Es war klar, dass Ljudmila Schauspielerin werden würde. Ihr Vater war Akkordeonist und spielte im regionalen Kulturhaus. Und sie las oft Gedichte vor, steppte und sang mit ihm zusammen. Mit ihrem immensen Talent und ihrer Lebensfreude unterhielt sie das Publikum und stand bis in die 1970er Jahre auf der Bühne. Aber am bekanntesten ist sie für ihre zeitlosen Filmrollen.
Eine schwierige Kindheit unter der Nazi-Besatzung
Sie wurde 1935 in Charkow in der Ukrainischen SSR geboren. Ihre Schulzeit war traurigerweise von der Besetzung der Stadt durch die Nazis geprägt. Ihre Familie und alle Bewohner des Hauses wurden vertrieben, da dort eine deutsche Einheit stationiert wurde.
„Wenn eine Bombe einen Lebensmittelladen traf, rannten die mit Säcken und Eimern bewaffneten Menschen dicht gedrängt, schubsend und drängelnd zur ,Beute´. Viele kehrten nicht zurück. Die Nazis erschossen diejenigen, die sich nicht trauten zu fliehen“, erinnerte sie sich einmal.
Mehrere Jahre lang lebten sie in ständiger Angst vor deutschen Soldaten, und Ludmilla verdiente das Geld für die ganze Familie mit Auftritten (auch vor den Deutschen). Nach ihrem Schulabschluss ging sie nach Moskau und träumte davon, Schauspielerin zu werden. Im Jahr 1953 schrieb sie sich am Institut für Kinematographie ein.
Erster Ruhm und anschließendes Vergessen
Die ganze Sowjetunion kannte Ljudmila Gurtschenko im Jahr 1956, als sie eine ihrer ersten Rollen spielte. Die Silvesterkomödie Karnevalsnacht war ein unglaublicher Erfolg an den sowjetischen Kinokassen. Das sowjetische Publikum verliebte sich in die junge Schauspielerin und ihr Silvesterlied Fünf Minuten wurde zum Kulthit.
Gurtschenko erlitt fast das Schicksal einer Eine-Rolle-Schauspielerin, die nur hübsche Mädchen spielen und in leichten Komödien singen kann. Nach dem Erfolg des Films spielte sie die Hauptrolle in dem Musical Das Mädchen mit der Gitarre (1958). Obwohl der Film recht beliebt war, war er nicht so erfolgreich wie Karnevalsnacht.
Danach und bis in die 1970er Jahre(!) spielte sie nur noch in ein paar relativ unbekannten Filmen mit, und diese Zeit gilt als ihre Zeit der Vergessenheit im Kino.
Größte und ikonischste Rollen
Gurtschenko hätte das Schicksal vieler anderer schöner Schauspielerinnen ereilen können – immer und immer wieder die gleichen Heldinnen von Liebesgeschichten zu spielen. Aber ihr Talent war viel größer, und sie schaffte es, ihr Können zu zeigen und Regisseure an sich glauben zu lassen. Sie arbeitete hart an ihrer Professionalität, ihrem Charisma und ihrem Sinn für Stil.
Nach der Zeit des Vergessens feierte sie ein triumphales Comeback auf die Kinoleinwände und seitdem war die Liste ihrer Rollen und deren Vielfalt ziemlich beeindruckend.
Ihre erste große Rolle nach Karnevalsnacht war 1976 in dem gemeinsamen sowjetisch-rumänisch-französischen Film Mama (auch bekannt als Vom Wolf und den pfiffigen Geißlein), in dem sie eine Ziegenmutter darstellt.
Danach spielte sie eine spannende Rolle in einer Liebesgeschichte in dem Kriegsdrama Zwanzig Tage ohne Krieg von 1976. Sie schnitt sich sogar die Haare ab, um eine Frau während der Evakuierung realistischer darzustellen.
In Sibiriada (1979), der im selben Jahr den Großen Preis bei den Filmfestspielen in Cannes gewann, ließ sie die Zuschauer glauben, sie sei eine Sibirierin auf dem Land, die auf die Rückkehr ihres geliebten Mannes aus dem Krieg wartet.
Gurtschenko begeisterte das Publikum in dem Kultfilm Bahnhof für zwei (1983), der in das Programm der Filmfestspiele von Cannes aufgenommen wurde. Ihre Rolle als Kellnerin aus der Provinz, die auf einem Bahnhof arbeitet, mochte zwar lustig erscheinen, aber sie verkörperte das schweres Schicksal einer nicht mehr jungen Frau, die im Leben viel durchgemacht hatte.
Ihre nicht ganz so große, aber unglaublich einprägsame Rolle in einer anderen kultigen Komödie, Liebe und Tauben (1984), brachte die gesamte Sowjetunion zum Lachen.
Sie war die Karikatur einer eleganten Stadtfrau, die sich in einen Einfaltspinsel vom Land verliebt.
Großartige Duette
Gurtschenko spielte an der Seite der berühmtesten Schauspieler, die als Sexsymbole des sowjetischen Kinos galten.
So war sie die Partnerin von Alexander Abdulow in dem Film Das Rezept ihrer Jugend (1983).
In dem Film Bahnhof für zwei wurde sie in einem brillanten Liebesdreieck mit Oleg Basilaschwili und Nikita Michalkow besetzt.
In Fliegen in und aus den Träumen (1983) spielte sie die ehemalige Geliebte von Oleg Jankowskijs Figur.
Und sie hatte ein großartiges Duett mit Oleg Tabakow in dem halbbiografischen Film Applaus, Applaus... (1984).
Ihr Privatleben war nicht weniger interessant.
Sie hatte insgesamt sechs(!) Ehemänner, darunter große Filmregisseure, Schauspieler und Musiker. Ihr sechster Ehemann, der sich jetzt um ihr Erbe kümmert, war 26 Jahre jünger als sie.
Und natürlich kann ein so turbulentes Privatleben nicht ohne Gerüchte und Skandale bleiben. Gurtschenko hatte nur eine Tochter, und in der Boulevardpresse war zu lesen, dass die beiden im Streit liegen und nicht viel miteinander reden.
Stilikone und Sängerin
Sie hat in mehr als 80 Filmen mitgespielt (sowohl in Haupt-, als auch in Nebenrollen). Nach dem großen Erfolg von Bahnhof für zwei wurde Gurtschenko 1983 zur Volkskünstlerin der UdSSR gewählt und erhielt mehrere staatliche Auszeichnungen. Das machte sie zu einer der berühmtesten sowjetischen Schauspielerinnen aller Zeiten.
Zugleich galt sie als eine der stilvollsten Schauspielerinnen. Einige ihrer Outfits waren exzentrisch, viele davon hat sie selbst genäht. Sie besaß eine große Sammlung von Roben und epischen Outfits, die nach ihrem Tod im Jahr 2011 immer wieder öffentlich ausgestellt wurden.
Sie war auch dafür berühmt, dass sie eine der dünnsten Taillen in der gesamten Sowjetunion hatte – der Rekord lag bei 43 cm. Außerdem blieb sie bis zu ihrem 70. Lebensjahr fit! In Interviews sagte sie, dass die Jahre des Krieges und des Hungers wahrscheinlich zu ihrer Figur beigetragen haben.
„Ich brauche jemanden, der mir jeden Tag sagt: Wir lieben dich! Wir brauchen dich! Und das hebt mein Kinn und lässt meine Schultern straffen“, verriet Gurtschenko ihr größtes Geheimnis. Bis in die 2000er Jahre hinein arbeitete sie weiter in Filmen. Gleichzeitig trat sie sehr oft auf der Bühne mit Liedern auf.
Und obwohl die Leute in ihren letzten Jahren über ihr Aussehen lachten, weil sie zu sehr auf Schönheitsoperationen erpicht war, sang sie weiter, trat auf und lachte über sich selbst, wie sie es immer tat.
„Mein Stil war ansteckende Fröhlichkeit und Optimismus. Ich war ein Symbol meiner eigenen Selbstironie!“