Igor Schpilenok hat fast sein ganzes Leben im Wald verbracht. In den 1980er Jahren, als er noch keine 30 Jahre alt war, machte er sich bereits einen Namen als Naturschützer und Gründer des Waldreservats Brjansk im Südwesten Russlands. Damals begeisterte er sich bereits für Tierfotografie und sollte später zu einem der berühmtesten Tierfotografen der Welt werden. Er ist vielseitig in seinen fotografischen Leidenschaften, aber seine besondere Liebe gilt ungewöhnlicher Weise den Füchsen. Mit ihnen verbinden ihn viele unglaubliche persönliche Geschichten.
Wer sich seine Fotos ansieht, stellt sich unweigerlich die Frage, wie er es schafft, den Tieren dort so nahe zu kommen. „Im europäischen Teil Russlands sieht man den Fuchs häufiger weglaufen oder irgendwo weit weg auf dem Feld mausen“, sagt Igor Schpilenok. „Aber ich suche mir Orte aus, an denen Füchse nicht so ängstlich sind, und außerdem lebe ich dort lange, manchmal Monate oder Jahre. In dieser Zeit gelingt es mir, mit vielen Tieren Kontakt aufzunehmen und ihnen zu zeigen, dass ich keine Gefahr für sie bin. Nach ein paar Wochen der Zurückhaltung fangen die Füchse an, mich als Teil der Natur zu behandeln - und sie versuchen sogar, mich zu zähmen.“
„Eines Tages beschloss ich, ein Experiment zu machen und ein Jahr lang in der Taiga zu leben, ohne in die Zivilisation zurückzukehren. Ich ließ mich im Kronozki-Naturreservat in Kamtschatka nieder, und vom ersten Tag an kamen die Füchse und wollten mich kennenlernen.“
Wie Füchse alles klauen
„Füchse sind Kleptomanen, sie klauen alles! Das harmloseste von allem ist ein Paar Schnürsenkel. Wenn du sie irgendwo zum Trocknen hinlegst, kannst du davon ausgehen, dass sie innerhalb kürzester Zeit verschwinden. Die Leidenschaft, alles zu entwenden, was ihnen in den Weg kommt, ist bei ihnen tief verwurzelt. Einmal entwaffneten sie die Inspektoren des Reservats. Und das waren harte Kerle ohne jegliche Angst vor Bären oder Wilderern. Sie besuchten mich, legten ihre Schuhe - drei Paar - auf das niedrige Dach unseres Unterstandes, und während wir Tee tranken, kam ein Schlaufuchs vorbei und klaute jedem von ihnen den rechten Schuh. Ich fand die Schuhe erst ein halbes Jahr später, zerkaut von den Jungtieren.“
Einmal legte sich Igor eine teure finnische Taschenlampe speziell für die Taiga zu, aber die Freude über den Kauf währte nur eine Woche. „Ich ging abends los, um Feuerholz zu holen, stellte Lampe neben mich, und da wird es plötzlich dunkel! Und schon sehe ich das Licht mit rasend schnell durch die Tundra galoppieren“, erzählt der Fotograf. „Der Fuchs schnappte sie sich und lief in den tiefen Wald, konnte sich nun allerdings seinen Weg ausleuchten. Ich sah das Lampenlicht noch ein paar Stunden hin und herspringen, dann war es ganz verschwunden. Seitdem kaufe ich nur noch Billigprodukte. Auf die legen Füchse aus irgendeinem Grund keinen Wert, sie haben Geschmack.“
Wie Füchse den Menschen für ihre Zwecke nutzen
„Früher habe ich ihr Verhalten nicht verstanden. Zum Beispiel, warum der Füchsin Alice immer hinter mir her ist. Ich gehe durch das Naturschutzgebiet, und die Füchsin folgt mir auf Schritt und Tritt. Warum?“ Es stellte sich heraus, dass Alice Igor als Jagdhund benutzte. Ein Mensch scheucht Vögel auf, ohne es zu bemerken, und dann hat der Fuchs leichtes Spiel.
Menschen dienen Füchsen gelegentlich als Schutz vor Bären. „Manchmal, wenn ein Bär Interesse an einem Fuchs zeigte, versteckte sich der Fuchs zwischen meinen Beinen“, sagt Igor.
Natürlich sieht und hört der Fuchs weiter als ein Mensch. Schaut er konzentriert in eine Richtung, so ist klar, dass ein Bär im Anmarsch ist. Er dreht er sich in die andere Richtung – dort schwimmen Schwäne den Fluss entlang. „Für mich sind es kleine Flecken, ich kann sie nur mit dem Fernglas erkennen, aber ein Fuchs hat sie schon erfasst. Und wenn ein anderer Mensch auftaucht, bemerkt der Fuchs ihn schon von weitem“, erklärt der Fotograf.
Wie Fuchsin Alice weltweit wissenschaftlichen Ruhm erlangte
Noch dazu leisten die Füchse einen Beitrag zur weltweiten Forschung! Im Jahr 2017 untersuchten Biologen der Moskauer Staatsuniversität die Überreste alter Arktischer Ziesel und wollten sie mit modernen Zieselarten aus Kamtschatka vergleichen. Einer der Wissenschaftler sah genau ein solches Tier auf Igors Fotos und bat ihn um einige Proben für eine genetische Analyse.
„Alice trug diese Ziesel zu ihren Fuchswelpen, und ich fragte mich, wie ich sie darum bitten könnte, ihre Beute mit mir zu teilen. Als ich kommen sah, nahm ich ein Bonbon aus meiner Tasche und begann, es genüsslich zu essen. Alice wurde neugierig und legte das Ziesel auf den Boden. Ich reichte ihr die Hälfte des Bonbons. Die Füchsin verknüpfte diesen Genuss mit der Situation, und am nächsten Tag galoppierte sie mir mit einem anderen Ziesel entgegen, und ich gab ihr wieder ein halbes Bonbon. Innerhalb einer Woche hatte ich alles für die Wissenschaftler gesammelt. Die Füchsin brachte mir weiterhin Ziesel und legte sie in einer Reihe auf der Veranda aus. Als ihre Geschäfte ins Stocken gerieten, war sie sehr unglücklich“. In der Fachzeitschrift Scientific Reports bedankten sich die Wissenschaftler jedoch bei der Füchsin Alice dafür, die Materialsuche für ihre Studie so großzügig unterstützt zu haben.