Bild: Konstantin Maler
In den letzten Jahrzehnten gab es weltweit einen starken Anstieg bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Dazu zählen Wind, Sonne, Biomasse, Biokraftstoffe oder auch kleinere Wasserkraftwerke. Die Entwicklung wurde durch eine Reihe von Gründen begünstigt: Ein Grund war die notwendige Senkung der Umweltemissionen, insbesondere die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen. Weitere wichtige Gründe waren die Verbesserung der Gesundheit in der Bevölkerung oder die Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten.
In den letzten Jahren lagen die weltweiten Investitionen in die Entwicklung der erneuerbaren Energien stets höher als 150 Milliarden Euro jährlich. Im Zeitraum zwischen 2010 und 2013 vergrößerte sich die Leistung der Windkraftanlagen um das Anderthalbfache und übertraf erstmals 300 Gigawatt. Auch die Leistung der Solarstromanlagen erhöhte sich im Vergleich zu 2010 um das Zweifache und erreichte 2013 ungefähr 135 Gigawatt.
Führend in der „neuen, sauberen Energiewirtschaft" sind die USA, China, Deutschland, Indien, Brasilien und Spanien. Eine Analyse der G20-Länder von 2013 hat gezeigt, dass praktisch alle Mitglieder, mit Ausnahme von Saudi-Arabien und Russland, in den letzten Jahren beachtliche Leistungskapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien aufgebaut haben.
Russland im Promillebereich
Die Kapazität der Windkraftanlagen in Russland beträgt nach unterschiedlichen Schätzungen 13 bis 15 Megawatt. Im weltweiten Vergleich sind das weniger als 0,005 Prozent der Kapazität vergleichbarer Anlagen. Ende 2013 nahm in Dagestan die größte Solarstromanlage Russlands den Betrieb auf. Die Anlage hat eine Leistung von fünf Megawatt. Allerdings ist dies, verglichen mit der weltweiten Kapazität, auch wieder nur fünf Promille.
Oft hört man das Argument, dass Russland über einen riesigen Vorrat an fossilen Brennstoffen verfügt und deshalb keine Notwendigkeit in der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen sieht. Allerdings zeigt die
weltweite Erfahrung, dass dieses Argument nicht stichhaltig ist. Die USA sind einer der größten Erdöl- und Erdgasproduzenten der Welt, konkurrieren jedoch mit China um die ersten Plätze bei der Nutzung von erneuerbaren Energien.
Der größte europäische Öl- und Gasproduzent Norwegen steigerte die Leistung seiner Windkraftanlagen von 13 Megawatt im Jahr 2000 auf 766 Megawatt im Jahr 2013 und arbeitet momentan an einer Erhöhung dieses Werts auf zwei Gigawatt bis zum Jahr 2020.
In Saudi-Arabien nahm 2014 die erste Solarstromanlage mit einer Leistung von 1 Megawatt den Betrieb auf und soll mithilfe von Investitionen in Höhe von etwa 73 Milliarden Euro bis zum Jahr 2032 42 Gigawatt erreichen. Dies würde die Energieversorgung des Landes zu fast einem Drittel decken.
Theoretisch verfügt Russland über ein riesiges Potenzial an regenerativen Energiequellen. Traditionellerweise handelt es sich dabei um Brennholz, dessen Nutzungsumfang auf 20 bis 30 Millionen Kubikmeter im Jahr geschätzt wird. Doch die Nutzung von Holz und Biomasse für die Stromerzeugung ist ein Einzelfall. Zwar gibt es erfolgreiche Projekte für die Erzeugung von Biogas, das durch die Wiederaufbereitung von landwirtschaftlichen Abfallstoffen entsteht, wie zum Beispiel im Gebiet Belgorod. Im Landesvergleich wird das Potenzial dieser Energiequelle jedoch noch in einem sehr geringen Maße genutzt.
Das Vorhandensein erstklassiger natürlicher oder meteorologischer Voraussetzungen in einigen russischen Regionen, beispielsweise auf der Kola-Halbinsel und an den Meeresküsten für Windenergie oder im Süden des europäischen Teils von Russland, am Baikalsee und im Altai für die Sonnenenergie, steht in einem scharfen Gegensatz zu den oben skizzierten Leistungskapazitäten.
Die russischen Behörden haben begonnen, der dringend notwendigen Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das 2003 verabschiedete Gesetz „Über die Elektroenergiewirtschaft" enthielt bereits Maßnahmen zur Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien durch einen erleichterten Zugang zum Stromnetz. Betreibern wurde dabei eine Abnahmegarantie zugesprochen. Allerdings zeigten diese Maßnahmen keine spürbaren Ergebnisse.
Russische Föderation setzt Ausbauziele
2012 und 2014 hat die russische Regierung in einer Reihe von Gesetzten detaillierte Maßnahmen und Ziele für die Erweiterung der Leistungskapazitäten festgelegt. Bei den Windkraftanlagen sollen sie von 100 Megawatt im Jahr 2014 auf ein Gigawatt im Jahr 2020 steigen, was im Zeitraum zwischen 2014 und 2020 eine Gesamtleistungskapazität von 3,6 Gigawatt garantieren soll. Bei den Solarstromanlagen liegt die Vorgabe für 2014 bei 120 Megawatt mit einem Anstieg auf 270 Megawatt bis zum Jahr 2020, was für den Zeitraum zwischen 2014 und 2020 in der Summe der Jahre 1,5 Gigawatt ausmachen soll. Eine verstärkte Förderung im Bereich der Biomassenutzung in Form von Biogas, flüssigem Biokraftstoff und Holzbrennstoff ist ebenfalls vorgesehen.
Jedoch ist die Finanzierung dieser Vorhaben aus dem Föderationshaushalt nicht eingeplant. Mit dieser Tatsache lässt sich auch die mangelnde Investitionstätigkeit bei erneuerbaren Energien in Russland erklären. Das staatliche Konjunkturprogramm „Energieeffizienz und Entwicklung der Energiewirtschaft", das zwischen 2013 und 2020 mit einem Finanzvolumen von 600 Milliarden Euro umgesetzt werden soll, wird mit nur 2,2 Milliarden Euro aus dem Föderationshaushalt finanziert. Vor diesem Geld fließen wiederum nur 37 Millionen Euro in die Entwicklung der Nutzung erneuerbarer Energien.
Bei einer kaum vorhandenen staatlichen Förderung muss der Ausbau von Erneuerbaren Energien durch höhere Zahlungen der Netzbetreiber
gefördert werden. Diese haben zurzeit jedoch noch andere Pläne für die Verwendung ihrer Einnahmen. Ob die Zielvorgaben der Regierung wirklich zu einer halbwegs spürbaren Änderung der Situation führen, wird sich also noch herausstellen.
Weltweit gibt es eine große Anzahl an Methoden zur Förderung der erneuerbaren Energien. Diese haben in den letzten Jahrzehnten beachtliche Ergebnisse geliefert. Doch nicht alle Maßnahmen waren erfolgreich. Oft mussten Gesetze und Förderungen modifiziert oder komplett neu ausgerichtet werden. Die Ausbaudiskussion sollte unter der Teilnahme aller Beteiligten, insbesondere der Energiewirtschaft, der Politik und der Regierung stattfinden. Im Dialog mit allen Interessengruppen muss ein Kompromiss gefunden werden.
Alexej Knischnikow ist Programmleiter für Umweltpolitik im Öl- und Gassektor bei der WWF in Russland; Alexej Grigorjew ist Experte des Internationalen Sozial-Ökologischen Bundes.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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