, die Situation zu stabilisieren, aber das Feuer gewinnt immer noch die Oberhand. Außerdem ist die Prognose für die Brandgefahr im Juli schlecht.“

„Schlechte Luftqualität aufgrund von #Wildbränden in #Jakutien, #Sibirien hat sich von #Russland über die internationale Datumsgrenze bis nach Alaska ausgebreitet“

Fotos und Videos von Jakutiens Bewohnern

Jetzt sind Amphibienflugzeuge, fast dreitausend Menschen, die vom Ministerium für Notstandssituationen geschickt wurden, Militärpiloten und fast vierhundert Techniker in die Republik geflogen. Zusammen mit ihnen arbeiten Gruppen von Freiwilligen – Männer, Frauen und, laut Augenzeugenvideos auf sozialen Medien, sogar Teenager. In der Region wurde der Ausnahmezustand ausgerufen.

Ich habe mich als Freiwilliger gemeldet, um Brände in Gorny zu löschen. Wir sind heute schon im Einsatz.“

„Es gab zu viel Feuer, und jede Brandbekämpfung endete damit, dass es an anderen Stellen wieder aufflammte. Aber trotzdem haben wir unser Bestes gegeben. Wir schliefen jeweils ein paar Minuten, wenn wir die Möglichkeit dazu hatten. Am Boden und im Rauch direkt in unseren Atemschutzmasken. Es gab keinen anderen Weg. Alle hatten geschwollene Augen vom Rauch“, erzählte ein Mitglied der selbstorganisierten Gruppe.

Anwohner bekämpfen das Feuer mit Schaufeln und Rucksäcken, in die sie Kanister mit Wasser packen. Sie heben Gräben aus, um das Feuer abzuschneiden. Die Aktivisten schreiben in den sozialen Medien: „Leute, das ist eine totale Katastrophe. Die Stiefel der Leute schmelzen! Die Bewohner löschen die Brände selbst, atmen den Qualm ein, bekämpfen das Feuer, damit es nicht ihre Häuser und alles, was sie sich erarbeitet haben, verschlingt; es ist ein echter Krieg da draußen!“

Dmitrij Kuprijanow, Koordinator der Vereinigung Russischer Freiwilliger, der sich derzeit in Jakutien aufhält, bestätigt: „Ja, die Vorräte sind knapp und Leute haben wir auch nicht genug.“

„Meine Eltern, meine Nächsten, leben noch dort. Sie haben sich neulich über den Regen gefreut, aber auch das hat nicht geholfen.

Dieser Alptraum wird, so Gott will, bis zum Winter vorbei sein. Das passiert jedes Jahr, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Menschen in den Siedlungen und Dörfern sitzen einfach ohne Kommunikation da. Sie sind total im Arsch.“

Unter anderem brennt der Nationalpark Lena-Säulen, der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Der Flughafen Jakutsk wurde geschlossen, weil der Rauch „wie Milch“ ist. Aus diesem Grund wurde auch der Schiffsverkehr auf der Lena eingeschränkt.

Laut der Website von IQAir war die Luftverschmutzung in Jakutsk 139-mal höher als die von der WHO empfohlenen Parameter.

Russisches Amphibienflugzeug Be-200

Die lokale Aktivistin Rosa Djatschkowskaja richtete sich mit einem Appell an Leonardo DiCaprio, Schauspieler und Gründer der Umweltschutzstiftung Earth Alliance. Der antwortete ihr auf Instagram und versprach, dass er mit seinem Team besprechen werde, wie er bei den Bränden in Jakutien helfen könne. Doch die regionalen Behörden haben die mögliche Hilfe bereits abgelehnt: „Ich bin natürlich froh, dass Weltstars auf solche Situationen aufmerksam werden. Aber auf dem Territorium der Republik sind unsere Kräfte mit der Löschung beschäftigt, die Situation ist unter Kontrolle.“

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