Zypern: Hohe Ansteckgefahr

Bild: Natalja Michajlenko

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Der ehemalige Finanzminister Russlands, Alexej Kudrin, befürwortet die Rettung Zyperns durch die EU. Eine Ausbreitung der Krise müsse verhindert werden. Zypern sei auch erst durch Griechenland nach unten gezogen worden.

Ich kann mich noch erinnern, als sich 1998 die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Sergej Kirienko für eine Abschaffung der für Zypern geltenden Steuervorteile aussprach. Das traf die zyprische Regierung wie ein Schlag ins Gesicht, denn dadurch hätte der Inselstaat die Hälfte seiner

Geschäfte verloren. Der damalige Präsident Zyperns traf sich daraufhin mit Boris Jelzin und schaffte es, den russischen Präsidenten von Kirienkos Plänen abzuhalten. Im Gegenzug erklärte sich Zypern einverstanden, Flugabwehrsysteme des Typs S-300 von Russland zu kaufen und diese bei sich zu stationieren. Diese wurden zwar bezahlt, aber nie auf die Insel geliefert, da die Einwände vonseiten der Türkei zu groß waren. Russland betrachtete Zypern damals als einen wichtigen geopolitischen Verbündeten. Die Insel bietet auch jetzt verstärkt dem russischen Handel ihre Unterstützung und Dienste an. Allerdings gehört Zypern seit 2004 der EU und 2008 der Eurozone an und muss sich damit abfinden, dass es über sein Schicksal nicht mehr alleine bestimmen kann.

In den vergangenen Tagen hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder davon gesprochen, dass das Finanzmodell in Zypern „nicht geschäftsfähig" sei. Damit hat sie das Vertrauen in das zyprische Finanzsystem stark zerrüttet. Die Hauptursache für Zyperns vielfach diskutierte missliche Lage ist das Verhältnis der Bankenaktiva zum BIP, welches in Zypern derzeit bei 7:1 liegt. Zum Vergleich: Der Anteil des Bankenvermögens in Luxemburg ist um 20 Mal größer als das dortige BIP, in Großbritannien beträgt der Wert 5:1 und in Deutschland liegt er im europäischen Durchschnitt bei etwa 3:1. Darüber hinaus wurde das zyprische Finanzmodell zu einem Zeitpunkt als „nicht geschäftsfähig" erklärt, als die dort ansässigen Banken dazu gezwungen waren, die Schulden Griechenlands abzuschreiben. Die Banken waren beim Ankauf griechischer Staatsanleihen bestimmt nicht gerade vorsichtig gewesen, doch schließlich war die gesamte EU bestrebt, Griechenland vor der Pleite zu retten. Investoren waren zudem noch davon überzeugt, dass die Eurozone Griechenland vor dem Bankrott bewahren werde, wie auch jedes andere Land der Europäischen Union.

Darin liegt auch einer der größten Widersprüche, welchen die derzeitige Wirtschaftskrise ans Licht gebracht hat: Investoren bewerteten aus politischen Gründen die Obligationen der EU-Länder am Rand der Eurozone besser, als sie eigentlich waren. Zypern ist also der sich aus Griechenland ausbreitenden Krise zum Opfer gefallen. Und hier liegt das Problem: Die derzeitige Situation in Europa ist so instabil, weil auch Zypern andere Länder anstecken könnte. Sollte es dazu kommen, dann nicht nur deswegen, weil die Wirtschaft der Insel ständig Geld verliert. Ebenso viel Bedeutung hat die Tatsache, dass bereits zu vielen Investoren aus Problemländern mit der Zwangsabgabe auf Bankeinlagen Angst gemacht wurde. Folglich muss damit gerechnet werden, dass es zu einem verstärkten Abzug von Anlagen aus Ländern der gesamten EU-Peripherie kommt.

 

Nicht alle Risiken beseitigt

Es steht außer Frage, dass die benötigte Summe in Höhe von 17 Milliarden Euro von der EU selbst zur Verfügung hätte gestellt werden können. Allerdings sprechen zwei Dinge, die auch von pädagogischem Wert sind, gegen eine solche Rettung. Erstens, Zypern muss eigene Rettungsmaßnahmen treffen. Das ist nur konsequent, denn sonst würde sich kein einziges Land um die Sanierung seines eigenen Haushalts bemühen. Zweitens kann sich die EU nicht einfach über seine Wähler hinwegsetzen. Viele europäische Politiker behaupten nämlich, dass das Geld der „Russen" infolge „krummer" Geschäfte in Zypern gelandet sei, und deshalb möchte man den „Russen" nicht helfen. Verständlicherweise wird es für die europäischen Regierungen somit immer schwieriger, ihre Wähler von der Notwendigkeit einer finanziellen Unterstützung der peripheren EU-Länder zu überzeugen. Die EU konnte an Zypern ein Exempel statuieren, um ihre Entschlossenheit zu zeigen.

Die Folgen für Zypern sind schwer abschätzbar. Sie sind ebenso unklar, wie die Details zur Pleite der Bank „Laiki" oder der Rettung der „Bank of Cyprus". Sicher ist, dass selbst die Zwangsabgaben auf Bankeinlagen Zypern nicht das nötige Geld liefern und auch nicht alle Risiken beseitigen werden. Denn nach den Worten der deutschen Kanzlerin sei die Beibehaltung des derzeitigen zentralen Finanzmodells auf der Insel bereits ausgeschlossen. Somit bleibt auch offen, auf welchem Niveau der Geldfluss erhalten wird. In jedem Fall wird der Lebensstandard in Zypern sinken, und viele Menschen werden ihre Arbeit verlieren.

Eine unzureichende Unterstützung vonseiten der Europäischen Union und der EZB kann jedoch dazu führen, dass Zypern aus der Eurozone austreten muss. In diesem Fall würde die Umrechnung des Bankenvermögens in die alte zyprische Währung sowie die Auszahlung der Gehälter in dieser Währung dazu führen, dass dem Finanzgeschäft der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Damit würde der Lebensstandard im Land noch weiter absinken, als es mit dem Euro der Fall wäre. Die eigentliche Gefahr besteht allerdings darin, dass das Risiko für die restlichen Randländer der EU noch größer wird und sich dadurch die Krise weiter verschlimmert. Dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis das nächste Land zu kriseln beginnt.

Ich glaube, dass die EU in vollem Maße dafür verantwortlich ist, ein Übergreifen der Krise auf andere Länder zu verhindern. Daher muss die Europäische Union alle Maßnahmen treffen, um Zypern vor einer Pleite zu bewahren. Die Ausbreitung der Krise würde jedenfalls noch sehr viel mehr kosten.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.

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