Wer profitiert vom schwachen Yuan?

Alexej Jorsch
Mit der Abwertung des Yuan findet die wirtschaftliche Entwicklung Chinas seit 2008 ihren vorläufigen Abschluss.

Auf die deutliche Abwertung des Yuans folgte eine ganze Flut an Erklärungen, warum dies zum jetzigen Zeitpunkt geschehe und welche Vorteile China daraus ziehe. Nachvollziehbar sind die Argumente der Chinesen allemal. Und sie waren sicherlich einer der Gründe für die dramatischen, wenn nicht „epochalen“ Bewegungen beim Währungskurs eines Landes, das den USA beim Bruttoinlandsprodukt den ersten Rang streitig macht. Parallelen zur Entwicklung in Russland sind nicht zu übersehen: 2014 gab die russische Zentralbank den Rubelkurs frei.

Mit der Abwertung des Yuan findet die wirtschaftliche Entwicklung Chinas seit 2008 ihren vorläufigen Abschluss. Alles Gerede darüber, dass die Krise überwunden und die Welt auf den Wachstumspfad zurückgekehrt sei – eine zwischen 2010 und 2011 weitläufige Meinung –, erwies sich als verfrüht und allzu optimistisch. Das damalige vier- bis fünfprozentige Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsprodukts ist inzwischen auf unter drei Prozent gefallen und die Aussichten auf das Wiedereinsetzen eines ähnlich rasanten Wachstumstempos sind eher gering. Insofern ist die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft ein Abbild der weltweit vorherrschenden Tendenz, die sich heute deutlich am massiven Preisverfall für Rohstoffe und am Rückgang der globalen Handels- und Transportvolumina abzeichnet. China betreibt ein exportorientiertes Geschäftsmodell. Angesichts dessen, dass die günstige Arbeitskraft als Ressource allerdings nahezu vollständig ausgeschöpft ist, musste Peking eine Entscheidung treffen. Und keine einfache: entweder das Geschäftsmodell ändern oder neue Wachstumsimpulse finden. In dieser Situation erwies sich nun der Währungskurs als das Mittel der Wahl. Er hilft, das Problem schnell, wenn auch nur kurzfristig, zu beheben.

Andererseits bahnte die Notwendigkeit einer Abwertung des Yuans sich seit Langem an. Im Vergleich zu seinen Konkurrenten – anderen Exportnationen – legte der chinesische Währungskurs seit der Vorkrisenperiode im Jahr 2007 um 50 Prozent zu. Nach der Krise gingen die Währungen Chinas und Russlands „parallele Wege“, bis 2013 die Abwertung des Rubels einsetzte, die 2014 vor dem Hintergrund fallender Ölpreise und steigender Dollarkurse in der Freigabe des Kurses durch die Zentralbank endete. Der Yuan blieb stabil angesichts seiner Bindung an den US-Dollar, was der chinesischen Wirtschaft aber nicht half: Der Export war weiterhin im Rückgang begriffen. Und so kam es zu dem Punkt, an demChina seine schwierige Entscheidung 
fällen musste.

Der Unterschied zwischen Russland und China besteht in der Exportstruktur der beiden Länder. Russland exportiert vor allem Rohstoffe, wohingegen chinesische Ausfuhren von einfachen Konsumgütern bis hin zu komplexen Industrieprodukten reichen. So bleibt Russland eine Geisel der Ölpreisentwicklung. Die Wachstumsaussichten chinesischer Exporte hängen weiterhin direkt vom Tempo und Umfang der Abwertung des Yuans ab.

Bis Mitte 2011 hielten China und seine unmittelbaren Konkurrenten Europa, Japan und Korea den Status quo aufrecht. Danach aber wurden in Japan und in Europa Lockerungsprogramme („Quantitative Easing“), oder mit anderen Worten: die Notenpressen, in Gang gesetzt. Chinesische Produkte wurden damit teurer, was für chinesische Exporteure eine rapide Verschlechterung ihrer Ausgangssituation im Vergleich zu Wettbewerbern aus Europa und Asien nach sich zog. Früher oder später musste diese Entwicklung zu einer „Abbremsung“ Chinas führen. Mit der starken Aufwertung des Dollars in den vergangenen zwei Jahren setzten logische Konsequenzen ein: China wertete seine Währung ab. Bei drei bis fünf Prozent wird dieser Prozess nicht haltmachen. Für einen mehr oder weniger akzeptablen Ausgleich der Situation muss die chinesische Währung 20 bis 30 Prozent an Wert verlieren. Möglicherweise wird das von einer liberaleren Währungskurspolitik und einem Übergang zu einer Form des „freien Yuan-Kurses“ in China begleitet.

Für Russland bleiben politische Vereinbarungen, auch zur aktiven Anwendung nationaler Währungen in diesem Prozess, ein weitaus wichtigerer Faktor als Währungskurse. Die erhöhte Volatilität des Rubels und Yuans können durch Interventionen vonseiten staatlicher Banken und Fonds über alle Maßen kompensiert werden: durch Garantien, Handelsfinanzierungen, Bürgschaften. Bei angemessener Anwendung können diese Instrumente russische und chinesische Unternehmen vor dem Sturm schützen, der auf den Währungsmeeren bereits voll im Gange ist. So paradox es auch erscheinen mag: Den US-Dollar als sicheren Hafen könnte dieser Sturm am schwersten treffen.

Konstantin Korischtschenko ist Leiter des Lehrstuhls für Fondsmärkte und Finanzinstrumente an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst in Moskau.

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