Gespräche in Moskau: Rote Linien im syrischen Wüstensand

Am ersten Tag seines Russland-Besuchs traf der iranische Präsident Hassan Rohani (r.) den russischen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew (l.) in dessen Residenz unweit von Moskau. Sie diskutierten die Einführung von niedrigen Gebühren auf den Handel bestimmter Waren zwischen dem Iran und der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Am ersten Tag seines Russland-Besuchs traf der iranische Präsident Hassan Rohani (r.) den russischen Ministerpräsidenten Dmitrij Medwedew (l.) in dessen Residenz unweit von Moskau. Sie diskutierten die Einführung von niedrigen Gebühren auf den Handel bestimmter Waren zwischen dem Iran und der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Reuters
Die bilaterale Annäherung war der wichtigste Punkt auf der Agenda von Irans Präsidenten Hassan Rohani bei dessen Besuch in Moskau. Aber es hätte überrascht, wenn die geplante und vom Kreml so lange angestrebte politische Lösung für Syrien die Gespräche nicht dominiert hätte.

Die vielen Abkommen und Absichtserklärungen, die der iranische Präsident Hassan Rohani in Begleitung von hochrangigen Wirtschaftsvertretern in Moskau unterzeichnete, könnten den Weg für eine beschleunigte Zusammenarbeit in vielen Bereichen ebnen.

Die zwei Länder, beide drangsaliert durch die Sanktions- und Eindämmungspolitik des Westens, stehen nun auf derselben Seite der Geschichte: Gemeinsam versuchen sie, den künstlich herbeigeführten und durch regionale Akteure großzügig finanzierten Bürgerkrieg in Syrien zu beenden, ein Krieg, der zum gewaltsamen Regimewechsel führen sollte, so zumindest dachte es sich dessen geistiger Vater, der Neokonservatismus-Theoretiker Robert Kagan.

Moskau und Teheran haben jedoch unterschiedliche Sichtweisen in diesem Punkt, was die syrische Gleichung verkompliziert.

Das Trio Erdoğan-Netanjahu-Rohani

Das Endspiel in dieser nun schon sechs Jahre dauernden Syrien-Zwickmühle scheint unmittelbar bevorzustehen. Die Regionalmächte sind in hektische diplomatische Aktivitäten verfallen, um ihre weitgehend divergierenden Interessen zu sichern.

Der Besuch des pragmatischen iranischen Präsidenten folgt unmittelbar auf zwei weichenstellende Gespräche in Moskau, mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Die drei Besuche zeigen, dass ein Teil der Lösung für die endgültige Regelung des Syrien-Konflikts in Moskau zu finden ist.

Während der Kreml mit Erdoğan eine stillschweigende Übereinkunft getroffen und seine Unterstützung für die syrischen Kurden gezügelt zu haben scheint, ist die Beruhigung Israels, das sich vor der enormen Präsenz der iranischen Streitkräfte in Syrien fürchtet, doch eine ungleich schwierigere Aufgabe.

Doch Netanjahu schürte später die Ängste seiner Landsleute: „Es ist einfach falsch zu sagen, dass die Russen ihre Politik in Bezug auf uns ändern“. Das Unbehagen in Israel bleibt bestehen.

Teheran hat das Sagen

Der iranische Präsident Hassan Rohani inspiziert die Ehrengarde während der Empfangszeremonie bei seiner Ankunft am Moskauer Flughafen Wnukowo, 27. März 2017. / ReutersDer iranische Präsident Hassan Rohani inspiziert die Ehrengarde während der Empfangszeremonie bei seiner Ankunft am Moskauer Flughafen Wnukowo, 27. März 2017. / Reuters

Zweifellos stehe Moskau wegen der aktuellen Situation und konkret wegen der zukünftigen Präsenz der Hisbollah-Kämpfer sowie der Iranischen Revolutionsgarde in Syrien sowohl vonseiten Israels als auch des Irans unter Druck, glaubt Grigorij Kosatsch, Professor am Lehrstuhl für zeitgenössische Probleme des Ostens der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität. Doch, so betont der Politikwissenschaftler, gebe es zwischen Moskau und Teheran noch größere Bedenken und potenzielle Streitpunkte. 

„Die internen Nachkriegsregelungen für Syrien standen definitiv im Fokus der bilateralen Verhandlungen. Ich wäre nicht überrascht, wenn Moskau und Teheran unterschiedliche Standpunkte hinsichtlich der Nachfolge von Baschar al-Assad vertreten. Moskau hat eine schwächere Position, da es sich nur auf Assad stützt, während Teheran bereits mit Militärspitzen und Topmanagern im Gespräch ist und höchstwahrscheinlich über einen Pool an Kandidaten verfügt, die seinen Interessen am besten dienen würden. Moskau kann auf niemanden außer Assad setzen. Es ist Teheran, das das Sagen haben wird.“

Aber ist der allgemein anerkannte Erfolg, der der russischen Militärunterstützung für das Assad-Regime und der diplomatischen Auseinandersetzung mit einigen Teilen der Opposition beigemessen wird, nicht ein wenig übertrieben?

„Vor Kurzem wurde Syriens Minister für nationale Versöhnung Ali Haidar in den US-Medien mit den Worten zitiert, dass Russlands Einfluss beschränkt gewesen sei. Iran dagegen wird die Agenda der Nachkriegszeit in Syrien bestimmen.“

Heißt das, dass Moskau mit Assad als einziger Option auf das falsche Pferd gesetzt hat?

„Ja, vollkommen. Moskau hat einen begrenzten Handlungsspielraum. Wenn Assad abgelöst werden wird, könnte das zu einem ähnlichen Fiasko wie in Ägypten führen, als Präsident Anwar el-Sadat alle Abkommen mit der Sowjetunion aufkündigte und sämtliche sowjetische Berater über Nacht des Landes verwies. Ich habe das Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses: Russland scheint die gleichen Fehler wie die UdSSR zu begehen.“

Es ist zu früh, Moskau abzuschreiben

Mit seiner kritischen Bewertung des Moskauer Einflusses auf die interne Konfliktlösung in Syrien findet Grigorij Kosatsch nicht überall Anhänger. Irina Fjodorowa, leitende Wissenschaftlerin und Iran-Expertin am Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften, behauptet, dass die Druckmittel des Irans im Umgang mit dem geschwächten und aus dem Gleichgewicht gebrachten Land nicht minder beschränkt seien.

„Russlands Hightech-Militäreinsatz hat für den eigentlichen Durchbruch in dem von multilateralen Feindseligkeiten verwüsten Syrien gesorgt. Der Iran ist sich dieses Faktors sehr wohl bewusst“, sagt sie. „Darüber hinaus gibt es eine sehr schwache Hoffnung, dass die Kampfhandlungen bald eingestellt werden. Es gibt zu viele Akteure in diesem Spiel, die alle über ihr eigenes Endziel verfügen. Der Iran wäre ohne Russland nicht in der Lage, einen nachhaltigen Frieden in Syrien aufrecht zu erhalten.“

Das heißt aber nicht, dass Moskau Teheran auch dazu bringen kann, den Ängsten seines Erzfeindes in der Region, Israel, entgegenzukommen. Moskau kann den Iran kaum dazu zwingen, dass es einem Abzug der Hisbollah und der Iranischen Revolutionsgarde zustimmt. Für den Iran stellt das eine rote Linie dar, die nicht ohne Weiteres überschritten werden kann.

Aber für Russland wäre es für seine langfristigen Interessen ebenso schädlich, seine Beziehungen zu Israel aufs Spiel zu setzen. Das ist eine weitere rote Linie – eine, die von Moskau gezogen wurde. Irina Fjodorowa klingt trotzdem optimistisch.

„Das ist verhandelbar, wie alles andere auch. Immerhin ist der Iran von einer Reihe ihm unfreundlich gesinnter Nationen umgeben, zu denen Saudi-Arabien, sein Erzrivale Türkei und Israel zählen. Die aktuelle martialische Rhetorik aus Washington verschärft den Konflikt zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. Unter diesen sehr schwierigen Umständen wäre der Iran gut beraten, Verbündeten oder zumindest freundlich gesinnte Partner zu suchen. Russland ist in dieser Hinsicht die offensichtlichste Wahl.“

Mit den neuen roten Linien, die von den Akteuren des Nahost-Dramas gezeichnet und wieder abgeändert werden, balancieren die politischen Nachkriegs-Lösungen für Syrien, das derzeit noch ganz mit dem „Islamischen Staat“ belastet ist, bildlich gesprochen auf der Scheide eines Messers aus Damaszener Stahl.

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