Rubel im Freischwimmerbereich

Bild: Alexej Jorsch

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Ist Russland in der Lage, die Bedeutung des Dollars in ihrer Wirtschaft zu reduzieren?

Am 7. November erreichten der US-Dollar und der Euro gegenüber dem Rubel ein historisches Hoch, und die russische Währung wird auch weiterhin schwächeln, solange der Ukraine-Konflikt kein Ende nimmt. Vor einigen Tagen lag der Wechselkurs zwischen Rubel und US-Dollar bei etwa 1:48, während der Euro zu einem Rekordkurs von 1:60 gehandelt wurde. Am 10. November deutete der russische Präsident Wladimir Putin beim APEC-Gipfel in Peking an, dass Russlands Zentralbank nicht länger intervenieren werde und auf einen offiziellen Handelskorridor für den Rubel verzichte. Das macht den Rubel faktisch zu einer frei floatenden Währung.

Was kommt als nächstes, jetzt, wo es dem Rubel möglich ist, seinen tatsächlichen Marktwert auf den globalen Märkten zu ermitteln?

Es hat sich so gefügt, dass der US-Dollar einen speziellen Platz in den Köpfen der postsowjetischen russischen Bevölkerung einnimmt. Russen haben nahezu zu jeder gängigen Währung ein größeres Vertrauen als zu ihrem einheimischen Rubel. Die meisten Russen erinnern sich noch an die frühen Neunzigerjahre, als praktisch jedermann begann, Rubel in US-Dollar zu tauschen, manchmal ohne jeden nennenswerten Grund. Sie hatten dafür häufig nur ein einziges Motiv: Sie misstrauten zutiefst dem „Holz"-Rubel.

Die Ersten, die versuchten, ihre Rubel abzustoßen, waren die Währungshändler, die die nationale Währung sogar direkt auf der Straße verkauften. Sie erzeugten diese Mentalität auf dem neuen Markt für Westkonsumgüter und der Otto-Normal-Verbraucher wurde von diesem Virus angesteckt. Und das ist auch verständlich. Die erste Gruppe, die Händler, benötigten die fremden Währungen, um ihr „Geschäft" vor dem Auf und Ab der Zinsentwicklung zu sichern, während die zweite Gruppe, der sprichwörtliche kleine Mann auf der Straße, sich unbewusst dieser Entwicklung anpasste und so Russland zu einem überstaatlichen Währungssystem verhalf.

Das Ergebnis war absolut schockierend. Das Geld, das Herzblut einer jeden Volkswirtschaft und des nationalen Finanzsystems, wurde einer Transfusion unterzogen und dabei mit allen möglichen Krankheiten der frühen postsowjetischen Periode angesteckt. Der Organismus des erst kurz zuvor geborenen neuen Russlands, der sich eigentlich entwickeln und eine gewisse Immunität aufbauen sollte, konnte nicht überleben.
Noch vor einigen Jahrzehnten dominierte der US-Dollar nicht nur in Russland, sondern auch in den meisten Schwellenländern. Er war das Hauptinstrument des internationalen Handels, und die Nachfrage nach ihm nahm mit jedem Jahr zu. Als Reservewährung der Welt bewahrte der US-Dollar seinen Wert und vergrößerte die Nachfrage nach US-amerikanischen Staatsanleihen. Die meisten Länder der Welt legten ihre Reserven größtenteils in US-Dollar an. Und das ermöglichte es der US-Regierung, Geld zu leihen und die Dollars leicht und ohne irgendwelche Einschränkungen auszugeben.

Aber nunmehr wird sich die Situation wahrscheinlich ändern. Die Volkswirtschaften der Schwellenländer steigern ihre Rolle im globalen

Handel. Eine Großzahl der Länder sucht nach Möglichkeiten, die Bedeutung des US-Dollars in ihrer Wirtschaft zu reduzieren. Einige der Erdöl exportierenden Länder sind bereits dazu übergegangen, ihr Öl nicht länger für US-Dollar zu verkaufen. Die Vereinten Nationen und die Weltbank haben Berichte vorgelegt, die auf mögliche Gründe hinweisen, eine neue, vom US-Dollar unabhängige Reservewährung zu schaffen.

Letztes Jahr unterzeichneten China und Russland Vereinbarungen, die die Verwendung des US-Dollars in einigen Handelssektoren beschränken. Tatsächlich waren Moskau und Peking die ersten, die diesen Schritt gegangen sind. Im Zeitraum von 2011 bis 2014 waren die beiden Länder bereit, sich von auf US-Dollar basierenden Verträgen zu lösen und im internationalen Handel den Rubel und Yuan zu verwenden. Später startete Japan, auf dem Yen basierende Handelsverträge zu unterzeichnen.

Dies ermöglichte ein Währungsumrechnungssystem ohne den US-Dollar als Vermittlungswährung. Außerdem wurde zwischen Russland, China, Brasilien, Indien und Südafrika eine neue Vereinbarung geschlossen, in dem diese BRICS-Staaten ihre Landeswährungen bei internationalen Geschäften bevorzugen werden. 2009 wurde China zum größten Handelspartner der meisten afrikanischen Länder. Infolgedessen wird 2015 der Handel zwischen

Afrika und China ein Volumen von 100 Milliarden Yuan überschreiten.

Wirft man einen Blick in die Zukunft, wird all dies zu ernsthaften Konsequenzen nicht nur für Russlands Wirtschaftspolitik, sondern auch für den durchschnittlichen, über die Zukunft seiner Rubelersparnisse besorgten Russen führen. Ist es wirklich sicherer, seine Ersparnisse oder Einlagen in andere Währungen oder gar in Edelmetalle wie Gold zu stecken?

Vor diesem Hintergrund sollten Wladimir Putins jüngste Zusicherungen auf dem APEC-Gipfel dazu führen, dass sich jedermann besser fühlt. Und tatsächlich holte der Rubel auch gleich gegenüber dem US-Dollar auf. Die Frage ist allerdings, ob die Talfahrt des Rubels in den vergangenen Monaten das Ergebnis der schlechten konjunkturellen Rahmenbedingungen der russischen Wirtschaft oder aber das Ergebnis von gefährlichen Spekulationen ist, die die normalerweise rational agierenden Finanzmärkte anstecken.

Maxim Safonow ist Professor an der staatlichen Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Russia Direct.

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