(Achtung: Spoiler!)
Auf Netflix erschien die Serie In From the Cold über das immer wieder drängende Thema der Konfrontation zwischen Russland und Amerika, die Handlung findet jedoch zum größten Teil in Spanien statt. Dort trifft ein CIA-Agent auf eine scheinbar gewöhnliche Amerikanerin, Jenny, die mit ihrer Tochter zu einem Wettbewerb im Eiskunstlauf gereist ist. Jenny arbeitete einst unter dem Namen Anya Petrova (mit dem Decknamen „Whisper“) für den KGB und tötete unerwünschte Feinde Russlands, indem sie deren Verstand beherrschte und sogar meisterhaft deren Aussehen imitierte. Bereits in der Gegenwart ereignen sich in Madrid eine Reihe von Morden, deren Vorgehensweise stark an die von Petrova erinnert. Nun will die CIA mit ihrer Hilfe einen oder mehrere neue Verbrecher aufspüren.
In From the Cold ist eine Fantasy-Serie, obwohl sie durchaus einen gewissen Realitätsgehalt hat. Dies ist kein falsches Klischee im Geiste von Red Heat, aber es erreicht auch nicht das Niveau einer Parodie. Die Macher von In From the Cold haben versucht, die Ära der russischen 90er Jahre nachzustellen. Nicht alles ist gut ausgegangen, wir berichten über die Stärken und Schwächen.
Jenny selbst wird von Margarita Levieva gespielt, die in Leningrad geboren wurde, aber im Alter von elf Jahren mit ihren Eltern in die Vereinigten Staaten auswanderte, wo sie als Schauspielerin Karriere machte. In der neuen Serie wird ihre Rolle als junge Frau von der russischen Schauspielerin Stasya Miloslavskaya gespielt. Da Rückblenden in die 1990er Jahre fast die Hälfte der Serie einnehmen, könnte man die Rolle von Miloslavskaya zusammen mit Levieva, die die russische Sprache nicht verlernt hat, durchaus als die Hauptrolle bezeichnen. Eine weitere russische Hauptdarstellerin ist Alyona Khmelnitskaya, die die Rolle der Mentorin verkörpert.
Die wichtigste Frage ist, wie Anya, die über die herausragenden Qualitäten einer Spionin verfügt, zu einer gewöhnlichen amerikanischen Bürgerin werden konnte und aller Wahrscheinlichkeit nach seit Anfang der 2000er Jahre ein unauffälliges Leben führt. Die entscheidende Antwort findet sich übrigens erst im Finale, das offenbar auf eine mögliche Fortsetzung der Serie hindeutet. Doch zunächst erklärt der CIA-Agent diese insgesamt bizarre Situation ganz einfach und pragmatisch: Die Wirtschaft sei zusammengebrochen, der Geheimdienst habe für die Behörden keine Priorität mehr und „als Russland seinen Griff lockerte, fand Whisper eine Chance auf Freiheit“. Die Figur von Alyona Khmelnitskaya gesteht gegen Ende der Serie, dass sie des Staatsverrats angeklagt und nach Sibirien verbannt wurde, das seit langem kein Ort der Verbannung mehr ist.
Der russische Teil von In From the Cold spielt im Winter 1994, wie der blutrote und im Übrigen recht authentische Abspann ganz konkret verrät. Und was die Zeit anbelangt, können wir dem CIA-Agenten sogar zustimmen – in den turbulenten 1990er Jahren war vielleicht tatsächlich keine Zeit mehr für Außenpolitik.
Schon in der ersten Rückblende kommt Anya „Whisper“ zu einem Rave in einer verlassenen Fabrik. Dort trinkt die “goldene“ Jugend – hier trifft sie den Sohn eines chinesischen Botschaftsangestellten – nicht nur Wodka (erkennbare Smirnoff-Flaschen ohne auffälliges Product Placement), sondern auch Champagner aus Dessertschalen. All dies zu einem musikalischen Soundtrack, der an die Hits der damals populären Band Technologia erinnert. Auch die Kostüme von Anya, die Jumpsuits und Hosenanzüge im Military-Look bevorzugt, sowie die Kleidung der anderen Figuren sind perfekt gestylt. Der Stil der Heldin ist eine Anspielung auf das „Partymädchen“ Kat aus dem Kultfilm Brat (dt.: Bruder) von Alexei Balabanov (auf Netflix verfügbar), der in den realen 1990er Jahren in Russland spielt.
Trotz der Versuche der Macher, die Atmosphäre der russischen 1990er Jahre irgendwie zu vermitteln, sind sie in die gleiche Falle getappt wie die meisten ausländischen Filmemacher. In From the Cold wurde vollständig in Madrid gedreht, wo sich die Haupthandlung in der Gegenwart abspielt. Aber die Filmemacher konnten es sich nicht verkneifen, die U-Bahn der russischen Hauptstadt zu zeigen. Vergeblich, denn jeder, der schon einmal in der Moskauer Metro war, kann sehen, dass die Szenen, die sich dort abspielen, entweder im Studio gefilmt oder durch übliche Einblendungen der europäischen oder sogar der New Yorker U-Bahn unterbrochen wurden, vor allem in den U-Bahn-Übergängen. Die Bilder an den Wänden, die auf den legendären Mosaiken von Alexander Deineka basieren, lassen zu wünschen übrig.
Die Wohnungsräume sind auch weit davon entfernt, akribisch reproduzierte Inneneinrichtungen zu zeigen. In den Rückblenden gibt es eigentlich nur zwei Wohnungen – die Dienstwohnung von „Whisper“ und ihr Elternhaus, das in der letzten Folge auftaucht. Die erste ist sogar schön gestaltet – hier wurden zum Beispiel Blechdosen in der Küche aufgestellt, die (ohne Fehler) mit Herkules (Haferflocken) und Muka (Mehl) beschriftet sind, wichtige Einrichtungsgegenstände der Sowjetzeit. Die zweite hingegen sieht aus wie eine europäische Standardwohnung, die von IKEA preisgünstig eingerichtet wurde, allerdings mit dem obligatorischen Teppich an der Wand hinter der Wohnungstür, der das Moskauer Familientreffen immer noch nach ungezügeltem falschen Klischee riechen lässt.
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