Keine Unterstützung für militante Kräfte

Bild: Alexej Jorsch

Bild: Alexej Jorsch

Die Lage in der Ukraine ist düster – und bleibt es auch die nächsten Jahre. Russland wird sich jedoch nicht mit militärischen Mitteln in die inneren Angelegenheiten des osteuropäischen Landes einmischen. Das Risiko wäre zu hoch.


Die russische Regierung hat offensichtlich beschlossen, grundsätzlich auf jede Form von militärischer Einmischung im Südosten der Ukraine zu verzichten. Das geht aus den Gesprächen zwischen den Verteidigungsministern Russlands und der USA hervor. Bestätigt wird diese Tatsache durch den Rückzug der russischen Truppen aus dem russisch-ukrainischen Grenzgebiet. Dieser wiederum war der Startschuss für die neue Offensive der ukrainischen Armee.

Eine verdeckte Beteiligung von russischen Militärs an den Ereignissen in der Region dürfte, sofern es sie überhaupt gegeben hat, unbedeutend gewesen sein. Die Kampfhandlungen der vergangenen Tage belegen, dass nur ein kleiner Kern der militanten Kräfte militärisch geschult ist. Innerhalb dieses Kerns spielen militärisch erfahrene, russische Nationalisten eine wichtige Rolle. Deren Verhältnis zu Russland ist jedoch nicht eindeutig geklärt.

So vertritt Igor Girkin alias Strelkow, der Anführer dieser sogenannten Volksmiliz in Slawjansk, in einschlägigen Internetforen radikale nationalistische Überzeugungen. Der gegenwärtigen russischen Regierung bringt er genauso wenig Sympathie entgegen wie den Teilnehmern der Protestaktionen auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau. Zahlreiche von ihm selbst veröffentlichte biografische Details, einschließlich der Orte seines Militärdienstes, und sein Engagement beim Nachstellen militärhistorischer Schlachten vervollständigen dieses Bild. Wahrscheinlich ist Strelkow ein ehemaliger russischer Geheimdienstoffizier von nicht allzu hohem Rang.

Die Wenigen, die zum Kampf gegen die ukrainischen Truppen bereit sind, sind militärisch nur sehr bescheiden ausgerüstet. Auch gibt es keinerlei Hinweise, dass diese Männer aus Russland stammen. Die am ersten Tag der Kämpfe eingesetzte Ein-Mann-Boden-Luft-Rakete hatten die Aufständischen wahrscheinlich im Zuge der Entwaffnung der 25. Brigade der ukrainischen Luftlandetruppen erbeutet. Die Tatsache, dass sie nach dem ersten Tag der aktiven Kampfhandlungen nicht weiter zum Einsatz kam, weist darauf hin, dass es sich um ein Einzelstück mit „Trophäencharakter" handelt.

Die Rolle der russischen Sondereinheiten und Geheimdienste bei dem Konflikt in der Südost-Ukraine besteht allenfalls in der Beobachtung der Situation. Möglicherweise stehen sie auch in Kontakt zu einigen Anführern militanter Gruppierungen. Momentan beschränkt sich Russland darauf, die von Kiew organisierte Niederschlagung der Proteste im Südosten des Landes zu beobachten. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe: Zum einen

fürchtet man die wirtschaftlichen Sanktionen, mit denen die USA und Deutschland im Falle von militärischen Einmischung drohen. Zum anderen möchte sich Moskau nicht in einen Konflikt hineinziehen lassen, der auf wirtschaftlich äußerst unsicherem Gebiet, mit einer politisch nicht eindeutig festgelegten Bevölkerung ausgetragen wird. Ein militärisches Engagement in dieser Region wäre mit einem hohen Risiko und nicht vorhersehbaren Folgen für die russische Wirtschaft verbunden.

Die ukrainische Armee scheint trotz ihrer schlechten Organisation, der schwachen Moral und ihres geringen militärischen Know-hows den Kreis um die Volksmiliz schrittweise immer enger zu ziehen. Höchstwahrscheinlich werden die Gebiete rechtzeitig zu den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung kommen. So kann bei den Wahlen zumindest der Schein gewahrt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass sich am Horizont eine Entspannung der ukrainischen Krise abzeichnet. Die Bevölkerung musste eine von schlecht organisierten Truppen durchgeführte und von militanten Ultranationalisten unterstützte Militäroperation ertragen. Die tragischen Ereignisse in Odessa haben die Wut der Bürger noch weiter geschürt.

Nach dem Sturz von Janukowitsch hat die Revolution das Land überschattet und ihm zugleich seine größte Chance genommen: die Aussicht auf einen Wechsel innerhalb der politischen Eliten. Alle Kandidaten für das Präsidentenamt, einschließlich Julia Timoschenko, haben eine Vergangenheit in den ukrainischen Machteliten. Vielen von ihnen wurden noch vor wenigen Jahren als Verkörperung der Korruption im

Land wahrgenommen. Die Ukraine sieht momentan einer anhaltenden politischen Krise mit einer sich fortsetzenden Radikalisierung der Politik entgegen. Diese wird in erster Linie von den Konfliktfeldern Nationalität, Sprache und Religion ausgetragen.

Es wird nicht zu vermeiden sein, dass Russland, die Europäische Union und die USA auch in den kommenden Jahren in die innerukrainischen Erschütterungen involviert bleiben. Angesichts des offen zur Schau gestellten, wechselseitigen Misstrauens ihrer politischen Führungen ist zudem auch in Zukunft mit einer Fortsetzung der Konfrontation zu rechnen. Offene und weniger offene Sanktionen gegen Russland werden wohl noch für viele Jahre aufrechterhalten. Deren Ausmaß wird von den tatsächlichen Folgen für die europäische und US-amerikanische Wirtschaft abhängen.

 

Der Autor ist ein Experte des Zentrums für die Analyse von Strategien und Technologien.

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