Bild: Nijas Karim
Es gibt unterschiedliche Meinungen zu den Hintergründen der Zwangsabgabe auf Bankeinlagen, die die Euro-Gruppe gegenüber Zypern erfolgreich durchgedrückt hat. Auf jeden Fall kommt sie einer Teilenteignung der Sparer gleich. Ohne die Zustimmung zu dem Deal
jedoch hätte Zypern keinen europäischen Hilfskredit erhalten. Der wiederum ist aber notwendig, um das Bankensystem des Landes zu retten. Es ist immerhin neben dem Tourismus Zyperns Haupteinnahmequelle.
Die Zwangsabgabe, so sagen viele russische und ausländische Quellen übereinstimmend, sei gegen russische Investoren im Offshore-Paradies Zypern und gegen deren dort gelagertes Schwarzgeld gerichtet. Dies mag, wenn auch nur teilweise, zutreffen. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Großteil dieser Gelder bereits rechtzeitig ausgelagert wurde. Der vorgeschlagene Lösungsweg, so eine andere häufig zu hörende Meinung, sei nicht nur absurd, sondern auch unfair, unprofessionell und gefährlich.
Der bekannte russische Finanzexperte und frühere Finanzminister Alexej Kudrin ist der Meinung, dass die Hauptschuld an der Zypern-Krise die EU und das Euro-Regelwerk tragen, die das Schuldenproblem der Insel entweder nicht rechtzeitig lösen konnten oder wollten. Ich stimme fast allen diesen Meinungen zu. Dennoch zweifle ich an der kompletten Unprofessionalität der Euro-Gruppe, in der die Deutschen die erste Geige spielen. Deshalb unterscheidet sich meine, ganz eigene, Hypothese auch etwas vom Großteil der bisherigen Erklärungen.
Die Einführung der „Steuer auf Bankeinlagen" ist wirklich absurd und unprofessionell, bedenkt man, dass die Steuer darauf ausgerichtet sein soll, das marode Bankensystem und die Wirtschaft Zyperns zu retten. Umgekehrt, als die zypriotischen Parlamentarier ihr Einverständnis zur Einführung dieser Steuer gaben, begingen sie nicht nur politisches Harakiri, sondern leiteten den Untergang des Bankensystems des Landes ein.
Banken leben von Vertrauen und das zyprische Einverständnis mit der Einführung der Zwangsabgabe bedeutet die unwiderrufliche Zerstörung dieses Vertrauens. Im Klartext: Das Vertrauen in das zyprische Bankensystem wird in absehbarer Zeit nicht wiederhergestellt werden können.
Und die Finanzexperten der Euro-Gruppe können einfach nicht behaupten, dass sie sich darüber nicht im Klaren waren. Im Umkehrschluss heißt das, dass sie bewusst das System geschädigt und dadurch die Reputation des gesamten europäischen Bankensystems beeinträchtigt haben. Denn die Stabilität und den Ruf des gesamten europäischen Finanzsystems zu riskieren, nur um einigen tausend Russen und regierungsnahen Firmen das Handwerk zu legen, ist doch wirklich absurd.
Warum, so stellt sich die Frage, hat die Euro-Gruppe den Zusammenbruch des zyprischen Bankensystems und der Wirtschaft des Landes bewusst hervorgerufen? Ich riskiere zu behaupten, dass man Zypern zu einem Beispiel machen wollte und den südlichen EU-Mitgliedsstaaten aufzeigen wollte, was passiert, wenn sie sich weigern, das harte Sparregime und die De-facto-Übernahme der Finanzgeschäfte von außen zu akzeptieren.
Mit meiner Hypothese möchte ich weder Deutschland noch den anderen Länder, die sich in einem seelenlosen Imperialismus um Deutschland gruppiert haben, zu Nahe treten. Die derzeitige Situation könnte jedoch der Anfang eines wirklich harten Kampfes zum Erhalt der EU sein, die es auf jeden Fall zu retten gilt.
Sergej Karaganow ist der Präsident des Russischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik.
Die ungekürzte Fassung dieses Beitrag erschien zuerst bei Rossijskaja Gaseta.
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