Tritt Paris aus dem Schatten Berlins?

Moskau könnte von einem Sieg des Konservativen François Fillon profitieren.

Moskau könnte von einem Sieg des Konservativen François Fillon profitieren.

AP
In Frankreich wurden die Ergebnisse der Kandidatenkür der konservativen Republikaner bekanntgegeben: François Fillon ist ihr Bewerber für die Präsidentschaftswahlen im Frühling 2017. Maksim Jussin, Kolumnist beim „Kommersant“, hat sich Gedanken gemacht, wie dessen Chancen stehen und welche Folgen eine mögliche Präsidentschaft Fillons für Russland haben könnte.

Es ist eine Besonderheit der französischen Politik: In diesem Wahlzyklus gilt der Vorwahlgewinner der konservativen Republikaner automatisch als Favorit im Präsidentschaftswahlkampf. Der Gewinner dieser Vorwahlen ist François Fillon. Die Rechnung ist denkbar einfach: Wer es schafft, in die zweite Runde gegen Marine Le Pen einzuziehen, gewinnt die Wahl. Die regierenden Sozialisten liegen aber weit zurück.

Warum gewinnt dann aber nicht Le Pen, eine der bekanntesten Politikerinnen des Landes? Ihr Problem ist, dass ihr maximales Wählerpotenzial bei 40 Prozent liegt, wenn alles außergewöhnlich gut läuft, könnten es auch 45 Prozent werden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie eine Mehrheit der Stimmen erhält, die für den Sieg nötig wäre.

Der Front National befindet sich noch immer in der politischen Sackgasse, in die die Partei vom Begründer der Bewegung Jean-Marie Le Pen gedrängt wurde. Der Vater der heutigen Vorsitzenden Marine Le Pen hatte in der Vergangenheit zu oft mit Skandalen auf sich aufmerksam gemacht. Infolgedessen halten viele Franzosen die Partei für eine extremistische und ultranationalistische Bewegung, die nicht unterstützt werden darf – nicht nur auf föderaler, sondern auch auf regionaler Ebene. Marine Le Pen nimmt im Vergleich zu ihrem Vater eine ausgeglichenere Haltung ein. Von solch Aussagen ihres Vaters, wie dass die Öfen von Auschwitz nur eine Randerscheinung des Zweiten Weltkriegs gewesen seien, hält sie sich fern. Ihre Partei vollständig aus der politischen Sackgasse zu führen, ist ihr bisher dennoch nicht gelungen.

Ein Sieg Fillons gegen Hollandes Sozialisten ist nötig

Die Aufgabe für ihre Konkurrenten ist bei diesen Wahlen deshalb relativ einfach. Sie müssen in die zweite Runde einziehen und können Marine Le Pen dort wohl besiegen. In der Stichwahl könnten sie die Stimmen der Wähler aller anderen Parteien – den Rechten, den Linken, den Zentristen, den Grünen und den Kommunisten – auf sich vereinen: Die Vorwahlen der Konservativen wurden organisiert, damit die Allianz der gemeinsamen Stimmen hält und man garantiert einen eigenen Vertreter in die Stichwahl bringen kann. Der Hauptkonkurrent für François Fillon wird zunächst nicht Marine Le Pen sein, sondern der sozialistische Kandidat, der in der ersten Runde zwingend geschlagen werden muss.

Aber die Chancen Fillons stehen äußerst gut. Der sozialistische Präsident François Hollande ist so unbeliebt wie noch nie. Es scheint beinahe egal zu sein, ob er selbst oder einer seiner Parteifreunde zur Wahl antreten wird. Der geächtete Hollande wird alle Politiker mit nach unten ziehen, die mit ihm in Verbindung gebracht werden. Daraus kann man schließen: Am 7. Mai, an dem die Stichwahl stattfindet, wird François Fillon mit hoher Wahrscheinlichkeit zum neuen Präsidenten Frankreichs gewählt.

Eine Chance für Russland

Welche Folgen hätte seine Wahl für Moskau? Es wäre eine Chance, die Beziehungen zwischen Frankreich und Russland wiederzubeleben. In den vergangenen Jahren war man vor allem wegen der Lage in der Ukraine und in Syrien sowie der allgemeinen Abkühlung zwischen Russland und dem Westen auf Konfrontationskurs geraten. Man muss jedoch anerkennen, dass Paris unter Präsident François Hollande nicht zum größten Kontrahenten Russlands avancierte. Der diplomatische Ansatz Frankreichs in der Ukraine-Krise war stets ausgeglichen. Die Minsker Abkommen und der Waffenstillstand im Donbass sind zu großen Teilen ein Verdienst der Franzosen.

Doch in der für Moskau wichtigsten Angelegenheit unterstützte Hollande Merkels harten Weg: Frankreich steht hinter den Sanktionen. Paris fand sich im Schatten Berlins wider, sodass die historischen Verbindungen zu Russland vergessen wurden. Darüber sprach im Wahlkampf auch François Fillon, der sich als politischer Nachfolger von General de Gaulle sieht.

Moskau wartete in den letzten Jahren vergeblich auf einen „De-Gaulle-Ansatz“, der seine Meinungen stets unabhängig von den Positionen der USA und des restlichen Europas formte. Nun besteht die Chance, dass es wieder so kommen könnte. In Zukunft könnten nicht nur die kritischen Stimmen aus Deutschland und die Schuldzuweisungen aus Polen und den baltischen Ländern vernommen werden, sondern auch ausgewogene Argumente aus Frankreich. Sanktionen gegen Russland sind für die Franzosen kein Selbstzweck. Russland ist zudem kein geopolitischer Feind, wie es zum Beispiel die Polen empfinden, sondern ein traditioneller Partner. Und dazu ebenfalls eine Atommacht. Es wäre falsch, Russland zu dämonisieren. Eine offene Konfrontation wäre nicht nur sinnlos, sondern auch gefährlich.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant

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