Wahlen in der Ukraine: Keine Lösungen, nur neues Konfliktpotenzial

Mit der Wahl ist das Kapitel Viktor Janukowitsch beendet, meint Dmitri Babitsch. Bild: Alexej Jorsch

Mit der Wahl ist das Kapitel Viktor Janukowitsch beendet, meint Dmitri Babitsch. Bild: Alexej Jorsch

Die Ukraine hat gewählt. Petro Poroschenko muss sich die Macht zukünftig mit Arsenji Jazenjuks Volksfront teilen. Für den Maidan ist das ein Erfolg, denn die neue Regierung wird pro-europäisch sein. Doch für den Südosten ist auch nach der Wahl kein Frieden in Sicht.

Noch ist das Ergebnis der ukrainischen Wahlen nicht offiziell, doch der überraschende Erfolg der Volksfront scheint garantiert. Auf die Volksfront entfielen laut vorläufigem Endergebnis 21,6 Prozent der Stimmen, damit liegt die Partei knapp vor dem Block Petro Poroschenko mit 21,5 Prozent. Die Volksfront wird angeführt von Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk und Parlamentspräsident Olexandr Turtschynow. Meiner Ansicht nach unterstützt die Volksfront in der Frage der territorialen Integrität der Ukraine ein entschiedenes Vorgehen.

51 Prozent der stimmberechtigten Ukrainer gingen zur Wahl. Das Wahlergebnis weist den Weg in eine nationalistischere und kleinere Ukraine. Doch die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk, die zu den bevölkerungsreichsten Gebieten der Ukraine gehören, beteiligten sich nicht an der Wahl. In anderen vom ukrainischen Militär kontrollierten Gebieten mit überwiegend russischsprachiger Bevölkerung wie Odessa oder Charkiw betrug die Wahlbeteiligung rund 26 Prozent. In Donezk und Lugansk wird die Wahl nicht anerkannt, dort finden am kommenden Sonntag eigene Wahlen statt.

Die Wahlen wurden allerdings international anerkannt, auch von Russland. Experten gehen davon aus, dass das Wahlergebnis dennoch nicht zu einer schnellen politischen Lösung in Fragen der ukrainischen Integrität führen wird. Michail Pogrebinskij, Direktor des Kiewer Zentrums für Politik- und Konfliktforschung, beispielsweise hält es nun für noch schwieriger, dass die Ukraine auf friedlichem Wege die Wiederherstellung ihrer Grenzen vom Februar 2014 erreichen werde, denn nun säßen auch Hardliner im Parlament. „Weder die Krim noch der Donbass, beides Gebiete mit überwiegend russischsprachiger Bevölkerung, werden freiwillig in einen Staat zurückkehren wollen, in dem sie nicht im Parlament vertreten sind. Föderale Bestrebungen sind im Regierungsprogramm nicht vorgesehen, sogar der oppositionelle Block verhält sich loyal gegenüber Poroschenkos Linie", erklärt er.

Die Wahlsieger vom Sonntag werden gute Partner Europas sein, jedoch haben sie sich von der Bevölkerung der Krim und des Donbass entfremdet. Für die lange Zeit des Bürgerkriegs und die vielfachen Verzögerungen bei der Auszahlung von Löhnen und Renten in diesen Gebieten macht ihre Bevölkerung die aktuelle Regierung verantwortlich. Das erklärt vielleicht auch, warum in der Hafenstadt Mariupol, in der die Bevölkerung mehrheitlich russischsprachig ist, die aber vom ukrainischen Militär kontrolliert wird, die Opposition über 50 Prozent der Stimmen bekam.

 

Kein Neuanfang im Beziehungsdreieck

Mit der Wahl ist das Kapitel Viktor Janukowitsch, der im russischen Exil lebt, beendet. Mit einem Neuanfang der Beziehungen zwischen der Ukraine, Russland und der Europäischen Union, die im Sommer angespannt waren wie nie zuvor, ist jedoch nicht zu rechnen. Pogrebinskij hält die friedliche Rückkehr zu einer vereinten Ukraine politisch für unmöglich. „Das ist der Nährboden für einen chronischen Konflikt zwischen Russland und der EU", meint er. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe betont, die Anerkennung der geplanten Wahlen im Donbass durch Kiew sei eine Schlüsselvoraussetzung, um die Sanktionen der EU gegen Russland aufzuheben, bemerkt Pogrebinskij. „Die Probleme der Ukraine können nur noch außerhalb des Landes gelöst werden", glaubt er.

Es ist kein gutes Zeichen, dass Janukowitschs Partei der Regionen von den Wahlen de facto ausgeschlossen wurde. Der eilig geschaffene Oppositionsblock, für den einige Führer der Partei der Regionen antraten,

kam bei den Wahlen am Sonntag auf fast zehn Prozent, aber Experten bezweifeln, dass er unter den gegenwärtigen Bedingungen die Interessen der östlichen Ukraine effektiv vertreten könne. Das noch vor den Wahlen eilig verabschiedete Lustrationsgesetz wird dazu beitragen. Kost Bodnarenko, Direktor der Stiftung für ukrainische Politik mit Sitz in Kiew, hält diese Gesetze für drastisch, sie ließen Janukowitschs Vorgehen im Umgang mit politischen Gegnern „relativ harmlos" wirken. Durch den Maidan habe es nicht nur einen Machtwechsel gegeben, zudem seien auch alle „andersdenkenden politischen Kräfte von der Bildfläche verschwunden", resümiert Bodnarenko.

Mein Fazit: Die Wahlen haben möglicherweise die politische Landschaft der Ukraine verändert. Einen Beitrag zur Konfliktlösung haben sie aber nicht gleistet. Russland ist der Ansicht, dass es durch den Truppenabzug aus dem russisch-ukrainischen Grenzgebiet und die Anerkennung der ukrainischen Wahlen den USA und der EU entgegengekommen sei, und Putin redet wieder mit Poroschenko. Aber eine Roadmap für eine dauerhafte Konfliktlösung gibt es nicht.

Dmitri Babitsch ist Kolumnist beim Radiosender Golos Rossii (Stimme Russlands).

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